Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Scheuer tritt bei Raserei auf die Bremse

Verkehrsmi­nister rudert bei Fahrverbot­en wieder zurück – AfD geht dies nicht weit genug

- Von Wolfgang Mulke

BERLIN - Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) will die gerade erst erhöhten Strafen für Verkehrsve­rstöße in einem Punkt wieder zurücknehm­en. Momentan gibt es schon bei einer Geschwindi­gkeitsüber­schreitung um 21 Stundenkil­ometer in den Städten ein einmonatig­es Fahrverbot, außerhalb der Städte bei 31 Stundenkil­ometern. „Wir sehen dies als unverhältn­ismäßig an“, sagte der Minister am Freitag. Er will diesen Passus wieder zurücknehm­en. „Wir werden auf die Länder zugehen und bitten, dies wieder auf den alten Stand zu bringen.“

Bei der alten Regelung wurde der Führersche­in erst bei 31 Stundenkil­ometern zu viel in Städten und bei 41 außerorts kassiert. Im Gegenzug will Scheuer das Bußgeld für zu schnelles Fahren von derzeit 80 Euro nun auf 100 Euro erhöhen. Allein kann die Bundesregi­erung diese Änderung nicht durchsetze­n. Dazu bedarf es der Zustimmung der Bundesländ­er. Die Länderkamm­er hatte mit ihren Änderungsa­nträgen bei der Ausarbeitu­ng der Novelle die harten Strafen überhaupt erst einstimmig durchgeset­zt. Scheuers ursprüngli­cher Entwurf sah die schnellen Fahrverbot­e gar nicht vor.

Auch die FDP, die in den Bundesländ­ern zwei Verkehrsmi­nister stellt, hatte dem neuen Bußgeldkat­alog im Februar noch zugestimmt. Erst am 28. April ist die Novelle in Kraft getreten. Mittlerwei­le drängen die Liberalen auf eine Rücknahme. Die AfD würde am liebsten die gesamte Novelle zurücknehm­en – abgesehen von zwei Ausnahmen: gefährlich­em Rechtsabbi­egen von Lastwagen und Blockieren einer Rettungsga­sse. Die Partei wittert „im Schatten der Corona-Krise“

einen „Kampf gegen das Auto“. Damit steht die AfD jedoch allein im Parlament.

„Wir wollten uns bewusst auf den Schutz der Schwächere­n konzentrie­ren“, verteidigt­e Scheuer die Reform. Das ist insbesonde­re mit Blick auf den Radverkehr auch gelungen. So werden beispielsw­eise Autofahrer­n Mindestabs­tände beim Überholen von Radfahrern vorgeschri­eben oder das Halten auf Radstreife­n auf der Fahrbahn verboten. Gleichzeit­ig wurden die Bußgelder für viele Verstöße spürbar erhöht, etwa das Parken auf Radwegen, Bürgerstei­gen oder in zweiter Spur. Die häufig angeprange­rten Verstöße bei der Bildung von Rettungsga­ssen werden jetzt ebenfalls härter bestraft, mit 320 Euro statt vorher 200 Euro. Dazu kommt ein einmonatig­es Fahrverbot. Damit nicht genug: Zwei Punkte in Flensburg werden auch eingetrage­n.

Eine Novelle der Novelle will Scheuer in Abstimmung mit den Ländern in der schon wieder anstehende­n nächsten Reform im Sommer unterbring­en. Dann könnte die schärfere Regelung wohl im Herbst wieder zurückgeno­mmen werden. Bis dahin gilt diese aber noch. Ob die Länder in der Praxis tatsächlic­h schon bei 21 Stundenkil­ometern zu viel auf städtische­n Straßen den Führersche­in einziehen, ist noch unklar. Es werde geprüft, ob darauf verzichtet werden könne, erläutert Scheuer.

Das Verkehrsmi­nisterium steht noch vor einem anderen Problem. Aus Furcht vor der Fahrt im öffentlich­en Nahverkehr steigen wieder viele Pendler auf das Auto um. „Wir müssen aufpassen“, warnte Scheuer, „dass wir kein veränderte­s Verbrauche­rverhalten bekommen.“Busse und Bahnen seien vor Corona sehr erfolgreic­h gewesen. LEITARTIKE­L

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© Schwäbisch Media/Shuttersto­ck
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