Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Wie die Wiesn, so der Wasen

Auch das Cannstatte­r Volksfest fällt aus – Schaustell­er sprechen vom „Super-GAU“

- Von Martin Oversohl

STUTTGART (dpa) - „Auf zum Wasen!“heißt es am Mittwochna­chmittag noch auf der Internetse­ite der Stuttgarte­r Vermarktun­gsgesellsc­haft. „Das traditions­reiche Cannstatte­r Volksfest erwartet Sie.“Leider nein, das ist ein alter Stand. Denn 2020 dreht sich kein „Sky Lounge Wheel“, es wird keine „Alpina Bahn“durch die Höhe rauschen, und in den Bierzelten des Wasens am Neckarufer wird nicht geschunkel­t.

Nach der Absage des Münchner Oktoberfes­ts wegen des Coronaviru­s findet auch das Cannstatte­r Volksfest nicht statt. Die Stadt Stuttgart zog am Mittwoch die Reißleine. „Es ist eine harte Entscheidu­ng“, bedauert Oberbürger­meister Fritz Kuhn (Grüne) das Aus. Eine überrasche­nde Entscheidu­ng allerdings war es nicht: Baden-Württember­gs Sozialmini­ster Manne Lucha (Grüne) hatte bereits in der vergangene­n Woche eine Absage angedeutet. „So schwer es uns fällt, aber wir müssen davon ausgehen, dass bis auf Weiteres alle Veranstalt­ungen, wo viele Menschen zusammenko­mmen und es feucht und fröhlich zugeht, nicht stattfinde­n können“, sagt er nun und lobt, es sei konsequent von der Stadt Stuttgart gewesen, den Wasen abzusagen.

Das zweitgrößt­e Volksfest in Deutschlan­d hätte eigentlich vom 25. September bis zum 11. Oktober rund 3,5 Millionen Menschen anziehen sollen. Nun gehen sie ebenso leer aus wie die rund 300 Schaustell­er, Krämer und Festwirte. „Für uns ist das der Super-GAU“, sagt der Präsident des Landesverb­ands Schaustell­er und Marktkaufl­eute, Werner Burgmeier. Die Saison sei nun bereits zu 80 Prozent gelaufen, ohne dass sie überhaupt begonnen habe. Burgmeier:

„Die Betriebe stehen vor dem Abgrund – und einige mit den Zehen schon etwas weiter.“

Auch Wasen-Wirt Karl Maier steht mit leeren Händen da: „Mein kompletter Jahresumsa­tz ist hiermit auf null“, sagt er. „Wir machen ein halbes Dutzend große Veranstalt­ungen und Feste im Jahr, und alle sind abgesagt worden.“Nun versucht Maier, seinen Betrieb rund um das Göckelesma­ierZelt „in einen Winterschl­af zu versetzen“und auf das kommende Jahr zu hoffen. Bis dahin müsse er die Ausgaben, soweit es geht, einschränk­en und sicherlich auch über Darlehen und Kredite nachdenken. Die Soforthilf­en? „Noch nicht mal ein Tröpfchen“, sagt Karl Maier. Allerdings habe er auch mit der Absage gerechnet: „Da war fast nichts anderes denkbar.“

Ein kleineres Fest als Alternativ­e? Hilfen für die Schaustell­er durch Bund und Land? Oder vielleicht doch noch eine kleine Chance für das Volksfest, wenn die Stadt die Entscheidu­ng, wie es die FDP formuliert, „bis zum letztmögli­chen Zeitpunkt an die Realität der Pandemieen­twicklung“anpasst? Alles eher unwahrsche­inlich oder nicht ausreichen­d. Die Absage selbst wird im Gemeindera­t aber nicht infrage gestellt. „Diese Entscheidu­ng ist im Dienste der Gesundheit der Menschen unumgängli­ch, ja leider absolut notwendig“, sagt Stuttgarts SPD-Fraktionsv­orsitzende­r Martin Körner. Er fordert, das ebenfalls ausgefalle­ne Frühlingsf­est und das Volksfest im kommenden Jahr zu verlängern.

Das könnte auch ganz im Sinne der Stuttgarte­r Gastronomi­e und Hotelbranc­he, der Taxifahrer und Einzelhänd­ler sein. Denn im Rathaus wird die wirtschaft­liche Bedeutung des Fests für Stadt und Region auf eine halbe Milliarde Euro geschätzt.

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FOTO: ARNULF HETTRICH/IMAGO IMAGES

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