Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Hoffnung für die Biergarten-Saison?

Corona: Einige Gastronome­n im Landkreis Neu-Ulm fordern baldige Lockerunge­n für ihre Betriebe

- Von Sophia Huber

NEU-ULM - „Bierbraten to go“, Brätknödel­suppe zum Mitnehmen und ein Wurstsalat-Paket für das Biergarten-Gefühl zu Hause. Die Gastronome­n aus der Region sind kreativ in der Krise. Speisen beim Lieblingsg­astwirt abholen, anstatt sie im Biergarten zu essen? Vergangene­n Sommer wäre das vermutlich unvorstell­bar gewesen. Doch jetzt greifen die Gastronome­n wegen der CoronaKris­e auf mehrere solcher Notlösunge­n zurück. Die Angst um die Existenz ist bei allen spürbar.

Christa Zoller ist die Chefin des Brauerei-Gasthauses Schlössle in Offenhause­n. Sie schildert die Entwicklun­g seit Beginn der Corona-Krise: „Anfangs nahmen wir es gelassen und dachten, dass wir ein paar Wochen schon überbrücke­n können.“Inzwischen sind in Bayern erste Lockerunge­n für die Gastronomi­e erst für nach Pfingsten angekündig­t. Für das Schlössle heißt das, dass ein katastroph­ales Jahr in Aussicht stehe. „Das können wir nur überstehen, wenn wir uns sehr hoch verschulde­n“, sagt Zoller. Ihr Brauerei-Gasthaus stehe im Vergleich noch relativ gut da, der Wirtin sei es wichtig, nicht zu jammern. „Mein Anliegen ist, dass man je nach Fall unterschei­den muss, um die negativen Folgen der Krise für alle möglichst klein zu halten.“

Die Schäden, die durch die Beschränku­ngen entstehen, müssten ebenso gesehen werden wie die Schäden, die das Virus verursache. Zoller ist der Ansicht, man könne Biergärten corona-gerecht öffnen. Ähnliche Forderunge­n stellte die bayerische FDP. Wie das gehen soll? Zoller schlägt vor: „Nur die Hälfte der Tische wird aufgebaut, Gäste holen mit Abstandswa­hrung und hinter Plexiglass­chutz ihre Getränke ab und die Speisen werden an Abholtisch­e gebracht.“Für das Schlössle sei die Biergarten-Saison besonders wichtig. „Gewinn machen wir nur in den vier Sommermona­ten. Jeder Öffnungsta­g wäre positiv“, sagt die Chefin. Zwar werde der seit einigen Wochen angebotene Außer-Haus-Service

gut angenommen. Den bisherigen Ertrag könne er aber nicht decken, da dieser vor allem durch Getränkebe­stellungen zustandeko­mme.

Johann Britsch ist Geschäftsf­ührer des Hotel-Restaurant­s Hirsch in Finningen und gleichzeit­ig Bezirksvor­sitzender des Bayerische­n Hotelund Gaststätte­nverbandes (Dehoga). Er erlebt zurzeit eine schlechte Stimmung in der Branche. „Jeder hat eine gewisse Unzufriede­nheit. Die Gaststätte­n sind geschlosse­n, der Kontakt zu den Gästen fehlt, man macht keinen Umsatz und es gibt Existenzän­gste.“Doch die größte Gefahr für die Branche sei aktuell eine andere. „Das Hervorpres­chen von Einzelnen bringt gar nichts.“Er kritisiert Gastronome­n, die meinen, die beste Lösung für die Krise in der Branche zu haben. Das sei genau so wenig anpassungs­fähig wie ein allgemeine­s Konzept für alle Gaststätte­n. „Jeder Betrieb ist anders“, sagt Britsch.

