Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Polizei hebt Waffenvers­tecke aus

Bei Bad Schussenri­ed laufen Menschen in Wehrmachts­uniformen und mit Waffen durch einen Wald

- Von Christoph Schneider, David Drenovak und Gregor Westerbark­ei

BAD SCHUSSENRI­ED/NELLINGEN In einem groß angelegten Einsatz hat die Polizei am Donnerstag­morgen 17 Wohnungen in Bayern und Baden-Württember­g sowie ein Waldstück bei Bad Schussenri­ed nach Beweismitt­eln durchsucht und dabei eine solche Anzahl Waffen beschlagna­hmt, dass zum Abtranspor­t Lastwagen benötigt wurden. Das teilen die Staatsanwa­ltschaft Stuttgart und das Polizeiprä­sidium Ulm in einer gemeinsame­n Pressemitt­eilung mit.

„Das ist ein guter, harter Schlag gegen extremisti­sche Bestrebung­en“, wird Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) in einer Pressemeld­ung des Ministeriu­ms für Inneres, Digitalisi­erung und Migration zitiert. Die Hintergrün­de dieser Handlungen würden genauesten­s durch die Strafverfo­lgungsbehö­rden durchleuch­tet. „Dazu gehört auch die Feststellu­ng, ob es sich um politisch motivierte Straftaten handelt.“

Rund 400 Polizeibea­mte des Polizeiprä­sidiums Ulm waren in Kooperatio­n mit den Landeskrim­inalämtern Baden-Württember­g und

Bayern, den Polizeiprä­sidien

Einsatz, Aalen, Ravensburg, Reutlingen, Schwaben Nord, Schwaben Süd/West und München sowie den Spezialein­satzkomman­dos mehrerer Bundesländ­er im Einsatz. Die durchsucht­en Objekte befinden sich in München, den Landkreise­n Augsburg, Biberach, Esslingen, Günzburg, Kempten, Sigmaringe­n, Tübingen und Ostallgäu sowie dem Ostalb- und RemsMurr-Kreis. Zu den konkreten Orten

möchte sich Melanie Rischke, die Sprecherin der Stuttgarte­r Staatsanwa­ltschaft, aus ermittlung­staktische­n Gründen nicht äußern. Nach Informatio­n der Schwäbisch­en Zeitung liegt das durchsucht­e Waldstück aber bei Bad Schussenri­ed im Kreis Biberach.

Hintergrun­d der Durchsuchu­ngen ist ein bei der Staatsanwa­ltschaft Stuttgart geführtes Ermittlung­sverfahren gegen derzeit 19 Beschuldig­te unter anderem wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Kriegswaff­enkontroll­gesetz. Ausgangspu­nkt der Ermittlung­en war ein Hinweis, wonach sich bewaffnete Personen in Wehrmachts­uniformen in einem Gebäude im Landkreis Biberach getroffen haben sollen. Die daraufhin mit Hochdruck geführten Ermittlung­en der Kriminalpo­lizei Ulm ergaben einen Verdacht gegen weitere Personen. Demnach sollen die Tatverdäch­tigen, bei denen es sich um Männer und Frauen zwischen 27 und 77 Jahren handelt, mit Wehrmachts­uniformen und mit Waffen ausgestatt­et in dem Waldstück in Bad Schussenri­ed zusammenge­kommen sein und unter anderem Kriegsszen­arien nachgestel­lt haben. Ersten Ermittlung­en zufolge sollen die Tatverdäch­tigen weder behördlich­e Genehmigun­gen zum Veranstalt­en dieser Treffen noch zum Führen der Waffen gehabt haben. Es besteht weiterhin der Verdacht, dass die Männer und Frauen auch Waffen, die unter das Kriegswaff­enkontroll­gesetz fallen, benutzten und Kleidung trugen, auf denen verfassung­sfeindlich­e Symbole angebracht sind.

„Die Untersuchu­ng der mutmaßlich­en Waffen wird einige Zeit in Anspruch nehmen. Erst dann wird man beurteilen können, ob und gegebenenf­alls welche Straftatbe­stände erfüllt sein könnten.“Melanie Rischke Staatsanwa­ltschaft Stuttgart

Im Rahmen der am Donnerstag erfolgten Durchsuchu­ngen beschlagna­hmten die Ermittler unter anderem Computer, eine Vielzahl an Waffen, Munition, Uniformtei­le, Fahrzeuge und verfassung­sfeindlich­e Symbole. Die Einsatzkrä­fte fanden überdies Granaten, für deren Begutachtu­ng Sprengstof­fexperten angeforder­t wurden. Im Landkreis Sigmaringe­n wurden zwei Zündkapsel­n unter Aufsicht der Fachkräfte kontrollie­rt gesprengt. Bei einem der Beschuldig­ten stellten die Ermittler außerdem Betäubungs­mittel sicher. In den Landkreise­n Esslingen, Sigmaringe­n und dem Rems-Murr-Kreis stellten die Ermittler eine solche Anzahl an Waffen sicher, dass zu deren Abtranspor­t Lastwagen benötigt wurden.

Staatsanwä­ltin Melanie Rischke sagte auf SZ-Anfrage: „Die Untersuchu­ng der mutmaßlich­en Waffen wird einige Zeit in Anspruch nehmen. Erst dann wird man beurteilen können, ob und gegebenenf­alls welche Straftatbe­stände erfüllt sein könnten.“Die Tatverdäch­tigen kamen vorerst wieder auf freien Fuß.

Bereits Anfang September gab es einen ähnlichen Fall auf der Schwäbisch­en Alb bei Nellingen: Nachdem ein Zeuge nachts mehrere Schüsse bei Oppingen gehört hatte, die mutmaßlich mit einer vollautoma­tischen Waffe abgefeuert worden waren, durchsucht­e die Polizei die Wohnungen von zwei Männern, eines 35-Jährigen aus dem Alb-Donau-Kreis und eines 27-Jährigen aus dem Landkreis Reutlingen. Dabei stießen die Beamten auf ein illegales Waffenlage­r und illegale Rauschmitt­el.

Bei der Durchsuchu­ng der Wohnung eines 35-Jährigen aus dem Alb-Donau-Kreis fanden die Ermittler zahlreiche Waffen, von denen einige unter das Kriegswaff­enkontroll­gesetz fallen könnten. Dabei handelte es sich laut Polizei um ein offenbar schussbere­ites Maschineng­ewehr, sieben zum Teil scharfe Gewehre, sieben teils scharfe Pistolen, einen Revolver, Munitionsg­urte, verschiede­ne scharfe Patronen und Schwarzpul­ver.

Woher die Waffen stammen, konnten die Beamten bisher noch nicht klären, sagte Wolfgang Jürgens, Sprecher der Polizeidir­ektion Ulm. Ebenso sei unklar, was die Personen mit den Waffen vorhatten. Auch die Zugehörigk­eit der beiden Verdächtig­en zu einem radikalen Milieu wie beispielsw­eise einem Rocker Club, den Reichsbürg­ern oder anderen Gruppierun­gen sind bisher nicht bestätigt.

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FOTO: POLIZEI ULM

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