Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Mutter und Bruder tot in der Kirche

-

WESTERHEIM

(hjs) - Auch

Christina Baumeister, geborene Rauschmaie­r, hat vor 75 Jahren den Schreckens­tag in Westerheim miterleben müssen. Sie war damals knapp zehn Jahre alt, als Westerheim durch den Angriff der Alliierten in Schutt und Asche gelegt wurde. Sie weiß auch noch, dass SS-Soldaten in ihrer Scheune einen Tankwagen mit Benzin lagerten und diesen vor den anrückende­n Amerikaner­n versteckte­n. Heute wohnt sie in der Unteren Gasse. Sie erlebte die Dorfzerstö­rung Westerheim­s wie folgt:

„Wir waren sieben Kinder. Meine Mutter Franziska packte die Koffer, mein Vater musste zum Volkssturm weg. Es hieß im Ort, der Feind ist in Donnstette­n angekommen und SSSoldaten sind in Westerheim. Das Dorf hätte man viel früher mit weißen Fahnen versehen und es übergeben sollen, am 21. April 1945 war es dann zu spät. Die Nachbarin kam bei uns auf dem Weg zur Kirche noch vorbei. Wir gingen auch hin, obwohl es Pfarrer Eugen Bolsinger nicht wollte. Wir wohnten damals in der Donnstette­r Straße.

Es war ziemlich genau um 16 Uhr, als der erste Schuss bei der Familie Stehle einschlug. Meine Familie und Angehörige waren noch nicht zuhause. Die Großtante mit 74 Jahren wohnte bei uns, die uns gleich in den Keller beorderte. Bald brannte das Rössle und wir mussten ins Freie. Benno Baumeister, der spätere Pater der Afrika-Missionare, und seine Schwester Ottilie waren bei uns.

Es kam dann zum Schneien. So wurden wir im letzten Haus in der Straße zu einer Suppe eingeladen, die gut tat und uns wärmte. Bald stand fast das gesamte Dorf in Schutt und Asche. Als es dunkel geworden war, gingen wir zu meiner Tante und zu meinem Onkel, unsere Eltern waren nicht da. In den Wirren suchten wir unsere fünfjährig­e Schwester, die wir fanden. Mein Vater kam heim, aber ohne die Mutter. Er machte sich dann auf die Suche nach ihr und meinen Bruder Josef sowie nach Oma. Er fand die Mutter und den Bruder tot in der Kirche über eine Kirchenban­k hängend.

Für die vielen Toten musste ein Massengrab im Friedhof ausgehoben werden. Da mein Vater Schreiner war, zimmerte er zwei Särge, in die wir Mutter und Bruder legten. Unser Haus stand noch. Die Eltern von Benno Baumeister waren auch wieder da. In der Marienburg war ein Lazarett für die vielen Verwundete­n eingericht­et. Mein Bruder Michael wurde da wegen seiner Splitter in Arm und Hand ebenfalls behandelt. Ich durfte ihm ein Essen bringen, was ich gerne tat. Unser Vater Johannes musste uns sechs Kinder aufziehen. Es waren für uns alle harte Zeiten.“

 ?? FOTO: STEIDLE ??
FOTO: STEIDLE

Newspapers in German

Newspapers from Germany