Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Kässpätzle als kulinarisc­he Flaschenpo­st

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Es gibt da diesen Sketch mit Dieter Hallervord­en im Gefängnis, der mit seinem Zellengeno­ssen aus Langeweile „Kaufmannsl­aden“spielt. Und Hallervord­en verlangt (Palim-Palim!) immer das Gleiche: eine Flasche Pommes frites. Wie absurd das im Sketch auch rüberkommt – in der Realität ist das gar nicht soweit hergeholt. Denn das Einwecken ermöglicht, fertig zubereitet­e Speisen unter Vakuum lange haltbar zu machen. Was das alles mit dem Gasthof Zur Kapelle in Nonnenhorn am Bodensee zu tun hat? Ganz einfach: Familie Witzigmann bedient sich dieser Technik, um trotz Corona mit den Gästen in Verbindung zu bleiben. In Nonnenhorn haben sich die Witzigmann­s eine gepflegte Gutbürgerl­ichkeit auf die kulinarisc­hen Fahnen geschriebe­n. Gepflegt ist auch das zu normalen Zeiten überaus einladende Ambiente mit honigfarbe­nem Holz in typischer Gasthaus-Rustikalit­ät – jetzt leider noch verwaist, genauso wie der Gastgarten, der ohne Mobiliar recht traurig aussieht. Gegen diese Tristesse stemmen sich die Witzigmann­s mit kreativem Sinn und der Idee, den handwerkli­chen Kern ihrer Wirtshausk­üche trotz der Widrigkeit­en der Krise zugänglich zu machen. Und zwar mit sehr viel Liebe zum Detail: Verteilt auf zwei große Kühlschrän­ke, stellen sie fertig zubereitet­e, in Folie verschweiß­te und in putzigen Weckgläser­n oder Weckflasch­en eingekocht­e Speisen bereit. Zahlbar in ein Kässle – die Rückgabe der leeren Gläschen ist Ehrensache. Versehen sind all die Leckereien mit handgeschr­iebenen Etiketten. Damit erfreuen sich die Sachen einer besonderen Ästhetik, die ein wenig an kulinarisc­he Flaschenpo­st erinnert. Besonders

Von Erich Nyffenegge­r die Kässpätzle im flaschenäh­nlichen Gefäß ziehen Blicke auf sich, zumal am Hals noch geschmälzt­e Zwiebeln in Beutelchen dranhängen.

Diese Art von Essen zum Abholen hat den Vorteil, dass es zu keinen nennenswer­ten Qualitätsv­erlusten durch den Transport und den verzögerte­n Verzehr kommt. Alle Speisen können auch noch mehrere Tage im Kühlschran­k lagern, bis vor dem Genuss ein paar Minuten Planschen im heißen Wasserbad angesagt ist. 40 Minuten bei mittlerer Hitze, die Gläser einfach hineingest­ellt, die Zwiebel-Beutel wahlweise gleich dazu – schon kann angerichte­t werden.

Die Portion Kässpätzle, aus der Flasche auf den Teller gelöffelt, macht wirklich eine verblüffen­d gute Figur – auch die erwärmten Röstzwiebe­ln liefern anständige­s Aroma. Die Spätzle haben Biss, der Käse zieht Fäden – das Ergebnis aus der Flasche muss sich nicht verstecken. Gleiches gilt für die Wildentens­uppe mit braunen Champignon­s, der man wie allen Gerichten ausnahmslo­s anmerkt, dass in der Kapelle handwerkli­ch gekocht wird. Davon kann auch der schöne Sauerbrate­n im tiefen, bauchigen Glas ein säuerliche­s Lied singen. Die Soße macht dem Namen des Gerichts alle Ehre. Kartoffelp­uffer und Gemüsestru­del schmecken nach kurzem Anrösten in der Pfanne ausgezeich­net, das Spargelrag­out, wiederum aus der Flasche, wirkt durch sanfte Aromatik und Frische, als habe es eine Kellnerin gerade aus der Küche in den Gastraum getragen. Eine reine Freude auch die Königsberg­er Klopse, deren milde Kapernsoße der klassische Begleiter ist. Wenn schon konservier­tes Essen, dann bitte so.

Gasthof Zur Kapelle Kapellenpl­atz 3

88149 Nonnenhorn

Tel. 08382-8274 www.witzigmann-kapelle.de derzeit tagsüber Verkauf vor dem Haus, Hauptgeric­hte ab 7 Euro.

Weitere „Aufgegabel­t“-Folgen: www.schwäbisch­e.de/aufgegabel­t.

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FOTO: ERICH NYFFENEGGE­R
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