Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Polizei hebt Waffenverstecke aus
Bei Bad Schussenried laufen Menschen in Wehrmachtsuniformen und mit Waffen durch einen Wald
BAD SCHUSSENRIED/NELLINGEN In einem groß angelegten Einsatz hat die Polizei am Donnerstagmorgen 17 Wohnungen in Bayern und Baden-Württemberg sowie ein Waldstück bei Bad Schussenried nach Beweismitteln durchsucht und dabei eine solche Anzahl Waffen beschlagnahmt, dass zum Abtransport Lastwagen benötigt wurden. Das teilen die Staatsanwaltschaft Stuttgart und das Polizeipräsidium Ulm in einer gemeinsamen Pressemitteilung mit.
„Das ist ein guter, harter Schlag gegen extremistische Bestrebungen“, wird Innenminister Thomas Strobl (CDU) in einer Pressemeldung des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration zitiert. Die Hintergründe dieser Handlungen würden genauestens durch die Strafverfolgungsbehörden durchleuchtet. „Dazu gehört auch die Feststellung, ob es sich um politisch motivierte Straftaten handelt.“
Rund 400 Polizeibeamte des Polizeipräsidiums Ulm waren in Kooperation mit den Landeskriminalämtern Baden-Württemberg und
Bayern, den Polizeipräsidien
Einsatz, Aalen, Ravensburg, Reutlingen, Schwaben Nord, Schwaben Süd/West und München sowie den Spezialeinsatzkommandos mehrerer Bundesländer im Einsatz. Die durchsuchten Objekte befinden sich in München, den Landkreisen Augsburg, Biberach, Esslingen, Günzburg, Kempten, Sigmaringen, Tübingen und Ostallgäu sowie dem Ostalb- und RemsMurr-Kreis. Zu den konkreten Orten
möchte sich Melanie Rischke, die Sprecherin der Stuttgarter Staatsanwaltschaft, aus ermittlungstaktischen Gründen nicht äußern. Nach Information der Schwäbischen Zeitung liegt das durchsuchte Waldstück aber bei Bad Schussenried im Kreis Biberach.
Hintergrund der Durchsuchungen ist ein bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart geführtes Ermittlungsverfahren gegen derzeit 19 Beschuldigte unter anderem wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz. Ausgangspunkt der Ermittlungen war ein Hinweis, wonach sich bewaffnete Personen in Wehrmachtsuniformen in einem Gebäude im Landkreis Biberach getroffen haben sollen. Die daraufhin mit Hochdruck geführten Ermittlungen der Kriminalpolizei Ulm ergaben einen Verdacht gegen weitere Personen. Demnach sollen die Tatverdächtigen, bei denen es sich um Männer und Frauen zwischen 27 und 77 Jahren handelt, mit Wehrmachtsuniformen und mit Waffen ausgestattet in dem Waldstück in Bad Schussenried zusammengekommen sein und unter anderem Kriegsszenarien nachgestellt haben. Ersten Ermittlungen zufolge sollen die Tatverdächtigen weder behördliche Genehmigungen zum Veranstalten dieser Treffen noch zum Führen der Waffen gehabt haben. Es besteht weiterhin der Verdacht, dass die Männer und Frauen auch Waffen, die unter das Kriegswaffenkontrollgesetz fallen, benutzten und Kleidung trugen, auf denen verfassungsfeindliche Symbole angebracht sind.
„Die Untersuchung der mutmaßlichen Waffen wird einige Zeit in Anspruch nehmen. Erst dann wird man beurteilen können, ob und gegebenenfalls welche Straftatbestände erfüllt sein könnten.“Melanie Rischke Staatsanwaltschaft Stuttgart
Im Rahmen der am Donnerstag erfolgten Durchsuchungen beschlagnahmten die Ermittler unter anderem Computer, eine Vielzahl an Waffen, Munition, Uniformteile, Fahrzeuge und verfassungsfeindliche Symbole. Die Einsatzkräfte fanden überdies Granaten, für deren Begutachtung Sprengstoffexperten angefordert wurden. Im Landkreis Sigmaringen wurden zwei Zündkapseln unter Aufsicht der Fachkräfte kontrolliert gesprengt. Bei einem der Beschuldigten stellten die Ermittler außerdem Betäubungsmittel sicher. In den Landkreisen Esslingen, Sigmaringen und dem Rems-Murr-Kreis stellten die Ermittler eine solche Anzahl an Waffen sicher, dass zu deren Abtransport Lastwagen benötigt wurden.
Staatsanwältin Melanie Rischke sagte auf SZ-Anfrage: „Die Untersuchung der mutmaßlichen Waffen wird einige Zeit in Anspruch nehmen. Erst dann wird man beurteilen können, ob und gegebenenfalls welche Straftatbestände erfüllt sein könnten.“Die Tatverdächtigen kamen vorerst wieder auf freien Fuß.
Bereits Anfang September gab es einen ähnlichen Fall auf der Schwäbischen Alb bei Nellingen: Nachdem ein Zeuge nachts mehrere Schüsse bei Oppingen gehört hatte, die mutmaßlich mit einer vollautomatischen Waffe abgefeuert worden waren, durchsuchte die Polizei die Wohnungen von zwei Männern, eines 35-Jährigen aus dem Alb-Donau-Kreis und eines 27-Jährigen aus dem Landkreis Reutlingen. Dabei stießen die Beamten auf ein illegales Waffenlager und illegale Rauschmittel.
Bei der Durchsuchung der Wohnung eines 35-Jährigen aus dem Alb-Donau-Kreis fanden die Ermittler zahlreiche Waffen, von denen einige unter das Kriegswaffenkontrollgesetz fallen könnten. Dabei handelte es sich laut Polizei um ein offenbar schussbereites Maschinengewehr, sieben zum Teil scharfe Gewehre, sieben teils scharfe Pistolen, einen Revolver, Munitionsgurte, verschiedene scharfe Patronen und Schwarzpulver.
Woher die Waffen stammen, konnten die Beamten bisher noch nicht klären, sagte Wolfgang Jürgens, Sprecher der Polizeidirektion Ulm. Ebenso sei unklar, was die Personen mit den Waffen vorhatten. Auch die Zugehörigkeit der beiden Verdächtigen zu einem radikalen Milieu wie beispielsweise einem Rocker Club, den Reichsbürgern oder anderen Gruppierungen sind bisher nicht bestätigt.