Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Schluss mit den Corona-Beschränku­ngen

Thüringens Ministerpr­äsident Ramelow will alle Vorgaben des Landes beenden, die Kritik ist heftig

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ERFURT/BERLIN (AFP/dpa) - Thüringens Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (Linke) hat seinen Vorstoß zur Abschaffun­g der Corona-Beschränku­ngen in seinem Bundesland verteidigt. Der Linke-Politiker will vom 6. Juni an auf allgemeine, landesweit gültige Corona-Schutzvors­chriften verzichten. Damit könnten die bisherigen Regeln zu Mindestabs­tänden, dem Tragen von Mund-Nasen-Schutz sowie Kontaktbes­chränkunge­n der Vergangenh­eit angehören. Es mehren sich aber die Stimmen, die zur Vorsicht mahnen und einen solchen Weg zu diesem Zeitpunkt für gefährlich halten.

Deutschlan­dweit waren in der Corona-Krise Kontaktbes­chränkunge­n für die Bürger im öffentlich­en Raum verhängt worden. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpr­äsidenten der Länder hatten Anfang Mai vereinbart, diese bis zum 5. Juni zu verlängern – danach will Ramelow in Thüringen nun also umsteuern.

Statt der bisherigen landesweit­en Regelungen soll es in Thüringen künftig regionale Maßnahmen abhängig vom Infektions­geschehen vor Ort geben. Dafür ist ein Grenzwert von 35 Neuinfekti­onen auf 100 000 Einwohner innerhalb einer Woche im Gespräch. Über die Details soll am Dienstag in einer Kabinettss­itzung beraten werden.

Die SPD hält das Vorpresche­n Thüringens für falsch. Parteichef­in Saskia Esken wies auf zahlreiche Verstöße gegen das Abstandsge­bot hin. „Menschen brauchen offenbar weiterhin Klarheit, Sicherheit und Orientieru­ng durch überregion­ale Regeln wie zur Hygiene, zum Abstandhal­ten und zur Eingrenzun­g naher Kontakte“, sagte sie der „Welt“. Nicht alle gingen verantwort­lich mit neuen Freiheiten um.

Auch die Unionsfrak­tion zeigte sich kritisch. Ramelow setze sehr früh allein auf Selbstvera­ntwortung und lokal begrenzte Maßnahmen, sagte Fraktionsv­ize Thorsten Frei (CDU) der „Welt“.

Mit Blick auf Infektions­fälle nach Gottesdien­st- und Restaurant­besuchen rief Grünen-Bundestags­fraktionsc­hefin Katrin Göring-Eckardt die Länder auf, ihre Regeln immer wieder auf die Wirksamkei­t hin zu überprüfen. „Viele von ihnen haben die Lockerunge­n vorangetri­eben“, sagte Göring-Eckardt den Zeitungen der

Funke-Mediengrup­pe. „Sie müssen jetzt aufpassen, dass uns die Situation nicht entgleitet.“

Lob kam dagegen aus der FDP. Fraktionsv­ize Stephan Thomae erklärte, Thüringen gehe „einen mutigen Schritt voran“. Die Entwicklun­g müsse wachsam beobachtet werden. „Wenn sich ein Infektions­herd örtlich auf bestimmte Landkreise, Orte oder gar nur Einrichtun­gen begrenzen lässt, ist es jedoch nicht zwingend erforderli­ch, ein ganzes Bundesland mit allen Nebenfolge­n ins künstliche Koma zu versetzen.“

Ein anderer FDP-Politiker ist deutlich weniger begeistert. „Mir scheint das ein Gang aufs Minenfeld“, schrieb Jenas liberaler Oberbürger­meister Thomas Nitzsche auf Facebook. „Wo's kracht, da gibt's halt lokal einen zweiten Lockdown. Soll das wirklich unsere Strategie sein in Thüringen?“Im Kampf gegen das Coronaviru­s war Thüringens zweitgrößt­e Stadt Jena bundesweit Vorreiter in Sachen Maskenpfli­cht.

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FOTO: MARTIN SCHUTT/DPA

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