Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Bau der neuen Münster-Chororgel beginnt
Für die 1191 Pfeifen des Instruments sucht die Münstergemeinde Paten
ULM - Noch existiert die neue Chororgel des Ulmer Münsters nicht, doch seit diesem Montag werden in Männedorf am Zürichsee schon die Pläne entworfen für eine mit Klangfarben der französischen Romantik ausgestattete, neue SchwalbennestChororgel. Bereits im kommenden Herbst soll der Aufbau des Instruments im Ulmer Münster beginnen, Einweihung – so Münsterkantor Johannes Friedemann Wieland – soll zu Weihnachten 2021 sein. Dann wird das neue Instrument auch mit der Hauptorgel des Münsters verbunden sein – ein Zugewinn an Klangvielfalt und Klangfülle.
Noch ist die Betonempore aus den 60er-Jahren leer, dort oben auf der rechten Seite des Chorraums, wo sich normalerweise die Schwalbennestorgel befindet. Die Stahlträger, die die Orgel halten sollen, ragen aus der Seitenwand des Chores. Schon an Weihnachten 2021 aber sollen neue Klänge von dort oben kommen können. Zur Vorgeschichte: Die 1960 gebaute Rieger-Chororgel, die dort oben in zehn Metern Höhe montiert gewesen war, hatte eine Überholung dringend nötig gehabt, das wurde 2018 festgestellt.
Doch Teile der Orgel waren kaum zugänglich und schwer instand zu halten. Eine Hypothek für kommende Generationen. Und: In der Fülle der Orgeln, die in der Nachkriegszeit gebaut wurden, entstand so manche von nicht wirklich hoher Qualität. Eine gute Stimmhaltung habe die Rieger-Orgel nicht gehabt, berichtet Wieland. So fiel der Entschluss, das Instrument zu verkaufen und durch ein neu zu bauendes Instrument zu ersetzen. Vor einem Jahr wurde die Rieger-Orgel nach Bilgoraj in Polen abtransportiert.
Ein aufwendiges Verfahren folgte, bei dem aus zehn Orgelbaufirmen, die sich beworben hatten, diejenige gesucht wurde, die den Wünschen der Auftraggeber am Münster für eine neue Chororgel möglichst nahe kam. Durchsetzen konnte sich die Schweizer Orgelbaufirma Kuhn, die ab dieser Woche ein etwa 4700 Kilogramm schweres Instrument mit 1191 Pfeifen und 21 Registerzügen bauen wird – in einer modernen Optik des 21. Jahrhunderts, in Weiß, aus Eichenholz und mit Pfeifen aus handgegossenem Zinn, dazu mit versilberten Schleiergittern.
Das Besondere an jener Orgel: Sie soll nicht nur instandhaltungsfreundlich sein, sondern vor allem klanglich außergewöhnlich, mit einem eigenen französisch-romantischen Akzent wie ihn der Meister des französisch-romantischen Orgelbaus vorgab – Aristide CavailléColl, einer der bedeutendsten Orgelbauer aller Zeiten. Der Klang der Orgel soll aber auch so sein, dass sich dazu gut singen und musizieren lässt, wenn das Instrument die Gemeinde oder eine Aufführung von Chor und Orchester begleiten soll – auch dann, wenn ältere Literatur der Musik aufgeführt wird. Besonders von der „Voix céleste“, der „himmlischen
Stimme“, schwärmt Konstrukteur Hans-Peter Keller.
Sie werde einen Schwebeeffekt erzeugen können, wie ihn die Orgeln der Nachkriegszeit nicht hatten, weil solche Akzente in jener Zeit eher verpönt waren.
Im Mai des kommenden Jahres bereits soll die Orgel in der Werkhalle der Firma Kuhn am Zürichsee erstmals montiert werden, danach wird sie wieder zerlegt und nach Ulm transportiert. Für das neue Instrument sucht die Münstergemeinde Klangpaten – Menschen, die bereit sind, ein Register oder eine Pfeife des Instruments zu finanzieren, die sie selbst aussuchen können.
Die Orgelpfeifen werden zwischen zwölf Millimeter und 2,40 Meter lang sein. Die Klang-Paten sollen eine Patenschaftsurkunde sowie eine Spendenbescheinigung erhalten; die Namen der Spender werden zudem auf einer Tafel eingraviert, die an der neuen Orgel angebracht werden wird. Darüber hinaus werden die Orgel-Paten zur Einweihung des Instruments eingeladen.