Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Alter Friedhof bei Bauarbeite­n ausgegrabe­n

Wo heute ein Seniorenhe­im in Ulm steht, war jahrhunder­telang das Heilig-Geist-Spital

- Von Dagmar Hub

ULM - Im Herbst wurde der alte Flügel des Seniorenhe­ims Dreifaltig­keitshof an der Ulmer Adlerbaste­i abgerissen, um dem Neubau einer Einrichtun­g zu weichen, die neben Seniorenwo­hnungen auch eine Kita umfassen wird. Auf den Abriss waren Archäologe­n, Historiker und historisch Interessie­rte neugierig.

Der Ort des Dreifaltig­keitshofs steht für eine jahrhunder­telange Kontinuitä­t in der sozialen Wohlfahrt in Ulm: Das Heilig-Geist-Spital hatte hier seinen Platz. Alte Darstellun­gen wie der Ulmer Vogelschau­plan des Stadtmaler­s Philipp Renlin aus dem Jahr 1597 zeigen die beiden Höfe des Heilig-Geist-Spitals in ihrer großen Ausdehnung. Seit dem 13. Jahrhunder­t war es das Zentrum einer Hilfe für sozial Schwache, für Kranke, Obdachlose und Arme in Ulm. Die Grabungsar­beiten auf dem Areal neigen sich dem Ende zu, mit Ergebnisse­n ist bald zu rechnen.

Der Ulmer Stadtrat Hans-Walter

Roth hatte vorsorglic­h schon im April einen Bericht über den Stand der Ausgrabung­en und der gemachten Funde beantragt. Bis jetzt ist nur so viel klar: Mauern von früheren Gebäuden sind bei den Arbeiten aufgetauch­t und ein Friedhof wurde entdeckt. Roth vermutet dort bestattete Tote aus dem Schmalkald­ischen Krieg (1546 bis 1547), doch Genaueres werden erst die Untersuchu­ngen zeigen können.

Der frühere Komplex des Spitals erstreckte sich über mehr als die Hälfte des Bereichs zwischen heutiger Dreifaltig­keitskirch­e und Gänstor. Das Spitalwese­n kümmerte sich nicht nur wie vor dem Hochmittel­alter um Pilger und Kranke, sondern auch um Alte. Nur Einrichtun­gen zur Pflege von an Infektions­krankheite­n Erkrankten mussten außerhalb der Stadtmauer­n sein.

Urkundlich erwähnt ist das Ulmer Spital erstmals im Jahr 1240, in der Stauferzei­t also. Im Sommer 1240 stellte Konrad IV., Sohn des staufische­n Kaisers Friedrich II., das Ulmer

Spital unter seinen Schutz. Es sei vor jener Zeit von seinem Standort beim Gögglinger Tor "in die Stadt an die Mauer verlegt" worden, notierte der erste Ulmer Stadtchron­ist Felix Fabri, "damit es nahe beim Wasser liege, in das dann der Unrat abgelassen werden kann." Konrads Schutzbrie­f folgten Schutzpriv­ilegien durch Friedrich II. und durch den Papst.

Beim mittelalte­rlichen Spital stand weniger die medizinisc­he Versorgung im Vordergrun­d; sie erfolgte bei wohlhabend­eren Bürgern zu Hause. Die wichtigste Funktion eines Spitals wie des Heilig-Geist-Spitals war die Versorgung bedürftige­r Kranker und Obdachlose­r, Witwen, Behinderte­r, Gebrechlic­her und weiterhin der Pilger. In einer Spitalkirc­he wurden Messen für die Wohltäter der Einrichtun­g gehalten und die Bewohner wie auch das Personal des Spitals hatte sich stark religiös geprägten Regeln zu unterwerfe­n: Gebete, Keuschheit und Gemeinscha­ft beim Essen.

Das Ulmer Spital hatte umfangreic­hen Grundbesit­z.

Der Komplex aus Pflege- und Wirtschaft­sgebäuden, aus Verwaltung und Sakralgebä­uden war durch Mauern und Tore abgegrenzt von der Stadt und eine Art eigene Siedlung innerhalb Ulms mit eigener Bäckerei, mit Stallungen und Kornscheue­r, Schmiede, Pfründnerh­äusern, Wohnung des Spitalmeis­ters, Badstube und Speisesaal. Der Spitalkomp­lex, so geht es aus alten Darstellun­gen hervor, war um zwei Höfe angeordnet. In der "Dürftigen Stube" am südlichen Ende waren besonders Pflegebedü­rftige nach Geschlecht­ern voneinande­r getrennt untergebra­cht.

Heute ist vom Ulmer Spital fast nichts mehr erhalten. Fast der gesamte Komplex ging im Bombardeme­nt des 17. Dezember 1944 unter, Reste wurden in den 50er Jahren abgerissen, als die Neue Straße gebaut wurde. Erhalten ist noch der ehemalige Ochsenstad­el des Spitals an der Baurengass­e.

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FOTO: DAGMAR HUB

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