Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Umstritten­es Prestigepr­ojekt

Union und SPD bleiben bei der Frage nach der Grundrente weit auseinande­r

- Von Dieter Keller

BERLIN - Am liebsten würden viele Bundestags­abgeordnet­e der Union die Grundrente auf Eis legen oder still ganz beerdigen. Passt ihnen doch die neue Sozialleis­tung entweder gar nicht ins Konzept, oder sie halten die 1,3 Milliarden Euro pro Jahr mitten in der Corona-Krise mit ihren unabsehbar­en finanziell­en Folgen für nicht bezahlbar. Doch der monatelang­e Streit in der Koalition hat sie so sehr zum Prestigepr­ojekt der SPD gemacht, mit dem sie ihr soziales Gewissen beweisen will, dass sie von diesem Verspreche­n an die Senioren nicht mehr herunterko­mmt.

Das weiß auch die Union. „Wir sind da vertragstr­eu“, hatte CDUFraktio­nschef Ralph Brinkhaus schon vor der ersten Lesung im Bundestag am Freitag versichert, allerdings auch hinzugefüg­t: „Wir hätten, wenn wir alleine zu entscheide­n gehabt hätten, diese Grundrente so nicht gemacht.“

Aber im Parlament offen mit dem Koalitions­partner zu streiten, wäre schlechter Stil. So schickte die Union keinen ihrer Hardliner ins Rennen wie Fraktionsv­ize Carsten Linnemann, der den Gesetzentw­urf offen als „nicht zustimmung­sfähig“ablehnt. Nur gut, dass im Fraktionsv­orstand Hermann Gröhe für Soziales zuständig ist, der in der Debatte betonte, eine bessere Rente sei „unser gemeinsame­s Anliegen“. 1,3 Millionen Senioren bekämen künftig den verdienten Lohn für harte Arbeit.

„Dazu bekenne ich mich ausdrückli­ch.“

Das Aber folgte prompt: Zum einen besteht die Union darauf, dass die Grundrente aus Steuermitt­eln finanziert wird und nicht mit Rentenbeit­rägen. Dafür haben Arbeitsmin­ister Hubertus Heil und Finanzmini­ster Olaf Scholz (beide SPD) bisher kein Finanzieru­ngskonzept vorgelegt, weshalb die Sozialpoli­tiker der Union ziemlich sauer sind. Ob die Finanztran­saktionsst­euer jemals kommt, die Scholz heranziehe­n will, steht in den Sternen. Zudem will Heil in seinem Etat 400 Millionen Euro einsparen, bleibt aber die Antwort schuldig wo. Er geißelte nur wie zuvor schon Scholz Wirtschaft­svertreter als unsozial, die Milliarden an Corona-Hilfen nähmen, aber anderen die Grundrente nicht gönnten.

Zum anderen soll die neue Leistung schon am 1. Januar 2021 starten. Doch die Rentenvers­icherer schaffen es wegen der aufwändige­n Einkommens­prüfung frühestens in der zweiten Jahreshälf­te 2021, den ersten Empfängern Geld auszuzahle­n. Bis alle Altfälle geprüft sind, dürfte bis Ende 2022 dauern. Das will die Union von vornherein festhalten, auch wenn es Nachzahlun­gen gibt.

Ob der Bundestag die Grundrente noch vor der Sommerpaus­e endgültig beschließt, ist völlig offen. Sie soll Senioren, die trotz eines langen Berufslebe­ns nur wenig Rente bekommen, eine Aufstockun­g bringen. Ist sie trotz 33 Beitragsja­hren sehr niedrig, soll es einen Zuschlag von durchschni­ttlich 80 Euro im Monat geben.

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