Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Alles läuft – und dann kommt Corona
Wie die Veranstalter der „Dogsmania“-Messe zu Hundeladenbetreibern wurden
MACHTOLSHEIM - Eigentlich wären Simone und Roberto „Cheech“Vecchiatto in diesen Tagen schwer beschäftigt mit den letzten organisatorischen Details für ihre Messe, die „Dogsmania“in den Ulmer Messehallen. Die ist aber abgesagt, wegen Corona. Deswegen sind die beiden nun nicht in einer der vier ursprünglich geplanten Messehallen anzutreffen, sondern im Keller einer ehemaligen Fabrikantenvilla in Machtolsheim. Hier betreiben sie „Des Hondslädle“, ein kleines Geschäft mit Hundefutter, Spielzeug und weiteren Dingen rund um den Hund. „Wir haben nicht viel, aber das Beste“, sagt „Cheech“.
Simone erklärt: „Corona hat uns quasi gezwungen, unseren Laden in Machtolsheim ein Jahr früher als geplant zu eröffnen.“Denn eigentlich wäre in wenigen Tagen die 6. „Dogsmania“-Messe in den Hallen in der Ulmer Donauau gewesen. Die Messe ist ihre Erfindung und in diesem Jahr hätten sie sie erstmals komplett in Eigenregie auf die Beine gestellt.
Weil sie sich vor drei Jahren auch beruflich weitgehend der Messeorganisation verschrieben haben, bedrohte Corona und seine Folgen auch ihre Existenz. „Durch den Ausfall der Messe sind uns etwa 80 Prozent unseres Jahreseinkommens weggebrochen. Da geht’s ums Überleben“, erklärt sie. Der Laden lindert den in diesem Jahr erlittenen finanziellen Verlust zumindest. „Noch trägt er uns nicht, das wäre aber auch utopisch“, sagt sie.
Dass dennoch etliche Autos mit Menschen und Hunden und teils auswärtigen Nummernschildern auf den Schotterparkplatz neben dem „Hondslädle“in Machtolsheim fahren, liegt wohl daran, dass die beiden Betreiber seit einigen Jahren ziemlich bekannt sind in der Hundehalterszene
der Region.
Dazu trägt die Facebookgruppe „Dogs Ulm/Neu-Ulm“maßgeblich bei. Simone Vecchiatto erklärt, wie es dazu kam: „Wir hatten schon immer Hunde, vor allem Mastiffs. Vor fünf Jahren haben wir für unsere Hunde Moritz und Peaches eine Gassigruppe im Netz gesucht, aber keine gefunden, mit der wir zu 100 Prozent zufrieden waren. Deswegen haben wir einfach eine neue Facebook-Gruppe namens „Dogs Ulm/ Neu-Ulm“aufgemacht. Das war unser Einstieg in die Hundewelt der Region.“
Am Anfang hatte die Gruppe maximal einige Hundert Mitglieder. Der Durchbruch kam, als „Cheech“mit dem Radiosender donau3fm im Jahr 2015 den „Giftköderradar“machte. Inzwischen zählt die Facebookgruppe rund 8500 Mitglieder.
In diesem Jahr 2015 beginnt der Weg der beiden hin zu Hundemesseveranstaltern und Hundeladenbesitzern. Denn eigentlich arbeiten „Cheech“Vecchiatto – gelernter Grafiker – und Simone Vecchiatto – gelernte Bäckereifachverkäuferin – im Pflegedienst von „Cheechs“Mutter. Sie tauchen aber immer weiter ein in die „Hundewelt“. So organisieren sie die erste „Dogsmania“auf der Alpakafarm bei Neu-Ulm und 2016 erkennen sie einen neuen Trend in der Hundeernährung, das „Barfen“, was ungefähr als „Biologisch artgerechte Rohfütterung“beschrieben werden kann und bedeutet, dass der Hund anstatt fertigem Trockenfutter frisches oder aufgestautes Fleisch, Innereien, Knochen und Fisch sowie Gemüse und Obst im Napf vorfindet.
