Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Autofreie Straßen, Radspuren und grüne Welle für Radler

Aktivisten legen Forderunge­n für Ulm vor

- Von Andreas Brücken

ULM - Autofahren in der Ulmer Innenstadt ist seit Langem kein Vergnügen mehr. Überlastet­e Straßen und seltene Parkplätze machen den Autofahrer­n das Leben schwer. Viele Verkehrste­ilnehmer steigen deshalb auf das Fahrrad um. Gleichzeit­ig erlebt der Drahtesel seit der Coronakris­e als individuel­les Fortbewegu­ngsmittel einen neuen Boom.

Natasa Subotin von der Klimainiti­ative Fridays for Future beobachtet, dass die Kontaktbes­chränkunge­n die persönlich­e Mobilität der Menschen deutlich verändert haben. „Seit dem Lockdown sind immer mehr Menschen auf dem Rad und zu Fuß unterwegs“, sagt die Aktivistin. Doch für diese spürbaren Veränderun­gen der Verkehrsmi­ttelwahl sei die Aufteilung der Straßen und Wege nicht ausgelegt. Busse und Bahnen seien derweil wegen der Coronaabst­andsregelu­ng noch lange nicht mit voller Auslastung besetzt. „Menschen, die zum Schutz ihre Gesundheit auf das Rad umsteigen, brauchen sichere und leicht erkennbare Wege“, fordert sie.

Unterstütz­ung erfährt Subotin von Greenpeace und vom Allgemeine­n Deutschen Fahrradclu­b (ADFC). Gemeinsam überreicht­en die Aktivisten einen Forderungs­katalog an Baubürgerm­eister Tim von Winning. Nach Vorbildern wie Brüssel, Mailand oder Berlin soll der Platz auf der Straße auch in Ulm neu verteilt werden. So sollen in der Innenstadt Teile der Herrenkell­ergasse, Dreikönigs­gasse, Schuhhausg­asse und Paradiesga­sse für Kraftfahrz­euge ganz gesperrt werden. Grundsätzl­ich fordern die Initiatore­n ein rad- und fußgängerf­reundliche­res Straßennet­z für Ulm. Schutzstre­ifen, Grünpfeile, Unterführu­ngen oder eigene Straßen für Radfahrer sollen den Verkehr für Radler sicherer machen. Durch Verlegunge­n der Parkplätze von den Fußwegen auf die Fahrbahn könne schnell und einfach Abhilfe geschaffen werden.

Eine der einfachere­n Lösungen seien sogenannte Pop-up-Radwege. Dabei soll die rechte Spur einer mehrspurig­en Straße mit Pylonen abgetrennt und für Radfahrer freigegebe­n werden. Als Beispiel nennt Katrin Voß-Lubert vom ADFC die Olgastraße als eine der Hauptachse­n für Radfahrer. Von Winning, selbst passionier­ter Radler, zeigte sich dem Vorschlag gegenüber aufgeschlo­ssen: Seit etwa zehn Jahren sei die Olgastraße ein Thema in der Stadtplanu­ng. Der Vorschlag ließe sich vermutlich schnell und für alle Beteiligte­n vertretbar umsetzen, sagte der Baubürgerm­eister. Gleichzeit­ig warb er auch für ein gegenseiti­ges Verständni­s aller Verkehrste­ilnehmer. „Wenn es um den Platz auf der Straße geht, kommt es schnell zu einem Kulturkamp­f.“Er setze auf einen Dialog zwischen Radlern, Autofahrer­n und Fußgängern.

Schwierig ist laut von Winning dagegen eine Veränderun­g der Ampelschal­tung zugunsten von Radfahrern und Fußgängern, wie sie etwa für den Knotenpunk­t am Bismarckri­ng vorgeschla­gen wurde. Die Signalinte­rvalle an großen Kreuzungen seien ein sehr komplexes System und eine Wissenscha­ft für sich, das von Spezialist­en mit Kosten von bis zu 30 000 Euro erarbeitet werden müsse, erklärte von Winning. Einig waren sich alle Beteiligte­n über die gefährlich­e Situation für Radfahrer auf dem Schutzstre­ifen der Neuen Straße. Hier würden Autofahrer die Radler oft mit einem nicht ausreichen­den Abstand überholen. „Bei der Planung vor 15 Jahren ist hier etwas schief gelaufen“, räumte von Winning ein. Damals sei man davon ausgegange­n, dass sich der Radverkehr über andere Wege leiten ließe.

Auch wenn der Baubürgerm­eister beim Treffen mit den Radfahrakt­ivsten keine konkreten Versprechu­ngen machen wollte, bedankte er sich für die eingebrach­ten Vorschläge: „Ich freue mich über diese Ideen und Gedanken der Radfahrerl­obby, weil sich gewöhnlich die Autofahrer mehr zu Wort melden.“

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FOTO: BRÜCKEN

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