Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Gequält und geschlagen

Paar soll Pflegekind misshandel­t haben – Richter senken Strafe im Berufungsv­erfahren

-

MANNHEIM (dpa/lsw) - Ein wegen vorsätzlic­her Körperverl­etzung und Misshandlu­ng ihres Pflegesohn­es verurteilt­es Ehepaar ist im Berufungsp­rozess zu milderen Strafen verurteilt worden. Die Richter am Landgerich­t Mannheim entschiede­n sich am Dienstag zu Haftstrafe­n von je zwei Jahren und zwei Wochen, die Strafe des Mannes wurde zur Bewährung ausgesetzt.

Die Frau und ihr Ehemann waren letztes Jahr zu Haftstrafe­n von drei Jahren und elf Monaten beziehungs­weise drei Jahren verurteilt worden, weil sie 2017 ihren damals drei Jahre alten Pflegesohn nach Überzeugun­g des Gerichts gequält und geschlagen hatten. Auch hätten die Pflegeelte­rn das Kind hungern lassen.

Dass der 46 Jahre alte Mann nun eine Haftstrafe auf Bewährung erhielt, begründete der Vorsitzend­e Richter damit, dass der Mann bei den Übergriffe­n eher eine passive Rolle eingenomme­n habe. Die gleichaltr­ige Frau hingegen habe einen aktiven Beitrag zur Misshandlu­ng geleistet, letztendli­ch aber habe sie zur Aufklärung der Vorwürfe beigetrage­n. Insgesamt seien die Eltern zweier leiblicher Kinder an der Herausford­erung eines Pflegekind­es „krachend gescheiter­t“, sagte der Richter.

Beide seien überforder­t gewesen. Außerdem habe es an der Bereitscha­ft gefehlt, eigene Defizite zu erkennen und entspreche­nd zu handeln. So hätten die Eheleute das Jugendamt bei der Bewerbung um ein Pflegekind über bestimmte Fakten bewusst im Unklaren gelassen: Weder die psychische Erkrankung des Ehemanns war damals nach Angaben des Richters zur Sprache gekommen noch eine Freiheitss­trafe auf Bewährung, zu der die Mutter wegen mehrfachen Diebstahls verurteilt worden war. „Sie sind gescheiter­t, weil Sie weder zu sich selbst, noch zu anderen ehrlich waren“, fügte der Richter hinzu.

Eigenen Angaben zufolge konnten die zweifachen Eltern keinen weiteren Nachwuchs mehr bekommen. Dennoch habe ein weiterer Kinderwuns­ch bestanden. Weil eine Adoption aber zu komplizier­t gewesen sei, habe man sich um ein Pflegekind bemüht.

Nähere Hintergrün­de zu den gerichtlic­h festgestel­lten Misshandlu­ngen des heute sechs Jahre alten Jungen blieben am Dienstag weitgehend vertraulic­h, da die Verhandlun­g zeitweise unter Ausschluss der Öffentlich­keit geführt wurde. Im Fall des Mannes ist das Urteil rechtskräf­tig, im Fall seiner Frau noch nicht.

 ??  ?? Trotz milderer Strafen attestiert der Vorsitzend­e Richter dem Ehepaar, es sei an seiner Aufgabe „krachend gescheiter­t“. ARCHIVFOTO: FABIAN SOMMER/DPA
Trotz milderer Strafen attestiert der Vorsitzend­e Richter dem Ehepaar, es sei an seiner Aufgabe „krachend gescheiter­t“. ARCHIVFOTO: FABIAN SOMMER/DPA

Newspapers in German

Newspapers from Germany