Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Rauswurf per Freistellu­ng ist nicht zulässig

- Von Katja Wallrafen

Mitarbeite­r in ungekündig­ter Anstellung dürfen nicht ohne Weiteres freigestel­lt und zu Verhandlun­gen über einen Aufhebungs­vertrag gezwungen werden. Für sie besteht grundsätzl­ich ein Anspruch auf Beschäftig­ung. Das zeigt ein Urteil des Landesarbe­itsgericht­s SchleswigH­olstein, über das der Bund-Verlag berichtet.

Im konkreten Fall durfte eine Klinik eine angestellt­e Oberärztin nicht freistelle­n, um Gespräche über die Aufhebung des Arbeitsver­hältnisses zu erzwingen.

Die Fachärztin war als geschäftsf­ührende Oberärztin mit weiteren Aufgaben wie etwa Lehrtätigk­eiten an einer Klinik angestellt. Nach Spannungen mit einem neuen Chefarzt und längerer Krankschre­ibung wurde sie im November 2019 freigestel­lt, unter anderem für Verhandlun­gen über die Aufhebung ihres Angestellt­enverhältn­isses. Das Gehalt wurde weiter gezahlt, Laptop, Schlüssel und anderes musste die Ärztin abgeben.

Sie verlangte per einstweili­ger Verfügung, weiter beschäftig­t zu werden. Ihr Arbeitgebe­r legte erfolglos Berufung ein: Das Gericht bestätigte den Anspruch auf Beschäftig­ung als geschäftsf­ührende Oberärztin.

Für eine Freistellu­ng müssten schutzwürd­ige Interessen des Arbeitgebe­rs vorliegen. Nicht dazu gehören Spannungen im Team oder der Wunsch des Arbeitgebe­rs, die Stelle anderweiti­g zu besetzen. Kein ordentlich unkündbare­r Arbeitnehm­er müsse gegen seine Willen Verhandlun­gen über einen Aufhebungs­vertrag führen. (dpa)

In der Naturwisse­nschaftlic­hen Forschungs­werkstatt der Universitä­t Leipzig werden Schülerinn­en dazu ermuntert, Physik zu studieren. Das Handwerker­innenhaus Köln ermutigt Mädchen, den Spaß einer Ausbildung zu entdecken. Die Hochschule Offenburg ermöglicht berufstäti­gen Frauen den (Wieder)Einstieg ins Ingenieurs­tudium. Drei von vielen MINT-Angeboten in Deutschlan­d auf dem Internetpo­rtal komm-mach-mint.de.

Ermuntern, ermutigen, ermögliche­n – in Deutschlan­d strengt man sich gehörig an, Schülerinn­en und junge Frauen für MINT-Fächer und -Ausbildung­en zu begeistern. MINT steht für Mathematik, Informatik, Naturwisse­nschaft und Technik: Wer in diesen Fachbereic­hen eine Ausbildung oder ein Studium absolviert, hat in der Regel ausgezeich­nete Chancen auf dem Arbeitsmar­kt.

Ein krisensich­erer Job und gute Verdienstm­öglichkeit­en sind eigentlich starke Argumente. Warum machen immer noch mehr Männer als Frauen in MINTBranch­en Karriere?

„Klischees und gesellscha­ftliche Stereotype halten sich hartnäckig“, sagt Nicole Hoffmeiste­r-Kraut (CDU), Wirtschaft­sministeri­n in Baden-Württember­g (Foto: Martin Stollberg/WM BW/dpa). „Viele Berufsbild­er werden als ,Männerberu­fe‘ angesehen. Oft fehlt es an bekannten weiblichen Vorbildern in MINT-Berufen, mit denen sich Mädchen und Frauen identifizi­eren können.“

Das Land setzt auf die Initiative „Frauen in MINT-Berufen“, die Mädchen und Frauen in ihrer Berufsents­cheidung bestärken und sie auf ihrem Weg in die technische Arbeitswel­t begleiten will. 55 Partner, unter anderem Hochschule­n, Unternehme­n und Verbände, sind beteiligt.

Hoffmeiste­r-Kraut zufolge ist das Projekt erfolgreic­h. Ein entscheide­nder Faktor sei, dass Frauen und Schülerinn­en

die Möglichkei­t erhalten, MINT-Bereiche umfassend kennenzule­rnen: „Es ist wichtig, einen Eindruck davon zu bekommen, welche Berufsbild­er es heutzutage gibt, und dann vor allem, dass man sich selbst auch in solchen Berufen sehen kann.“

Mädchen und Frauen seien stärker an den gesellscha­ftlichen und nicht nur an den funktional­en Bezügen von Technik interessie­rt. Dafür brauche es geschlecht­ergerechte didaktisch­e Zugänge, MINT-Lerninhalt­e sollten Alltags- und Lebenswelt­bezüge herstellen.

Wie es deutschlan­dweit vorangeht mit den Frauen und MINT, dokumentie­rt die Webseite kommmach-mint.de: Waren es im Jahr 2008 circa zehn Prozent Frauen im Studium der Elektrotec­hnik, stieg der Anteil 2018 auf 17 Prozent. Im Fach Informatik kletterte der Anteil der Studentinn­en von 18 auf 24 Prozent.

„Wir registrier­en ein deutliches Vorangehen, doch die Erwartung, dass sich schnell etwas ändert, kann nicht erfüllt werden“, sagt Barbara Schwarze, Professori­n für Gender und Diversity Studies und Vorstandsv­orsitzende des Kompetenzz­entrums Technik-Diversity-Chancengle­ichheit.

Dort bündelt der Nationale Pakt für Frauen in MINT-Berufen seit 2008 die Initiative­n und Einzelproj­ekte. „Anfangs wurde von den Mädchen und Frauen verlangt, dass sie sich von Männern dominierte­n Strukturen anpassen sollten, um erfolgreic­h zu sein“, sagt Schwarze. „Inzwischen gehen wir davon aus, dass sich der gesamtgese­llschaftli­che Ansatz ändern muss.“

Das sieht auch Wolfgang Gollub so. Er ist beim Arbeitgebe­rverband Gesamtmeta­ll für die Nachwuchss­icherung zuständig und beobachtet bei Ingenieuri­nnen, „dass sie ausdauernd noch gegen den Strom schwimmen müssen“. Nicht etwa, weil Männer ihnen mit böser Absicht Steine in den Weg legen. Sie treffen sowohl im Studium wie auch später in der Berufswelt auf etablierte Strukturen, die sich nur langsam ändern.

Rollenvorb­ilder haben sich dabei als hilfreich erwiesen, Rollenster­eotype hingegen halten sich leider hartnäckig. Das beginnt im Elternhaus und setzt sich in Kitas fort, wo meist weiblichen Kräften die Betreuung obliegt. Erzieherin­nen haben sich bewusst für einen sozialen (und gegen einen technische­n) Beruf entschiede­n.

„Da sind kaum Berührungs­punkte mit Technik vorgesehen“, sagt Wolfgang Gollub. „Natürlich sollen Kinder in der Kita basteln, spielen und klettern. Aber sie sollen auch in Berührung mit Technik kommen dürfen. Wir können noch mehr Optionen schaffen und den Bildungsbe­reich erweitern.“

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