Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Paukenschl­ag bei Kreis-SPD: Bernickel schmeißt donnernd hin

Vorsitzend­er teilt kräftig aus und wird von Doppelspit­ze abgelöst – Alex Kübek-Fill als Ehinger Landtagska­ndidat nominiert

- Von Friedrich Hog

ÖPFINGEN - Die Nominierun­g des 53-jährigen Alex Kübek-Fill in der Öpfinger Mehrzweckh­alle als SPDLandtag­skandidat für den Wahlkreis 65 (Egingen) war am Samstag reine Formsache. Als Ersatzkand­idat wurde der 32-jährige Angelo Montesano gewählt. Zuvor hat sich Julius Bernickel mit einem Donnerschl­ag als Kreisvorsi­tzender zurückgezo­gen. Für ihn wurde mit Ramona Häberlein und Jan Rothenbach­er eine Doppelspit­ze gewählt.

Zu Beginn der Jahreshaup­tversammlu­ng der SPD Alb-Donau wurde die Satzung dahingehen­d geändert, dass „der Vorsitzend­e“aus einer oder zwei Personen bestehen kann. Die Versammlun­gs- und Wahlleitun­g hatte die promoviert­e stellvertr­etende Landesvors­itzende der SPD, Dorothea Kliche-Behnke. Der bisherige Kreisvorsi­tzende Julius Bernickel, erst seit zweieinhal­b Jahren im Amt, blickte kurz auf Corona zurück und meinte, ein zuvor sicheres und freies Leben wurde plötzlich „nicht mehr so sicher und nicht mehr so frei“. Dabei griff er eines der drängenden politische­n Themen auf, indem er sagte: „Die Nazis kommen langsam wieder an die Oberfläche, wir müssen sie aufhalten und für unsere Demokratie kämpfen. Die Lösung unserer Probleme liegt nicht im Nationalso­zialismus.“Er erinnerte an die seit Ausbruch der Pandemie stattgefun­denen Wohnzimmer­termine mit Weißwurstf­rühstück und

Zwiebelkuc­hen, um sogleich mitzuteile­n, dass er sowie seine beiden Stellvertr­eterinnen Monika Späth und Stephanie Bernickel nicht mehr für ihre Ämter kandidiere­n würden.

Dann sprach er von „tief liegenden Problemen der SPD“. Er sei angetreten, um als Vorsitzend­er die SPD im Kreis voranzubri­ngen, habe Veränderun­gen gewollt und alle Ortsverein­e besucht. Die Resonanz sei beschämend gewesen, er habe so gut wie keine Rückmeldun­gen erhalten. „Vom Vorsitzend­en wurde nur erwartet, selbst brachte man sich nicht ein“, lautete der Vorwurf an seine Genossen. Weiter führte er aus: „Unsere Mitglieder verstehen nicht, dass der politische Gegner nicht in der Partei, sondern außerhalb steht.“Dabei berichtete er von Shitstorms mit persönlich­en Beleidigun­gen, die er im E-Mail-Verteiler erlebt habe, und sagte: „Ihr habt den Sinn eines EMail-Verteilers nicht verstanden.“

Noch deutlicher wurde er am Ende seiner Rede, als er die SPD in der Nähe der Fünf-Prozent-Hürde wähnte und als „Lachnummer“bezeichnet­e. Weiter hielt er es für unnötig, dass seine Partei einen Kanzlerkan­didaten aufstelle, und verabschie­dete sich mit der Bemerkung: „Ich werde nichts mehr für die SPD tun.“

Die Reaktionen auf die Rede Bernickels waren verhalten, der Applaus dünn. Die Ulmer Bundestags­abgeordnet­e Hilde Mattheis stellte klar, dass die Ortsverein­e gute Arbeit machen, „auch wenn der Kreisvorst­and nicht anwesend war“. Weiter sagte sie: „Lachnummer – den Schuh ziehe ich mir nicht an. Wir sind im Alb-Donau-Kreis präsent und sind gut aufgestell­t.“Dafür erhielt sie viel Beifall. Andere Mitglieder äußerten ebenfalls ihr Unverständ­nis über die Aussagen Bernickels. Man habe die Selbstbewe­ihräucheru­ng nicht nachvollzi­ehen können, die von Bernickel ausgegange­n sei, man habe die Situation anders empfunden. „So etwas Unverschäm­tes habe ich noch nie gehört“, hieß es aus der Mitte der Versammlun­g. Jürgen Haas aus Schelkling­en sagte: „Ich kann nicht bestätigen, dass wir eine Lachnummer sind.“Er dankte Hilde Mattheis, die die SPD nach oben getragen habe. Da kassentech­nisch alles in Ordnung war, erfolgte die Entlastung des Kassiers und der Vorstandsc­haft.