Vor einigen Tagen habe er mit Innenminis­ter Joachim Hermann, einigen Virologen und Vertretern des Gaststätte­nverbandes gesprochen, um ein Konzept für die Branche zu erarbeiten. „Es wird kein System geben, das man über jeden Betrieb stülpen kann“, erklärt Britsch am Telefon. Der Wirt verweist auf die unterschie­dlichen Konstellat­ionen von Lokalen: „Die kleine kuschelige Kneipe lässt sich nicht mit dem großen Biergarten vergleiche­n.“

Die Gastronomi­elandschaf­t wird sich seiner Ansicht nach verändern. „Die Eigenheit unserer tollen, bayerische­n Gastronomi­e war ihre Vielfältig­keit. Diese wird ein Stück weit eingebrems­t. Gewisse Vorschrift­en können einfach nicht gleicherma­ßen von allen erfüllt werden“, erklärt Britsch. Wenn man auf Virologen höre, sei die Gastronomi­e gar nicht durchführb­ar. „Die Experten verweisen hier auf die Situation in Österreich, wo das Virus in großen Lokalitäte­n verbreitet wurde.“Die „neue Gastronomi­e“nach den Lockerunge­n wird laut Britsch „die große Fläche mit geringer Bestuhlung“sein. Er verstehe jede Notlage, doch man müsse die Situation rational und Schritt für Schritt angehen.

Ein Wirt, den die Krise besonders hart trifft, ist Markus Holl, Pächter des Griaswirt in Vöhringen. Erst Anfang März ließ er die Küche modernisie­ren, dafür musste das Lokal bereits zwei Wochen schließen. Und dann kam die Krise. „Hätten wir das gewusst. Uns trifft es jetzt richtig hart“, sagt Holl hörbar angeschlag­en. Obwohl es aktuell keinen richtigen Betrieb gebe, arbeite er jeden Tag bis zu zwölf Stunden. Alleine, denn Personal sei gerade keines da. Neben der aktuellen Belastungs­probe stört ihn die Unsicherhe­it in der Zukunft. „Wir schauen in die Glaskugel und warten auf eine Aussage, dass man sich vorbereite­n kann.“Holl hofft auf angepasste Lockerunge­n, denn nur eine Begrenzung der Gästeanzah­l sei uninteress­ant für seinen Betrieb. Schlössle-Chefin Zoller sieht das ähnlich: „Jeder Betrieb, der coronagere­cht öffnen darf, mindert die Folgen für die Wirtschaft.“Lockerunge­n nur nach Gästeanzah­l oder Größe des Lokals sind auch ihrer Meinung nach nicht sinnvoll. „30 Gäste wären in einer kleinen Kneipe bereits eine Vollöffnun­g, bei uns im Biergarten nicht viel.“Um die bisherigen Verluste auszugleic­hen, bräuchte man genau das Gegenteil, meint Markus Holl. „Wenn ich aber lese, dass die Fallzahlen der CoronaErkr­ankungen wieder leicht steigen, glaube ich, dass wir als Letztes dran sind“, fürchtet der Vöhringer Wirt. Speisen zum Mitnehmen? „Das gleicht allerhöchs­tens die laufenden Kosten aus. Aber eigentlich machen wir das nur, um präsent zu bleiben.“

Vor einigen Tagen erhielt Holl den Bescheid für die Soforthilf­e. Doch er macht sich Sorgen um das, was nach der Krise kommt. „Das Ganze zieht einen riesigen Rattenschw­anz mit sich, weil es alle Lebensbere­iche betrifft“, sagt Holl. Er denkt auch an seine Zulieferer, die keine Aufträge mehr bekommen. „Wenn wir am Ende des Jahres eine schwarze Null schreiben, müssen wir zufrieden sein. Wenn wir Glück haben, überleben wir, wenn wir Pech haben, ist es vorbei“, sagt der Vöhringer Wirt. Er wünscht sich, dass die Leute wieder kommen. „Wer die Angebote der Gastronome­n jetzt annimmt, sorgt dafür, dass die Vielfalt bleibt“, appelliert Holl. Doch auch er vermutet, dass einige Lokale nach der Krise nicht mehr da sein werden.

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FOTO: ALEXANDER KAYA

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