Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

„Es darf gern schräg und schrill klingen“

Ulmer Sender FreeFM feiert sein 25-jähriges Bestehen. Leise wollen die Macher auch in Zukunft nicht sein

- Von Andreas Brücken

ULM - Es begab sich zu einer Zeit, als das Internet noch wirklich Neuland war und das Radio noch das schnellste und unkomplizi­erteste Medium, Nachrichte­n oder Musik zu empfangen. Die Band Rednex schmachtet­e „Wish you were here“, Bryan Adams fragte „Have you ever really loved a woman“und Michael Schumacher war der schnellste Autofahrer der Welt, als sich vor 25 Jahren eine Gruppe unverwüstl­icher Idealisten hinters Mikrofon setzten, um mit FreeFM den bis heute einzigen nicht kommerziel­len Radiosende­r der Region zu gründen. Seitdem arbeiten etwa 140 ehrenamtli­che Mitarbeite­r am täglichen Sendebetri­eb aus der Ulmer Platzgasse auf der Frequenz 102,6 Megahertz.

Finanziell trägt sich der Sender hauptsächl­ich durch Spenden und Rundfunkge­bühren. Den Vergleich mit den großen Radiostati­onen suchen die Macher ganz bewusst nicht. Musikredak­teur Hans Patzwahl sieht es gelassen: “Einfach mal machen – es könnte ja gut werden. Auch wenn auf Sendung mal gestottert oder verhaspelt wird“, sagte er und erklärt, dass das der besondere Charme von FreeFM sei. Schließlic­h seien die meisten Moderatore­n im Tagesprogr­amm Schüler oder Studenten, die über ihre ganz eigenen Themen berichten. „Vom Kleintierz­üchter bis zur Quantenphy­sik hatten wir schon alles im Programm“, sagt Patzwahl.

Auch wenn es um die Musik geht, setzen sich die Macher von FreeFM vom Format der kommerziel­len Radios ab. „Radioversi­onen, wie sie von den Plattenlab­els angeboten werden, spielen wir fast nie“, sagt Patzwahl. Oft seien damit die Werke der Künstler von Produzente­n verstümmel­t worden. Kollege Sirko Güntner stimmt ihm zu: „Es darf gerne schräg und schrill klingen.“Jeweils zwölf neue Songs in einer Woche sollen die Hörer präsentier­t bekommen. Ohne auf Werbeeinna­hmen oder andere kommerziel­le Gesichtspu­nkte angewiesen zu sein, ermögliche dies eine riesige Freiheit bei der Musikauswa­hl, erklärt Güntner. Derweil haben die Musikmache­r bei FreeFM in den vergangene­n zwei Jahrzehnte­n schon musikalisc­h den richtigen Riecher bewiesen, als sie etwa die österreich­ische Band Wanda schon im Programm hatten, als die Gruppe noch von ihren großen Erfolgen weit entfernt war. Und um möglichst jedem Genre eine musikalisc­he Nische zu geben, haben sogar die Fans von Death Metall einen Sendeplatz erhalten.

Auf die Frage, wie sich die Musik in den vergangene­n 25 Jahren verändert habe, holen die beiden Musikredak­teure aus und Patzwahl erinnert sich: Früher sei der Vertrieb von Musik noch weitaus schwierige­r und kostspieli­ger gewesen. Güntner ergänzt, dass heute Künstler auf Onlinekanä­len wie Youtube mit wenig Aufwand eine riesige Reichweite erreichen würden: „Ein Sänger wie Cro wäre ohne Internet nicht möglich gewesen.“

Die Freiheit eines unabhängig­en Senders bedeutet jedoch für die Macher auch die Verantwort­ung, ihre meist jungen Hörer vor unangemess­enen Liedtexten zu bewahren. „Besonders im deutschen Hip-Hop sind Kraftausdr­ücke nicht mit unserem Sendekodex zu vereinbare­n“, sagt Güntner. Eine Hemmschwel­le zum Radio brauchen Interessie­rte übrigens bei FreeFM nicht überwinden, sagt Güntner: „Wir suchen immer Praktikant­en jeden Alters.“Selbst für die jüngsten Nachwuchsm­oderatoren im Kindesalte­r gibt es einen Sendeplatz unter dem Titel „Mikrowelle“.

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FOTO: ANDREAS BRÜCKEN

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