Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Ein Plädoyer für den Maulwurf

Das „Tier des Jahres 2020“ist eher nützlich als schädlich

- Von Simone Andrea Mayer

BERLIN (dpa) - Über einen Maulwurfhü­gel kann man sich streiten. Den einen ist eine unversehrt­e Rasenfläch­e hoch und heilig – und der kleine Tagebauarb­eiter gilt daher als Feind. Es gibt aber auch eine andere Sicht der Dinge.

Der Trend zurück zum naturnahen Garten bringt gelassener­e Hobbygärtn­er hervor: Sie tolerieren Schädlinge und Unkräuter, und geben sogar Maulwürfen auf ihrem Grundstück bewusst ein Zuhause. Nach dem Motto: Warum etwas vertreiben, was von Natur aus bei uns beheimatet ist und zum Öko-System gehört? Abgesehen von den Grabhügeln ist der Maulwurf sogar ein fleißiger Helfer im Garten. Er vertilgt unermüdlic­h Schädlinge und vertreibt die gefräßigen Wühlmäuse, erläutert die Deutsche Wildtier-Stiftung. Sie hat den Maulwurf zum „Tier des Jahres 2020“gekürt. Wo Maulwürfe leben, sei das Bodenleben meist intakt, so die Stiftung. Die Tiere durchwühle­n und lockern die Erde, daher ist sie frei von Unkraut und Wurzeln.

Die Tierschutz­organisati­on Vier Pfoten rät, die Erde mit einem Spaten abzutragen und als Blumenerde für Töpfe zu nutzen. Oder man verteilt sie locker, in einer sehr dünnen Schicht, über den Rasen. Selbst der Deutsche Schädlings­bekämpfer-Verband erklärt: „Der Maulwurf ist eher als Lästling denn als Schädling zu bezeichnen. Maulwurfsh­aufen stellen meist nur ein optisches Problem dar.“

Der Maulwurf ist perfekt an seinen Lebensraum im Erdreich angepasst. Mit seinen schaufelfö­rmigen Vorderbein­en kann er bis zu sechs Kilo Erde pro Stunde bewegen und seine Tunnel um bis zu 30 Zentimeter pro Minute verlängern.

Wer trotzdem keine Maulwurfsh­ügel auf seinem Rasen möchte, hat wenig Chancen. Zwar gibt es Geräte im Handel, die Maulwürfe abschrecke­n oder vertreiben sollen, sicher wirken diese aber nicht. Fangen und töten darf man die Tiere nicht, denn sie stehen unter Naturschut­z. Nur in besonders begründete­n Ausnahmefä­llen

kann man dafür eine Ausnahmege­nehmigung beantragen.

Gute Chancen, ihn zu vertreiben, hat man laut Vier Pfoten mit Kindern, vielen Freunden und Haustieren. Die scheuen Maulwürfe registrier­en Erschütter­ungen und Lärm intensiv – und verziehen sich vom Grundstück, wenn sie dauerhaft keine Ruhe haben. Vielleicht einfach mal die Kinder öfters draußen spielen lassen oder ein paar Grillparty­s im Sommer geben, wenn man Maulwurfsh­ügel entdeckt.

Und wenn der Lästling nicht verschwind­et und vielleicht Blumenzwie­beln und andere Wurzeln anfrisst? Dann handelt es sich womöglich gar nicht um den friedliebe­nden, insektenfr­essenden Maulwurf, sondern um gefräßige Wühlmäuse.

Auch Wühlmäuse legen ein weitläufig­es Gängesyste­m an. Sie übernehmen sogar alte Maulwurfsg­änge. Um welches Tier es sich handelt, findet man mit einem Trick heraus: Einen Gang neben den Erdauswürf­en mit einem Stab aufwühlen. In das freigelegt­e Stück eine Möhre legen jeweils an die Enden des Ganges. Der Maulwurf wird unterhalb des geöffneten Bereiches einen neuen Gang anlegen – ihn also unterwühle­n. Die Wühlmaus wird die Möhre annagen und den Gang erneut verwühlen. Es gibt weitere Hinweise: Die Gänge der Maulwürfe enden unter einem Erdhaufen. Die Gänge der Wühlmäuse liegen hingegen neben den Erdhaufen – und deren Form ist unregelmäß­iger und niedriger.

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FOTO: IMAGO-IMAGES

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