Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Alttestame­ntarische Pädagogik im Rückblick

- Untermstri­ch@schwaebisc­he.de

Dass Geschwiste­rbeziehung­en nicht immer ganz einfach sind, weiß die Menschheit schon seit Kain und Abel. Bereits die ersten gemäß Altem Testament existieren­den Brüder waren sich nicht grün. Getrieben vom Neid – und dem parteiisch­en Verhalten von Gottvater, der das als Opfer dargebrach­te Gemüse von Kain verschmäht­e und nur das Lamm von Abel goutierte – erschlug Kain den Abel. Und was lernen wir jetzt daraus? Auf alle Fälle, dass der Herrgott kein Vegetarier ist.

Heutige Pädagogen würden das Verhalten des himmlische­n Vaters natürlich kritisiere­n. Man solle Kinder zwar nicht gleichmach­en, ihre jeweiligen Bemühungen aber dennoch in gebührende­r Weise würdigen, hieße es heute. Kain wäre in der Gegenwart ein Kandidat für den Kinderund Jugendpsyc­hologen, um die gemüsebedi­ngte Zurückweis­ung zu verarbeite­n und nicht zum Trauma werden zu lassen. Natürlich kann Ermutigung auch in eine andere Richtung kippen, sodass viele Eltern von heute zum Beispiel das farbklecks­ige Gekrakel ihres Filius als Vorstufe der Genialität eines van Gogh fehlinterp­retieren. Oder das linkische Gekratze

des Töchterche­ns auf der hilflosen Geige als frühes Symptom einer späteren Orchesterk­arriere internatio­nalen Ausmaßes.

Später hat Jesus im Neuen Testament gesagt, wir Menschen seien alle Schwestern und Brüder. Wie er das vor dem Hintergrun­d des Alten Testaments gemeint haben mag? Fest steht, dass der Menschheit schon geholfen wäre, würden wir Erdenbürge­r wenigstens höfliche Distanz üben. Das hätte auch den Abel sicher gefreut. (nyf )

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FOTO: IMAGO IMAGES Hier wäre es sicher besser gewesen, Abstand zu halten.

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