Weil aber die meisten Menschen keine Zeit und auch keine Möglichkeit haben, frische Schlachtabfälle zu besorgen, setzen die „Barfer“auf Tiefkühlware oder „Frostfleisch“. Das wird dann entsprechend gemischt und aufgetaut und kommt in den Napf. Einen Frostfleischverkauf aus der Garage haben Martin und Vecchiatto bereits im Jahr 2016 in Ulm aufgezogen – der erste Schritt zum eigenen Laden.
2017 folgt der bisher finale berufliche Umstieg in die Hundewelt: „Cheech“verkauft den Pflegedienst, damit einerseits seine Mutter in den verdienten Ruhestand gehen kann und andererseits er und Simone komplett in die Messeorganisation einsteigen können.
Fünf „Dogsmania“-Messen haben die beiden seither organisiert, immer unter dem Dach der Ulmer Messegesellschaft, die inzwischen pleite ist. Heuer wäre ihre erste Dogsmania gewesen, die sie komplett allein verantwortet hätten, größer und besser als alle zuvor: Die „Dogsmania 2020“hätte in vier Hallen stattgefunden, inklusive der Messe „Catsmania“und einer internationalen DogDance-Meisterschaft. Es gab große Pläne, zum Beispiel die „Dogsmania“im kommenden Jahr an mehreren weiteren Standorten zu veranstalten. Aber da sind die Macher inzwischen skeptisch.
„Cheech“Vecchiatto ist froh, dass die Messeabsage für dieses Jahr abgesehen vom Wegfall der erwarteten Einnahmen wenigstens keine weiteren finanziellen Verluste zur Folge hatte. Er sagt: „Im Januar war die Messe zu 75 Prozent ausgebucht. Aber dann kamen die schlechten Nachrichten und wir traten auf die Bremse. So haben wir beispielsweise im Frühjahr keine Rechnungen an die Aussteller verschickt. Für mich war der Indikator, wenn Bayern das Oktoberfest absagt, findet gar nichts mehr statt.“
Also ziehen sie im Mai die Reißleine und sagen die „Dogsmania“ab – und setzen Plan B in Kraft und öffnen „Des Honslädle“in Machtolsheim.
Es sei ohnehin ein Trend, sagt er, dass kleine Läden im Gegensatz zu großen Ketten flexibler auf neue Trends, vor allem beim Hundefutter, reagieren und eine persönliche und fachkundige Beratung anbieten. „Die Leute können alles online bestellen. Aber unsere Kunden möchten sich auch austauschen und Tipps bekommen mit persönlicher Beratung. Das können eben nur kleine Läden bieten.“
In seinem Fall helfe natürlich die Facebookgruppe. Denn aus der kommen auch Impulse, etwa der, sich mit einem „Barf“-Frostfleischhersteller aus der Region in Verbindung zu setzen . „Wir sind nach Crailsheim gefahren, um unverbindlich zu reden und kamen zurück als zweiter stationärer Vertriebspartner von ,Graf Barf’“, sagt er.
Die großen Pläne mit der Messe hat er immer noch in der Schublade. Sie sind eben aufgeschoben – möglicherweise über das nächste Jahr hinaus. Er sagt: „Simone und ich sehen beide für das nächste Jahr schwarz. Trotzdem planen wir die nächste Messe auf dem Papier.“Immerhin: Das Konzept des „Hondslädle“komme ganz gut an. „Cheech“Vecchiatto sagt: „Wenn es finanziell machbar ist, machen wir einen weiteren Laden auf, möglichst in Ulm.“
„Für mich war der Indikator: Wenn Bayern das Oktoberfest absagt, findet gar nichts mehr statt.“Roberto „Cheech“Vecchiatto. Organisator der heuer ausgefallenen Messe „Dogsmania“und Betreiber „Des Hondslädle“in Machtolsheim