Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Studie zu Corona bei Kindern: „Interesse ist riesig“
Wie häufig sind Kinder von Covid-19 betroffen? Ulmer Professor Dr. Klaus-Michael Debatin über die Ziele
ULM - Wie häufig sind Kinder von Covid-19 betroffen und welche Rolle spielen sie bei der Ausbreitung des Coronavirus? Eine neue Studie der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Ulm und der drei anderen Universitätsklinika in Baden-Württemberg soll Antworten auf diese Fragen liefern. Ludger Möllers sprach mit Professor Dr. Klaus-Michael Debatin, Ärztlicher Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Ulm, über die Einzelheiten
Was wollen Sie bei Ihrer Studie erfahren?
Die Ergebnisse könnten Auskunft darüber liefern, wie infektiös Kinder bezüglich dieser Erkrankung wirklich sind. Denn die Verläufe der Infektion bei Kindern sind anders als bei Erwachsenen. Wir möchten gerne erfahren, wie viele Kinder im Kleinkind- und Schulkindalter aktuell mit dem Coronavirus infiziert sind oder waren und diese Ergebnisse gerne mit den Befunden der Eltern vergleichen. Wir wollen auch sehen, ob die Notbetreuung gegebenenfalls einen Einfluss auf die Infektionsrate hat.
Haben Sie schon eine These?
Ja, aber ich will den Studienergebnissen nichts vorwegnehmen. Nur so viel: Normalerweise sind Kinder ja wirkliche Virenschleudern. Bei Corona könnte das anders sein. Wir haben nur drei Kinder stationär aufgenommen. Uns interessiert, ob Kinder a priori immun sind, ob sie die Viren eliminieren. Wir wollen wissen, ob Kinder wirklich weniger krank sind, ob sie weniger infiziert sind, ob sie die Krankheit schneller wieder los sind. Uns interessiert, ob sie weniger ansteckend sind. Ich kann jetzt nichts präjudizieren, aber ich persönlich glaube, dass Kinder nicht die primären Verstreuer der Viren sind.
Für welches Lebensalter gilt dies?
Das gilt für Kinder zwischen ein und zehn Jahren, ältere Kinder, zwischen zehn und zwölf Jahren sind häufiger erkrankt.
Warum ist die Studie gerade jetzt angesagt?
In der Debatte um die Wiedereröffnung der Schulen am 5. Mai in Deutschland ist die Antwort auf die Frage, wie infektiös Kinder bezüglich des Coronavirus sind, relevant.
Sie könnte der Politik eine Hilfestellung bei der Entscheidung geben, wie strenge Hygiene-Regeln im Schulbetrieb umgesetzt werden müssen.
Gibt es ähnliche Studien?
Eine isländische Studie hat einen überraschenden Befund gebracht. Danach sind Kinder weit weniger von Sars-CoV-2 betroffen als zunächst, beispielsweise nach einer Studie aus China, angenommen. Bei der Untersuchung von 13 000 unselektionierten Probanden kam heraus, dass kein einziges Kind unter zehn Jahren mit dem Coronavirus infiziert war.
Das Interesse an der Teilnahme an dieser Studie ist riesig. Es haben sich bisher schon 640 Eltern-Kind-Paare gemeldet, die mitmachen wollen. Wir sind im Augenblick dabei, die Rückmeldungen zu sortieren. Der Wohnsitz der Teilnehmer muss in Baden-Württemberg sein. Aber vielleicht erweitern wir auch das Teilnehmerfeld.
Wann gibt’s die Resultate?
Wir erwarten die Ergebnisse Mitte oder Ende Mai.
Und welche Konsequenzen könnte diese Studie haben?
Wir müssen uns dann fragen, was dies für die Hygieneregeln bedeutet. Wir müssen fragen, was dies dann für die Öffnung von Kitas und Schulen hat. Wir denken besonders an Eltern, die im Home-Office sind, deren Kinder zu Hause sind. Diese Kinder brauchen ja die Interaktion in Kindergärten und Schulen. Und hier rede ich nicht von einer Situation über ein paar Wochen, sondern über ein paar Monate. Dann müsste man über die früher Öffnung reden.