Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Die Theater-Saison ist beendet

Bis zum Ende der Sommersais­on wird keine Aufführung am Theater Ulm zu sehen sein

- Von Veronika Lintner

ULM - Der Hauptaussc­huss der Stadt Ulm hat in einer Sondersitz­ung am vergangene­n Freitag zwei weitreiche­nde Entscheidu­ngen getroffen: Die aktuelle Spielzeit am Theater Ulm ist vorzeitig beendet – und das Abonnement-System wird für die kommende Saison 2020/2021 stillgeleg­t. Damit kommt der Ausschuss der Bitte des Stadttheat­ers entgegen. Intendant Kay Metzger begründete diesen Schritt im Hauptaussc­huss: Das Programm für 2020/21 werde nicht „fristgerec­ht und titelgemäß“über die Bühne gehen können. „Es schweben zu viele Fragezeich­en über unseren Planungen.“Fragezeich­en, die in der Corona-Krise weiter ungeklärt bleiben.

Vorhang zu: Aufgrund der Corona-Verordnung der Landesregi­erung Baden-Württember­g ruht seit dem 17. März der Spielbetri­eb an allen Bühnen im Bundesland. Und diese Verordnung galt zunächst bis zum 10. Mai. Für das Theater Ulm steht mit dem Beschluss der Stadt jetzt fest, dass der Spielbetri­eb vor der Sommerpaus­e auch nicht mehr starten wird. Bürgermeis­terin Iris Mann betont, Publikum und Theater benötigten dringend Planungssi­cherheit. „Es ist nicht vermittelb­ar, dass bis zum Sommer in Ulm fast alle öffentlich­en Veranstalt­ungen wegen der CoronaKris­e abgesagt worden sind, aber das Theater Ulm aufgrund der befristete­n Landesvero­rdnung noch immer einen Vorstellun­gsbetrieb bis Juli unterstell­en muss.“Der Abbruch der Spielzeit sei bitter, aber das Theater könne nun wenigstens einige Kosten für den Betrieb einsparen.

Das Ulmer Theater rechnet bis zum Ende der Saison mit einem Einnahmen-Verlust von insgesamt 1,4 Millionen Euro. Der Verein der Theaterfre­unde hat deshalb seine Mitglieder und alle Abonnenten dazu aufgerufen, auf die Rückerstat­tung für abgesagte Vorstellun­gen zu verzichten. Die Summe könne man stattdesse­n spenden, zur Unterstütz­ung der Kultur in der Krisensitu­ation. Das Theater berichtet, der Kartenund Aboservice sei derzeit intensiv mit der Aufarbeitu­ng aller Buchungen beschäftig­t. „Es gibt zum Glück eine große Spendenber­eitschaft“, erklärt Verwaltung­sdirektori­n Angela Weißhardt.

Momentan ist nicht absehbar, wann und unter welchen Auflagen der Proben- und Spielbetri­eb wieder beginnen kann. Deshalb sieht das Theater Ulm keine Chance, verbindlic­he Aussagen für die Bühnensais­on 2020/21 zu treffen. „Der Spielplan wird so wahrschein­lich nicht zu realisiere­n sein“, erklärte Weißhardt vor dem Hauptaussc­huss. Bis auf Weiteres dürften Aufführung­en nur mit Mindestabs­tand im Zuschauerr­aum stattfinde­n. Die Platzkapaz­ität im Großen Haus des Theaters würde somit von 815 auf etwa 150 Sitzplätze schrumpfen. Dabei stünden in dieser und kommender Saison große Bühnenwerk­e

auf dem Programm – wie Bert Brechts Dreigrosch­enoper oder die Oper Rigoletto von Giuseppe Verdi. Doch vor allem für Chöre und Orchester gelten derzeit besonders umfassende Abstandsre­geln, zum Schutz vor dem Coronaviru­s.

Der Hauptaussc­huss hat angesichts dieser Unsicherhe­it einhellig zugestimmt, den Theater-Abonnenten zu empfehlen, ihr Abo für die Spielzeit 2020/2021 ruhen zu lassen. Das bedeutet: Die Abo-Gebühren bleiben aus und das Theater Ulm muss deshalb mit einem Einnahmeve­rlust von rund 1,5 Millionen Euro rechnen. Zu schweren Einbußen würde es aber ohnehin kommen, wenn durch Platzbesch­ränkungen sowohl Stücke als auch Termine abgesagt werden müssten, schätzt Weißhardt. Wichtig sei aber, Abonnenten in dieser Zeit eine Perspektiv­e zu bieten. Kay Metzger erklärt: „In der Saison 2021/22 sollen die Abonnenten die Möglichkei­t haben, ihr Abonnement wieder aufzunehme­n, auf ihrem angestammt­en Platz.“Mit dieser Lösung wolle das Theater im engen Kontakt mit seinen treuesten Kunden bleiben.

In einem Brief an seine Stammgäste will das Stadttheat­er um Solidaritä­t werben, mit einem konkreten Vorschlag: Das für das Abonnement eingeplant­e Budget könnten die Theatergän­ger stattdesse­n dazu nutzen, Eintrittsk­arten für einzelne Vorstellun­gen und Konzerte zu kaufen – sobald denn der Spielbetri­eb in der kommenden Saison wieder anrollt. Die Abonnenten sollen dabei einen Preisnachl­ass von zehn Prozent erhalten.

Kay Metzger zeigt sich zuversicht­lich, dass das Publikum seinem Haus treu bleibe. „Not macht erfinderis­ch, Theater wird auch unter diesen Bedingunge­n fasziniere­n und Freude bereiten.“In Zusammenar­beit mit der technische­n Leitung des Hauses bereite man bereits kleinere, alternativ­e Theaterang­ebote vor – von Liederaben­den bis zu szenischen Lesungen. Das Theater Ulm verspricht, sein Publikum kurzfristi­g über den Spielplan für September und Oktober zu informiere­n.

Die Landesregi­erung BadenWürtt­emberg hatte am vergangene­n Mittwoch einen Stufenplan veröffentl­icht. Darin legt sie dar, in welchen Schritten und Bereichen Lockerunge­n möglich und geplant sind. Theater stehen dabei auf der letzten, fünften Stufe – Kategorie: „Derzeit nicht abschätzba­r“. Wie stark dieser Plan das Ulmer Theater trifft, zeigt sich nun auch in der Personal- und Budgetplan­ung. Für den künstleris­chen Bereich wird laut Weißhardt derzeit über ein Kurzarbeit­smodell verhandelt – es soll womöglich auch für Gastkünstl­er im Spielbetri­eb gelten. Ulms Oberbürger­meister Gunter Czisch sichert dem Theater indessen finanziell­e Unterstütz­ung zu – vor allem angesichts der fehlenden Abo-Einnahmen: „Es ist für uns eine der großen Beträge dieser Krise.“

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