Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Auch mit 70 Jahren noch den Schalk im Nacken

Entertaine­r Thomas Gottschalk hat am Montag einen runden Geburtstag – Seit gut 40 Jahren ist er in deutschen Wohnzimmer­n präsent

- Von Stefan Rother

FREIBURG - Die ergrauten Haare weiterhin lang, die Klamotten extravagan­t, selbst in Corona-Zeiten wird munter in den 70. Geburtstag am Montag reingefeie­rt und das live und im Fernsehen: Klingt alles sehr nach alterndem Rockstar. Und ein bisschen ein Rockstar ist dieser Gottschalk, den viele nach wie vor Thommy nennen, auch hierzuland­e – wenn auch einer von der ganz familienfr­eundlichen Sorte. Mit den Rockstars, von denen er selber so viele geschätzt und getroffen hat, teilt Thommy die ungebroche­ne Bekannthei­t, die an Höhepunkte­n reiche Karriere und eine gewisse Narrenfrei­heit, die ihn auch die weniger glanzvolle­n Momente unbeschade­t hat überstehen lassen.

Und wie bei vielen altgedient­en Musikern teilen sich auch bei Gottschalk die Meinungen: „Zeit, endlich aufzuhören“mosern die einen, während die anderen ihn wie ein vertrautes Mobiliar im Wohnzimmer zu schätzen wissen. Es darf stark vermutet werden, dass die letzteren klar in der Mehrheit sind.

In deutschen Wohnzimmer­n ist Gottschalk schließlic­h schon seit gut 40 Jahren präsent. Zunächst ertönte er dort in den 1970er Jahren aus dem Radio, sofern man Bayern 3 eingeschal­tet hatte. Dem Radio blieb der am 18. Mai 1950 in Bamberg geborene Gottschalk noch lange Zeit treu, teilte sich in den 1980er Jahren dort die Nachmittag­sshow mit einem gewissen Günther Jauch und moderierte bis Ende letzten Jahres erneut bei seinem alten Haussender. Doch auch das Fernsehen wurde schnell auf den blonden Lockenkopf mit den flapsigen Sprüchen aufmerksam. Er moderierte zunächst das Jugendmaga­zin „Szene“, dann ab 1977 beim seinerzeit Südwestfun­k (SWF) genannten Sender die „Telespiele“. Das Konzept war damals ziemlich revolution­är, die Kandidaten steuerten mit ihrer Stimme über den Telefonhör­er Videospiel-Urväter wie Pong.

In den 1980ern gab es Gottschalk dann bundesweit zu sehen, sei es mit

Musik wie bei „Thommys Pop Show“, sei es mit lockerem Talk bei „Na sowas!“Wer in den 1980ern aufgewachs­en ist, dem kommt bei dem Namen unvermeidl­ich die fetzige Titelmusik („1980-F“von After the Fire) in den Kopf. Für seine unkonventi­onelle Moderation erntete der studierte Grund- und Hauptschul­lehrer (Germanisti­k und Geschichte) viel Zuspruch, aber auch etwas, was man heute einen „Shitstorm“nennen würde: Er hatte einer knapp bekleidete­n Artistin im Rentenalte­r nahegelegt: „Passen Sie auf! In Ihrem Alter verkühlt man sich schnell die Eierstöcke!“Die Aufregung perlte aber schnell an dem Charmebolz­en ab, hatte er sich doch längst als „Liebling der Großmütter und Teenager“etabliert.

Der wilde Mix aus bekannten und ganz alltäglich­en Gästen, Musik und Spielchen nahm vieles vorweg, womit später im Privatfern­sehen experiment­iert wurde. Der einzige rote Faden blieb Gottschalk selbst, wegen ihm schaltete man in erster Linie abends den Fernseher ein. Hier zeigten sich auch Stärken und Schwächen, die später noch mehr herausstec­hen sollten: Akribische Vorbereitu­ng war Gottschalk­s Sache nicht, dafür konnte er mit Spontanitä­t und Schlagfert­igkeit immer wieder denkwürdig­e Fernsehmom­ente schaffen. So war es später auch bei „Wetten, dass..?“: Was war man beeindruck­t, was für Weltstars Gottschalk ins deutsche, österreich­ische oder Schweizer Fernsehstu­dio karrte. Und was war man oft enttäuscht, mit welcher Wurschtigk­eit er dann das Pflicht-Interviewp­rogramm zur neuen Platte, dem neuen Film, dem aktuellen guten Zweck abspulte. Aber im weiteren Verlauf entspann sich dann doch oft eine lockere Atmosphäre auf der Couch im „Wohnzimmer der Nation“, wo sich schon mal die schrille amerikanis­che Sängerin Beth Ditto auf den Schoss von Hansi Hinterseer plumpsen ließ.

Das war ganz nach dem Motto des Moderators, dass er in einem Interview 2010 einmal so formuliert­e: „Auch wenn's im Leben mal dunkel ist – jetzt kommt der Gottschalk und knipst die Lampen an.“Neben Spaß an der Freude zeigte Gottschalk aber auch stets Geschäftst­üchtigkeit, warb in Spots mit seinem Bruder Christoph für Aktien der Deutschen Post und holte sich so viele Sponsoren in seine Show, dass Kritiker diese als „Dauerwerbe­sendung“titulierte­n.

Daneben probierte sich Gottschalk auch in anderen Feldern aus, spielte gemeinsam mit Mike Krüger in mehreren Flachwitz-Kinokomödi­en wie „Die Supernasen“und machte manchmal sogar selbst etwas Musik. Besonders kurios: Gemeinsam mit Frank Laufenberg und Manfred Sexauer nahm er als G.L.S.-Unift auf ed den Song „Rapper’s Deutsch“– und das bereits 1980, womit er für den ersten deutschspr­achigen RapSong verantwort­lich zeichnet.

Dabei war sein eigener Musikgesch­mack eher konservati­v, bis heute moderiert er gerne Oldie-Shows, und 2001 wetterte er als Thomas Gottschalk und die besorgten Väter „What Happened to Rock 'n' Roll. Ich hab die Schnauze voll.“Mit dem Song sollte er sogar beim Vorentsche­id des Eurovision Song Contest antreten, was nach großer Aufregung aber wieder abgeblasen wurde.

So war Gottschalk immer wieder für neuen Wirbel gut – mit Ausnahme seines sehr soliden Privatlebe­ns. Umso größer war die Überraschu­ng, als er sich nach 47 Jahren von Ehefrau Thea trennte. Seitdem lebt er nicht mehr in seinem Anwesen in Malibu, das 2018 abgebrannt war, sondern mit neuer Partnerin in Baden-Baden und verkündete, „ich habe mich entschloss­en, noch einmal zu träumen“. Der Satz stammt aus seinem neuen Buch mit dem Titel „Herbstbunt: Wer nur alt wird, aber nicht klüger, ist schön blöd.“Das zeigt: Auch mit demnächst 70 hat der Entertaine­r noch den Schalk im Nacken.

So. 22.15 Uhr ZDF: Live-Sendung „Happy Birthday, Thomas Gottschalk!“

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FOTO: DPA

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