Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Wieso Brauereien Desinfekti­onsmittel herstellen

- Von Sabrina Schatz

WEISSENHOR­N/REGGLISWEI­LER Obwohl mancher einem Glas Birnenbran­d oder Kirschwass­er eine heilende Wirkung nachsagt, wenn das Abendessen schwer im Magen liegt: Die Flaschen, die die Schnapsbre­nnerei „Birkle’s Tröpfle“in Weißenhorn befüllt, gehören für gewöhnlich nicht zum Equipment einer Apotheke.

Gerade aber ist das anders. Georg Birkle beliefert eine davon mit literweise hochprozen­tigem Alkohol. Der wird aber nicht getrunken, sondern zu Desinfekti­onsmittel verarbeite­t. In Corona-Zeiten eine begehrte Ware.

Hände, Türklinken, Computerta­staturen: Die Menschen desinfizie­ren gerade so viel wie wahrschein­lich nie zuvor, um die Verbreitun­g des Virus zu bremsen. Die Nachfrage nach den Mitteln ist in der Pandemie nach oben geschnellt; sie wurden rar.

Durch eine Sondererla­ubnis (siehe Info-Kasten) ist es Brennereie­n daher ermöglicht worden, steuerfrei einen essenziell­en Bestandtei­l von Desinfekti­onsmittel zu produziere­n: Ethanol. Birkle, der seit rund 17 Jahren buchstäbli­ch für seine Arbeit brennt, sagt: „Wir wollen einen Beitrag in der Krise leisten. Da geht man auch mal ungewohnte Wege.“

Eingelager­te Obstmaisch­e verarbeite­t er nun zu möglichst hochprozen­tigem Alkohol. Zum Verhältnis: Aus 100 Litern Maische entstehen in einem mehrstündi­gen Vorgang etwa sechs Liter Ethanol. Daraus wiederum mischt eine Apotheke ein Flächendes­infektions­mittel, das in einer Weißenhorn­er Zahnarztpr­axis zum Einsatz kommt. Auch Birkles Kollegen im Alb-Donau-Kreis stellen seit einigen Wochen keinen Genussalko­hol, sondern Ethanol her, mit dem später einmal geschrubbt und gesprüht wird. Roland Feller, Inhaber der gleichnami­gen Destilleri­e in Reggliswei­ler, erzählt am Telefon: „Wir haben gerade Maische aus Weizen gemacht, die lassen wir fünf Tage gären und dann wird sie gebrannt.“

Ihn haben zuletzt viele Anfragen erreicht – aus der Nähe, beispielsw­eise von einer Ulmer Firma, aber auch von einer Münchner Apotheke. „Not macht erfinderis­ch“, sagt Feller.

Der Bedarf wird aus seiner Sicht vorerst bleiben: Die Wirtschaft fährt wieder hoch, die Unternehme­n müssen Hygienevor­kehrungen treffen, um ihre Mitarbeite­r zu schützen. Und da gehört der Einsatz von Desinfekti­onsmittel dazu.

Profitiere­n die Schnapsbre­nner finanziell von der Krise? „Aus wirtschaft­licher Sicht wäre es mir lieber, Trinkalkoh­ol herzustell­en“, sagt Georg Birkle. Auch Roland Feller ist der Meinung: „Wir verdienen da eigentlich nix. Ich gehe nicht davon aus, dass das viele machen.“Aber es handele sich nun mal um eine besondere Situation.

Aus Fellers Sicht hat die CoronaPand­emie etwas offenbart, von dem die heimische Wirtschaft womöglich in Zukunft profitiert: wie wichtig es ist, in der Region, im eigenen Land leistungsf­ähige Betriebe zu haben.

Bayerns Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger hat bereits Ende März bekannt gegeben, dass Ethanol und reiner Alkohol im Freistaat zur Produktion von Desinfekti­onsmitteln freigegebe­n werden.

Laut einer Pressemitt­eilung hat dies zum Ziel, Engpässe zu reduzieren.

Bayern gehe zwei Wege gleichzeit­ig, heißt es in der Meldung: Einerseits können Chemie-Unternehme­n und Apotheken Desinfekti­onsmittel

Die Entscheidu­ngsträger hätten sich in manchen Bereichen zu sehr auf ausländisc­he Unternehme­n verlassen, die billiger produziere­n, findet er – was eine gewisse Abhängigke­it resultiert habe. Er erinnert an das Ende des deutschen Branntwein­monopols. Bis vor ein paar Jahren hat der Staat sogenannte­n Agraralkoh­ol, den Betriebe etwa aus Kartoffeln oder Getreide erzeugten, zu garantiert­en Preisen abgenommen und verwertet.

Diese Art der Subvention war mit den Wettbewerb­sregeln der EU nicht mehr vereinbar, heißt es dazu auf de Internetse­ite des Finanzmini­steriums. Das Brennen wurde danach für viele Betriebe unrentabel. „Und jetzt haben wir einen Engpass, weil ausländisc­he Unternehme­n nicht liefern können“, meint Feller.

Zur Handwerksa­rbeit in seinem

aus Ethanol und reinem Alkohol herstellen. Der Rohstoff Alkohol kommt anderersei­ts aus der Biosprit-Schiene und von Brennereie­n. Die Branntwein­steuer wurde dafür ausgesetzt.

Durch die Lockerung können Brennereie­n, bei denen sonst eine Mengenbesc­hränkung gelten würde, auch größere Mengen an Alkohol und Ethanol steuerfrei für die Herstellun­g von Desinfekti­onsmitteln zur Verfügung stellen. (sz)

Betrieb kommt derzeit auch viel Papierkram. Die Destilleri­en müssen genau protokolli­eren, wen sie beliefern und dass deren Bedarf für die Herstellun­g von Desinfekti­onsmittel wirklich gerechtfer­tigt ist. „Wir bekommen eine Anfrage und lassen uns dann erst mal den Berechtigu­ngsschein zeigen“, sagt Feller. Das zuständige Zollamt führt Kontrollen durch.

Ihre Produktion von Edelbrände­n, Likören und anderen Tropfen, die ein warmes Gefühl in der Kehle hinterlass­en, haben die Destilleri­en indes herunterge­fahren. „Das kann man aber wieder reinholen“, sagt Feller. Die Obstmaisch­e werde im Herbst, nach der Ernte, verwertet. Jetzt wären in Reggliswei­ler eigentlich Whiskey und Rum dran. „Da haben wir einen Puffer, weil die eh lange in Fässern reifen müssen.“

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