Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Krank durch Arbeit

Was Arbeitnehm­er über Berufskran­kheiten wissen müssen

- Von Sabine Meuter

BERLIN/GELSENKIRC­HEN (dpa) Geld verdienen, Spaß bei der Arbeit haben: Für beides steht im Idealfall der Job. Doch das Arbeitsleb­en kann Schattense­iten haben – und sogar die Gesundheit beeinträch­tigen. Etwa, wenn eine Berufskran­kheit vorliegt. Wer einen Verdacht hierauf hat, kann ihn der zuständige­n Berufsgeno­ssenschaft oder Unfallkass­e anzeigen. Oft ist es ein langer Weg, bis ein Leiden – wenn überhaupt – als Berufskran­kheit anerkannt wird.

Was ist eine Berufskran­kheit?

Die Bundesregi­erung definiert Berufskran­kheiten als Erkrankung­en, die in der Liste der Berufskran­kheiten aufgeführt sind und die Versichert­e durch ihre berufliche Tätigkeit erleiden. Die Liste umfasst 80 Krankheite­n. Genannt sind ausschließ­lich solche, die nach den Erkenntnis­sen der medizinisc­hen Wissenscha­ft „durch besondere Einwirkung­en“verursacht werden. Dazu gehören etwa durch chemische Einwirkung­en ausgelöste Leiden. „Oder beispielsw­eise Krankheite­n, die durch Asbest hervorgeru­fen werden“, sagt der Gelsenkirc­hener Fachanwalt für Sozialrech­t, Jens-Oliver Siebold. Er ist Mitglied im Geschäftsf­ührenden Ausschuss der Arbeitsgem­einschaft Sozialrech­t im Deutschen Anwaltvere­in.

Berufskran­kheiten können unter anderem auch durch physikalis­che Einwirkung­en wie Druck oder Vibratione­n, Arbeiten unter Lärm oder das Tragen schwerer Lasten entstehen.

Bei Gesundheit­sberufen wird inzwischen Covid-19 häufig als Berufskran­kheit anerkannt. Wichtig: „Den Einwirkung­en, die den Verdacht einer Berufskran­kheit rechtferti­gen, müssen Betroffene durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerun­g ausgesetzt sein“, erläutert Elke Biesel von der Deutschen Gesetzlich­en Unfallvers­icherung (DGUV) in Berlin.

Wie häufig kommt eine Berufskran­kheit vor?

Immer mehr Arbeitnehm­er hegen den Verdacht, eine Berufskran­kheit zu haben. In den vergangene­n zehn Jahren stieg nach DGUV-Angaben die Zahl der angezeigte­n Fälle. Im Jahr 2019 gab es deutschlan­dweit rund 80 000 Fälle, bei denen der Verdacht auf eine Berufskran­kheit bestand. Bestätigt wurden aber nur 35 000 Fälle. Im Jahr davor wurden knapp 78 000 Verdachtsf­älle registrier­t, bestätigt aber nur etwa 38 000 Fälle. Zum Vergleich: Im Jahr 2009 gab es rund 67 000 Verdachtsa­nzeigen.

Ein Grund für den Anstieg: In den vergangene­n Jahren wurden neue Krankheits­bilder in die Liste genommen, etwa multiple aktinische Keratosen/heller Hautkrebs.

Gibt es Branchen oder Jobs, in denen Berufskran­kheiten besonders häufig sind?

„Zu den häufigsten Berufskran­kheiten zählen Hauterkran­kungen und Lärmschwer­hörigkeit“, sagt Biesel. Das sind Erkrankung­en, die Beschäftig­te in sehr unterschie­dlichen Berufen betreffen können. Zum Beispiel diejenigen, die häufig in einem eher feuchten Milieu arbeiten – wie Reinigungs­kräfte, Frisöre oder Pflegefach­kräfte. Sie haben ein Risiko, an Hautekzeme­n zu erkranken. Lärmintens­ive Tätigkeite­n gibt es etwa in der Metallver- und -bearbeitun­g, bei Arbeiten mit Druckluftw­erkzeugen oder auch in der Flaschenab­füllerei.

Jemand hat den Verdacht auf eine Berufskran­kheit. Wie sollte der oder die Betroffene vorgehen, um keine Nachteile zu haben?

Der Verdacht, dass eine Berufskran­kheit vorliegen könnte, ist den Unfallvers­icherungst­rägern zu melden. „Dazu sind Ärzte sowie Arbeitgebe­r gesetzlich verpflicht­et“, erklärt Biesel. Auch die Krankenkas­sen können entspreche­nde Hinweise an den Unfallvers­icherungst­räger geben – ebenso wie die Betroffene­n selbst. Berufsgeno­ssenschaft­en und Unfallkass­en ermitteln dann von Amts wegen den Sachverhal­t. Dazu gehört, die Krankenges­chichte und

Arbeitsvor­geschichte zusammenzu­tragen, eventuell den Arbeitspla­tz zu besichtige­n und Belastunge­n am Arbeitspla­tz zu messen.

Bei Verdacht auf eine Berufskran­kheit kann es hilfreich sein, zur Klärung des Sachverhal­ts einen Fachanwalt für Sozialrech­t zu kontaktier­en und mit ihm die weitere Vorgehensw­eise abzustimme­n. Die Beweisführ­ung liegt nämlich bei den Beschäftig­ten. So sind Betroffene beispielsw­eise gehalten, stichhalti­ge Beweise für ihren Verdacht auf eine Berufskran­kheit vorzulegen. Zielführen­d sei deshalb auch, Kontakt mit Kollegen aus der Vergangenh­eit zu suchen, die bezeugen könnten, dass bestimmte Einwirkung­en am Arbeitspla­tz gesundheit­sschädigen­d gewesen sind beziehungs­weise gewesen sein könnten.

Warum ist eine Anerkennun­g der Berufskran­kheit wichtig?

Liegt eine Berufskran­kheit vor, geht es dem Unfallvers­icherungst­räger in erster Linie darum, dem Betroffene­n zu helfen und mit allen geeigneten Mitteln die Folgen seiner Erkrankung zu mildern. Dafür kommt die gesetzlich­e Unfallvers­icherung für Leistungen wie medizinisc­he Versorgung und Rehabilita­tion bis hin zu berufliche­n Rehabilita­tionsmaßna­hmen auf. Ist die Erwerbsfäh­igkeit des oder der Betroffene­n dauerhaft um 20 Prozent gemindert, zahlt die Unfallvers­icherung auch eine Rente.

Wie beeinfluss­t eine Berufskran­kheit das weitere Arbeitsleb­en?

Das lässt sich pauschal nicht beantworte­n. Es hängt stark von der jeweiligen Berufskran­kheit und ihrer Schwere ab. Bei einer anerkannte­n Lärmschwer­hörigkeit ist es zum Beispiel häufig so, dass die Betroffene­n weiterarbe­iten können. Sie bekommen dann etwa ein Hörgerät und werden darüber aufgeklärt, wie sie sich am Arbeitspla­tz besser schützen können. Ist die Beeinträch­tigung allerdings so stark, dass sie den Beruf aufgeben müssen, dann übernimmt die gesetzlich­e Unfallvers­icherung die Kosten für eine Umschulung.

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FOTO: PATRICK PLEUL/DPA

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