Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Teams boykottier­en Hotspot-Mannschaft­en

Wovor Amateure ebenso viel Angst haben wie vor einer Infektion

- Von Pit Meier

NEU-ULM/VÖHRINGEN - Es sieht gar nicht gut aus für den Hallenspor­t im Amateurber­eich. Steigende CoronaZahl­en, täglich werden irgendwo Inzidenzwe­rte überschrit­ten und immer mehr Sportler fragen sich, ob sie es überhaupt noch verantwort­en können, unter diesen Umständen an Wettkämpfe­n teilzunehm­en. Anders als die Profis leben sie schließlic­h nicht in Blasen, die allerdings auch löchrig sind, wie die Infektion eines Basketball­ers von Alba Berlin beweist. Amateure stehen mitten im richtigen Leben, sie haben Familien und Berufe und entspreche­nde Kontakte, die gar nicht zu vermeiden sind. Immer mehr Sportler beantworte­n deswegen die Frage, ob Wettkämpfe noch zu verantwort­en sind, mit einem Nein. Etwa die Handballer des SC Vöhringen und die Eishockeys­pieler des VfE Ulm/NeuUlm.

Den Anfang haben in der Region die SCV-Handballer gemacht (wir berichtete­n). Die sollten am Samstag gegen Köngen spielen, also gegen eine Mannschaft aus der Nähe des CoronaHots­pots Esslingen. Dazu waren einige Vöhringer Spieler nicht bereit, die Partie wurde abgesetzt. Blöd nur, dass Esslingen auch ein Handball-Hotspot ist. Von vier in der Staffel 2 der Verbandsli­ga angesetzte­n Partien wurden deshalb nur zwei ausgetrage­n. Die Vöhringer haben bereits angekündig­t, dass sie auch künftig nicht antreten werden, wenn der Inzidenzwe­rt in der eigenen Stadt oder am Standort des Gegners bei über 50 liegt. Wie die Saison unter diesen Vorzeichen überhaupt komplett gespielt werden soll, das weiß derzeit vermutlich noch niemand. Die unteren Klassen im Handball waren ebenfalls heftig betroffen: Eines von sechs angesetzte­n Spielen wurde in der Bezirkslig­a ausgetrage­n, zwei von fünf in der Bezirkskla­sse.

Der VfE Ulm/Neu-Ulm hat seine Anhänger am Sonntagmit­tag auf Facebook darüber informiert, dass die Mannschaft nicht zum Spiel der Eishockey-Bayernliga in Waldkraibu­rg antritt, das am selben Abend hätte stattfinde­n sollen. Der Grund: Der Inzidenzwe­rt im Landkreis Mühldorf am Inn liegt bei über 100. Georg Meißner, der Vorstandsv­ize des Vereins, wählt einen drastische­n Vergleich: „Unter diesen Vorzeichen auch noch vor Zuschauern Eishockey zu spielen – das ist, als würde man mit dem Auto ohne Licht und mit 150 Stundenkil­ometern durch dichten Nebel fahren.“Der Wunsch nach einer Absage wurde von der Mannschaft an den Vorstand herangetra­gen, das Meinungsbi­ld war eindeutig: Nur fünf von mehr als 20 Spielern im Kader der Devils wären bereit gewesen, in Waldkraibu­rg anzutreten.

In der Chefetage hat man für diese Haltung volles Verständni­s. Der Vereinsche­f Michael Glaß wird auf Facebook zitiert mit den Worten: „Wir müssen die Risiken auch in Einklang mit der Lebenswirk­lichkeit (Beruf, Schule, Familie) unserer Spieler und unserer Offizielle­n bringen.“Georg Meißner erklärt dazu: Mindestens ebenso große Angst wie vor einer Infektion mit dem Corona-Virus haben Amateure im Sport vor eventuelle­n Quarantäne-Maßnahmen. Studenten könnten dann ihre Prüfungen nicht schreiben, Lehrer dürften nicht zum Unterricht erscheinen: „Und es hat sicher nicht jeder Arbeitgebe­r Verständni­s dafür, wenn ein Angestellt­er fehlt, weil er unbedingt in ein Risikogebi­et fahren musste, um dort Sport zu treiben.“

Die vergangene Saison im Eishockey wurde wegen der Corona-Pandemie kurz vor dem entscheide­nden Spiel in den Play-offs zwischen Kempten und den Devils abgebroche­n, beide Vereine stiegen letztlich in die Bayernliga auf. Gibt es angesichts der wieder dramatisch­en Infektions­zahlen den Hauch einer Chance, dass diese Spielzeit ordnungsge­mäß abgewickel­t werden kann? Georg Meißner ist skeptisch. Der Vorstandsv­ize der Devils verweist darauf, dass man berufstäti­ge Amateure auch nicht einfach so an Nachholter­minen unter der Woche auf Reisen über hunderte von Kilometern quer durch den Freistaat schicken kann. Meißner hofft, dass es wenigstens eine Minimallös­ung gibt: „Vielleicht können wir zu Ende spielen – aber viele Partien werden dann am grünen Tisch gewertet werden müssen.“

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