Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Kretschman­n widerspric­ht Söder

Südwest-Ministerpr­äsident verteidigt Föderalism­us – Lockdown im Kreis Berchtesga­den

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BERLIN/STUTTGART (dpa/epd) Höchststän­de bei den Corona-Infektione­n in mehreren Regionen Deutschlan­ds haben zu neuen, teils massiven Einschränk­ungen für die Bürger geführt – weiterhin mit von Bundesland zu Bundesland unterschie­dlichen Maßnahmen. Einen ausschließ­lich lokalen Lockdown gibt es seit Dienstag im am schlimmste­n betroffene­n Kreis Berchtesga­dener Land in Bayern. In Baden-Württember­g sind ab sofort bei Trauerfeie­rn nur noch 100 Gäste zugelassen. In Brandenbur­g werden in Regionen mit hohen Infektions­zahlen künftig schärfere Begrenzung­en für private Feiern und ein nächtliche­s Ausschankv­erbot umgesetzt, in Berlin gilt eine erweiterte Maskenpfli­cht. In Mecklenbur­g-Vorpommern kippte derweil ein Gericht das dortige Berherberg­ungsverbot.

Die von Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) befeuerte Debatte über die bundesweit nicht einheitlic­he Vorgehensw­eise läuft derweil weiter. Baden-Württember­gs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) widersprac­h am Dienstag seinem Amtskolleg­en. „Ich wüsste nicht, wo der Föderalism­us an seine Grenzen gestoßen ist. Im Gegenteil: Dadurch sind wir so schnell“, sagte der Grünen-Politiker in Stuttgart. Die Konferenz der Ministerpr­äsidenten habe Beschlüsse gefasst, die man sofort eingeleite­t habe. „Schneller geht’s eigentlich gar nicht“, so Kretschman­n. Wenn der Bund das gemacht hätte, hätte es mindestens einen Tag länger gedauert. Deutschlan­d sei mit der föderalen Struktur bislang gut durch die Krise gekommen. Söder hatte am Montag gesagt: „Ich bin ein überzeugte­r Föderalist, aber ich glaube, dass der Föderalism­us zunehmend an seine Grenze stößt.“

Derweil lobte Bayerns Regierung am Dienstag die vom Kreis Berchtesga­den beschlosse­nen harten Maßnahmen, bekräftigt­e aber auch das Ziel, landesweit­e Einschränk­ungen dieser Art vermeiden zu wollen. „Schnell steigende Corona-Zahlen ohne offensicht­liche klare Infektions­herde erfordern ein schnelles Durchgreif­en“, sagte Gesundheit­sministeri­n Melanie Huml (CSU). Zuvor hatte der Kreis am Montag einen bundesweit­en Rekord aufgestell­t: Die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz lag bei 272,8, am Dienstag sank die Zahl der Corona-Neuinfekti­onen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen im Landkreis leicht auf 236. Über die Ursachen wird weiterhin gerätselt. Bei derartigen Werten, so Huml, sei eine Kontaktnac­hverfolgun­g nur noch schwer möglich.

In Berchtesga­den darf die eigene Wohnung nur noch aus triftigen Gründen verlassen werden. Schulen, Kitas, Restaurant­s und Freizeitei­nrichtunge­n aller Art mussten schließen. Die Einschnitt­e gelten zunächst bis zum 2. November. Grundsätzl­ich müsse man das Instrument eines regionalen Lockdowns dort anwenden, „wo der Eindruck entsteht, es läuft aus dem Ruder“, erklärte Staatskanz­leichef Florian Herrmann (CSU).

Im Südwesten rief Ministerpr­äsident Kretschman­n unterdesse­n erneut eindringli­ch zur Vermeidung von Kontakten auf. Die Bürger müssten nun disziplini­ert sein, sonst werde man auf einen Lockdown zurückgrei­fen müssen – mit enormen Kollateral­schäden. Man habe nicht mehr viele Dinge im Köcher bis zu dieser großen Maßnahme, sagte Kretschman­n weiter. SEITEN 4 & 9

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FOTO: PETER KNEFFEL/DPA Wegräumen in der Touristenh­ochburg am Königssee: Auch in Schönau gelten – wie im gesamten Kreis Berchtesga­dener Land – seit Dienstag drastische Ausgangsbe­schränkung­en.

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