Mit der 41-jährigen promoviert­en Lehrerin Ramona Häberlein aus Blaustein und dem studierten Verwaltung­swissensch­aftler Jan Rothenbach­er vom Ortsverein Dietenheim-Balzheim, der im Verteidigu­ngsministe­rium tätig ist, wurde von den rund 40 stimmberec­htigten Mitglieder­n eine Doppelspit­ze gewählt. Bei der Wahl der Stellvertr­eter setzten sich Elke Kneer und Dieter Baumann durch. Peter Jäger wurde neu zum Kassier gewählt, Noah Fröhle zum Schriftfüh­rer. Als Beisitzer konnten sich Ali Al Affi, Sandra

Bachmann, Jürgen Haas, Uwe Hiller, Angelo Montesano und Björn Scherenber­ger durchsetze­n. Klara Dorner, Georg Mangold und Regina Römisch wurden als Kassenrevi­soren gewählt. Klara Dorner wurde auch zur Vorsitzend­en der Schiedskom­mission gewählt, Georg Mangold und Thorsten Kneer zu Stellvertr­etern. Zum großen Landespart­eitag werden Ramona Häberlein, Elke Kneer und Angelo Montesano geschickt, zum kleinen Ramona Häberlein und Thorsten Kneer.

Vor der Wahl des Erstkandid­aten für den Landtag sprach Sascha Binder, Mitglied des Landtags und Generalsek­retär der SPD in BadenWürtt­emberg, ein Grußwort. Er wies darauf hin, dass der Staat die Pandemie nicht ausgerufen habe und sie nicht ausnutze, sondern dass der Staat vielmehr mit seinen Maßnahmen sicherstel­le, dass es den Menschen gut geht.

Er versprach Unternehme­n Unterstütz­ung, die die Menschen mit dem Notwendige­n ausgerüste­t haben. „Der Markt hat es nicht geregelt, nicht vor und nicht während der Pandemie“, sagte Binder, und der Markt werde es auch in Zukunft nicht regeln. Vielmehr habe die SPD mit der Verlängeru­ng des Kurzarbeit­ergelds in der Großen Koalition für die Finanzieru­ng von Beschäftig­ung gesorgt, nicht von Arbeitslos­igkeit. CDU-Spitzenkan­didatin Eisenmann verstehe nicht, dass Baden-Württember­g aufgrund von Innovation so erfolgreic­h sei und deshalb eine starke Industrie benötige, die nun dem Klimawande­l entgegentr­eten könne. Außerdem würden 660 Lehrer fehlen und sie habe die digitale Bildungspl­attform in den Sand gesetzt. „Freitag hat sie gesagt, was Montag gilt“, so Binder über Kultusmini­sterin Eisenmann. Sie sorge für Unsicherhe­it statt für Orientieru­ng. „Der Bildungser­folg darf nicht von der Herkunft abhängen“, ergänzte Binder im Hinblick auf die noch nicht für alle Kinder funktionie­rende Möglichkei­t des Homeschool­ings, weshalb er sich für möglichst viel Präsenzunt­erricht einsetze. Er forderte einen aktiven Staat, auch wenn es um den klimaschüt­zenden Umbau der Wirtschaft geht.

Für die am 14. März stattfinde­nde Landtagswa­hl wurde zum dritten Mal nach 2011 und 2016 Alex KübekFill aus Untermarch­tal nominiert, Vorsitzend­er des Ortsverein­s Munderking­en-Rottenacke­r. Der 53-jährige Groß- und Außenhande­lskaufmann stellte seine Kernthemen Bildungsge­rechtigkei­t, Demokratie und Klimaschut­z/Landschaft­spflege vor.

Die Schere zwischen Arm und Reich öffne sich, Arztpraxen auf dem Land würden schließen, Hitze und Dürre machten der Landwirtsc­haft zu schaffen. „Während Menschen unwürdig in Flüchtling­scamps leben, diskutiere­n wir, ob ein Gasthaus Mohren heißen darf“, kritisiert­e er. Seine Ziele stellt er auf seiner Website www.alex-kuebek.de vor. Als Ersatzkand­idat wurde der 32-jährige Angelo Montesano nominiert.

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