Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Ein fragwürdiges Spiel
Gerade mal fünf von 20 Verhandlungstagen sind beim Dellmensinger Fackelwurf-Prozess absolviert, da schlagen die öffentlichen Wellen immer höher. Dabei scheint es gar nicht mehr so sehr um die fünf Täter zu gehen, sondern um die Frage: Wer trägt sonst noch Schuld an der Eskalation der Ereignisse vor einem Jahr? Fest steht: Man mag zur Lebensform von durch die Lande ziehenden Menschen stehen wie man will – wer sie anfeindet oder gar angreift, tritt das Grundgesetz, das Menschenrecht auf selbstbestimmtes freiheitliches Leben mit Füßen. Die fünf geständigen jungen Männer müssen sich dafür zurecht vor Gericht verantworten.
Wer indes Aussagen einzelner Angeklagter verallgemeinert und Schätzungen von Zeugen dafür verwendet, einen ganzen Ort und einzelne Vertreter anzuklagen, betreibt ein fragwürdiges Spiel. Wie sich der Ortsvorsteher bei der Ankunft der Roma tatsächlich verhalten hat, wissen wir nicht. Der Satz „mein ganzes Dorf ist ziemlich rechts“fiel nur von einem der Angeklagten, und ob tatsächlich 60
Prozent aller Dellmensinger gegen die Roma waren – nichts als Spekulation. Sicher Recht hat Daniel Strauß, der Vorsitzende des Landesverbands Deutscher Sinti und Roma, wenn er von Gemeindevertretern nicht nur Rückendeckung für die eigenen Bürger, sondern auch eine klare öffentliche Verurteilung der Angriffe und Worte des Bedauerns gegenüber den Opfern erwartet hätte – und dies schon vor einem Jahr.
Nun aber den gesamten Ort, dessen Vertreter zurecht auf das große Engagement der Bürger in der Flüchtlingshilfe verweisen, in Sippenhaft zu nehmen, das geht zu weit. Ja, es gibt offensichtlich Menschen mit rechtsextremer Gesinnung in Dellmensingen – aber nicht nur dort. Und das ist das ganz besonders Traurige an solchen Ereignissen: Es fehlt allzu oft der Mut, hinzuschauen und sich entgegenzustemmen, wenn Fremdenfeindlichkeit erkennbar wird und die Protagonisten ihre üblen Parolen verbreiten. In Dellmensingen und andernorts.