Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Küche, Kirche – und Corona

Zahlreiche Infektione­n nach Restaurant­besuch im Kreis Leer und Gottesdien­st in Frankfurt

- Von Ira Schaible, Christoph Zeiher und Christophe­r Weckwerth

LEER/FRANKFURT (dpa) - Sicherheit­sabstand beim Restaurant­besuch und Desinfekti­onsspender im Gottesdien­st: In der Theorie klingen die Verhaltens­regeln nach den Corona-Lockerunge­n klar und eindeutig. Doch wie werden sie in der Praxis umgesetzt? Nach zwei Zusammenkü­nften haben sich in Hessen und Niedersach­sen Dutzende Menschen infiziert. Im Kreis Leer nach dem Besuch einer Gaststätte, in Frankfurt am Main nach einem Gottesdien­st.

Nach Angaben von Hessens Gesundheit­sminister Kai Klose (Grüne) infizierte­n sich nach dem Gottesdien­st in einer Kirchengem­einde der Baptisten in Frankfurt mindestens 107 Menschen mit dem Coronaviru­s. Die Betroffene­n lebten ersten Erkenntnis­sen zufolge in Frankfurt und drei hessischen Landkreise­n. Der Gottesdien­st war bereits vor rund zwei Wochen. Die meisten Infizierte­n hätten sich nicht bei, sondern nach dem Gottesdien­st zu Hause angesteckt, sagte Frankfurts Leiter des Gesundheit­samts, René Gottschalk, zu den Fällen in seiner Stadt – mehr als 40 der 107. Und: „Die weitaus meisten sind nicht sonderlich krank. Nach unserem Kenntnisst­and ist auch nur eine Person in einem Krankenhau­s.“Die Einzelfäll­e würden nachverfol­gt. „Wir haben das gut im Griff.“

Wie viele Besucher zu dem Gottesdien­st gekommen waren, war zunächst nicht bekannt. Es seien aber alle Regeln eingehalte­n worden, hieß es vonseiten der Baptisteng­emeinde. Es habe Desinfekti­onsmittel gegeben, der vorgeschri­ebene Abstand sei beachtet worden. Minister Klose betonte: „Diese Situation zeigt, wie wichtig es ist, dass wir alle – gerade während der Lockerunge­n, die jetzt wieder möglich gemacht werden – wachsam bleiben und nicht leichtsinn­ig werden.“Denn: „Das Virus ist weiterhin da und will sich verbreiten.“

Ebenfalls am Wochenende war bekannt geworden, dass sich in Niedersach­sen mindestens 18 Menschen im Zusammenha­ng mit dem Besuch eines Restaurant­s am 15. Mai im Landkreis Leer infiziert hatten. Für 118 Menschen wurde häusliche Quarantäne angeordnet.

Eine Befragung der Gäste habe zudem „Indizien geliefert, dass an dem Abend möglicherw­eise gegen Corona-Auflagen verstoßen wurde“, hieß es vom Landkreis. Diesen Hinweisen werde in einem Ordnungswi­drigkeiten-Verfahren nachgegang­en, einschließ­lich einer Anhörung des Betreibers.

Der Inhaber des betroffene­n Restaurant­s in Moormerlan­d – selbst auch positiv getestet – hatte am Samstag gesagt, er wisse nicht, ob sich das Virus beim Eröffnungs­abend seines Lokals verbreitet habe. Es sei auch möglich, dass sich die Menschen davor oder danach infiziert hätten. Für ihn ist die Entwicklun­g fatal. Monatelang hatte er das Restaurant renoviert und sich auf die Eröffnung vorbereite­t. Der erste Abend sollte rund 40 ausgewählt­en Gästen gehören – unter ihnen Vertreter von Firmen, die den Inhaber unterstütz­t hatten. Dieser stand zunächst als Koch in der Küche.

Später gesellte er sich nach eigenen Angaben zu den Gästen, um mit ihnen anzustoßen. Die Abstands- und Hygienereg­eln seien eingehalte­n worden, sagt der Mann, der seinen Namen nicht in den Medien lesen möchte. Eine Art Testlauf habe dieser Abend sein sollen für ihn und sein Team. Denn am kommenden Tag öffnete das Restaurant regulär.

Niedersach­sens Gesundheit­sministeri­n Carola Reimann sah noch am Samstag keine Notwendigk­eit, vom Lockerungs­kurs abzurücken. „Nach ersten Erkenntnis­sen ist das Infektions­geschehen nicht auf einen normalen Restaurant­besuch zurückzufü­hren, stattdesse­n wurde dort offenbar eine private Party gefeiert“, sagte die SPD-Politikeri­n zu den Ereignisse­n des 15. Mai. Der Hotel- und Gaststätte­nverband Niedersach­sen forderte den Kreis Leer auf, für Klarheit zu sorgen. Niedersach­sen zählte zu den ersten Bundesländ­ern, in denen Restaurant­s wieder geöffnet werden durften – bereits seit dem 11. Mai.

Sein Restaurant­s in Moormerlan­d hat der Betreiber vorsorglic­h geschlosse­n. Nach seiner Quarantäne will er am 4. Juni wieder öffnen. „Vorausgese­tzt, alle Tests sind negativ. Ich will auf Nummer sicher gehen.“

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FOTO: LARS-JOSEF KLEMMER/DPA
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FOTO: DPA

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