Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Die THW-Experten für Wasser und Strom
Die Blaubeurer Ortsgruppe des Technischen Hilfswerks stellt sich neu auf
BLAUBEUREN - Bei der Blaubeurer Ortsgruppe des Technischen Hilfswerks (THW) entsteht eine Einheit, die darauf spezialisiert ist, im Krisenfall die Versorgung mit Wasser, Abwasserleitungen und mit Strom sicherzustellen. Die zwölf Spezialisten können beispielsweise eine Flüchtlingsunterkunft auf der grünen Wiese mit Stromleitungen ausstatten, Trink- und Abwasserleitungen legen und alles mit den entsprechenden Übergabepunkten verbinden. Wie es zur Gründung der Fachgruppe Infrastruktur kam, erklärt Kai-Florian Brändl, THW-Ortsbeauftragter Blaubeuren, im Gespräch mit SZ-Redakteur Christoph Schneider.
Herr Brändl, wo nehmen Sie das Dutzend Wasser- und Elektroexperten denn plötzlich her?
Die waren alle schon da. Wir haben uns nur etwas anders organisiert.
Inwiefern?
Um das zu verstehen, müssen wir einige Jahrzehnte zurückblicken. Bis vor 15 Jahren gliederte sich unser Technischer Zug in Blaubeuren in drei Gruppen auf: 1. Bergungsgruppe, 2. Bergungsgruppe und die Fachgruppe Trinkwasseraufbereitung. Die 1. Bergungsgruppe rückte als erste zu den Einsätzen aus, die 2. stieß gegebenenfalls mit weiterem Gerät dazu. Die Aufgabe der Fachgruppe ergibt sich ja aus ihrer Bezeichnung. Daher haben viele Helfer unserer Ortsgruppe Kompetenzen im Bereich Trink- und Abwasser, obwohl die Fachgruppe vor 15 Jahren aufgelöst wurde. Seither bestand unser Zug aus der 1. und 2. Bergungsgruppe sowie dem Verwaltungsstab.
Wie kam das?
Durch die Schaffung der Schnelleinsatzeinheit Wasser Ausland – kurz „Seewa“. Man hatte gesehen, dass Wasser-Einsätze eher im Ausland stattfinden und um diese Einsätze effizienter organisieren zu können, wurde das Einsatzmaterial an drei Standorten in Deutschland zusammengezogen, im Norden, in der Mitte und in Blaubeuren-Seißen. Hier lagert das Material für Süddeutschland. Die Wasserexperten werden für die Einsätze ebenfalls aus ganz Süddeutschland zusammengerufen. Zu diesen Experten zählen auch Helfer aus unserer Ortsgruppe.
Kommen diese Experten nur im Ausland zum Einsatz?
Die „Seewa“sind, wie der Name schon sagt, ausschließlich im Ausland im Einsatz. Es gab aber durchaus Einsätze in unserer Region, bei denen unsere Wasserexperten mitgeholfen haben. Im vergangenen Sommer gab es beispielsweise Einsätze auf dem Westerheimer Campingplatz, in Aulendorf und bei einem Pumpwerk bei Günzburg. Das liegt einfach daran, dass wir das Material und die Kompetenz hier vor Ort haben. Wir halten natürlich vor jedem dieser regionalen Einsätze Rücksprache mit der übergeordneten Fachgruppe Trinkwasser in Tübingen.
Kai-Florian Brändl, THW-Ortsbeauftragter Blaubeuren
Was hat sich denn jetzt geändert, dass man in Blaubeuren eine Fachgruppe Infrastruktur gegründet hat?
Im vergangenen Jahr wurde die Bundesanstalt THW auf Optimierungspotenzial abgeklopft. Ziel war es, das THW zukunftsfähig auszurichten. Eine neue Schwerpunktaufgabe ist die technisch-logistische Unterstützung. Das Konzept sieht eine neue
Schwerpunktsetzung und Verlagerung bereits vorhandener Fähigkeiten vor. Das bedeutet unter anderem, dass die 2. Bergungsgruppe im Wesentlichen wegfällt und ihre bisherigen Aufgaben anderen taktischen Einheiten zugeordnet werden, beispielsweise der Fachgruppe N. Diese kümmert sich, grob gesagt, um die komplette Logistik. Andererseits werden manche allgemeine Aufgaben von den Bergungsgruppen übernommen. Ein Beispiel: Die Fachgruppe Bel – für „Beleuchtung“– fällt als eigenständige Fachgruppe weg. Die Beleuchtungskompetenz im THW wird aber durch flächendeckende Umverteilung von Beleuchtungskomponenten an die Bergungsgruppen insgesamt gestärkt.
Gibt es eine Blaubeurer Fachgruppe N?
Wir haben stattdessen unsere Fachgruppe Infrastruktur ins Leben gerufen. Erstens gab es so eine Spezialisierung in unserer Region bisher nicht. Und zweitens verfügen wir bereits über viele Kompetenzen in den Bereichen Wasser und Elektronik – einerseits durch frühere Mitglieder der Fachgruppe Wasseraufbereitung und andererseits haben wir viele ehrenamtliche Helfer, die im Elektrobereich arbeiten. Gerade dort sind die im Beruf erworbenen Kenntnisse äußerst wertvoll im Einsatz.
Was macht die neue Fachgruppe nun konkret?
Sie sichert kritische Infrastruktur: Sie gewährleistet die Energieversorgung und stellt sicher, dass die Versorgung mit Trinkwasser und der
Abtransport des Abwassers funktionieren. Ohne Strom geht heute ja nichts mehr, kein Telefon, kein Internet, kein Mobilfunk. Und die Wasserversorgung ist ja ohnehin essenziell. Die Gruppe umfasst zwölf Helfer. Denkbare Einsatzszenarien wären zum Beispiel bei einem Blackout in Zusammenarbeit mit der Ehinger Fachgruppe Elektroversorgung ein Krankenhaus mit Energie aus Generatoren zu versorgen, oder unsere Gruppe legt Strom-, Trinkwasserund Abwasserleitungen für ein Flüchtlingslager, das außerhalb eines Ortes auf einem Feld errichtet wird.
Wie ist die Gruppe technisch ausgerüstet?
Seit Anfang des Jahres haben wir das alte Einsatzfahrzeug der nun aufgelösten 2. Bergungsgruppe – Baujahr 1985 – abgerüstet und ausgemustert. Die Bestandteile seiner Beladung, die wir noch brauchen konnten, haben wir auf unserem neuen Mannschaftslastwagen 4 (MLW 4) untergebracht. Das Fahrzeug konnten wir bereits im Februar abholen. Das ging für viele überraschend schnell. Der MLW 4 hat gleich die passende Konfiguration für die Fachgruppe Infrastruktur. Er ist mit Vierradantrieb, einem leistungsstarken Motor und einem modularen Ladesystem ausgestattet, was ein sehr breites Einsatzspektrum erlaubt.
„Es braucht seine Zeit, bis eine neue Fachgruppe voll ausgerüstet und ausgebildet ist.“
Und in diesen Lastwagen passt die komplette Fachgruppe?
Nein, zum Konzept gehört noch ein Mannschaftstransportwagen mit Anhänger. Diese sollen wahrscheinlich im Lauf des Jahres kommen. Aber mit dem MLW 4 sind wir schon sehr gut aufgestellt. Es braucht seine Zeit, bis eine neue Fachgruppe voll ausgerüstet und ausgebildet ist. Aber wir sind auf einem sehr guten Weg.