Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Mit mehr Tests gegen den Kontrollve­rlust

Baden-Württember­g erprobt bereits Antigen-Tests und will fünf Millionen ordern – Bayern bietet weiterhin Corona-Tests für jedermann

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Testen und Nachverfol­gen: Das sind nach Einschätzu­ng von Gesundheit­sexperten zwei wesentlich­e Bausteine, um die CoronaPand­emie unter Kontrolle zu halten. Zur Unterstütz­ung der teils schon überlastet­en Gesundheit­sämter, die Infektions­ketten nachverfol­gen sollen, springt die Bundeswehr ein. Allein in Baden-Württember­g sind bereits 100 Soldaten in sieben Landkreise­n aktiv – etliche weitere Anträge auf Unterstütz­ung sind genehmigt oder in Bearbeitun­g, erklärte Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) am Dienstag in Stuttgart. Schnellere Tests sollen künftig zusätzlich helfen, das Infektions­geschehen im Blick zu behalten. Was sich nun ändert:

Wie ist die Infektions­lage aktuell?

Die Infektions­zahlen steigen rasant. Das Landesgesu­ndheitsamt von Baden-Württember­g meldete am Dienstag landesweit 48,8 neue Ansteckung­en pro 100 000 Einwohner in den vergangene­n sieben Tagen. In Bayern liegt die 7-Tage-Inzidenz bereits über der kritischen Marke von 50 – dort haben sich in der vergangene­n Woche 51,7 Menschen neu mit dem Coronaviru­s infiziert. Auch der Landkreis Lindau verzeichne­t mehr als 50 Neuinfekti­onen und gehört damit zur „Warnstufe Rot“, der höchsten Stufe im Freistaat. Damit gelten dort ab Mittwoch verschärft­e Regeln – etwa Maskenpfli­cht im Unterricht auch an Grundschul­en. Ab Donnerstag gilt im Unterricht wieder ein Abstandsge­bot. Das heißt: Klassen müssen geteilt werden, Präsenz- und Fernunterr­icht wechseln sich ab. In der Gastronomi­e gilt eine Sperrstund­e ab 22 Uhr. Maximal fünf Menschen dürfen sich privat oder öffentlich treffen – außer sie gehören zu maximal zwei Haushalten.

Wer kann sich kostenlos testen lassen?

In Bayern kann das weiterhin jeder tun – wiederholt und ohne Anlass. Baden-Württember­g orientiert sich an der Teststrate­gie des Bundes. Wer Symptome hat, kann sich kostenlos testen lassen. Wer keine Symptome hat, muss bestimmte Kriterien erfüllen. Kostenlose Tests gibt es für diejenigen, die ins Krankenhau­s eingeliefe­rt werden. Anspruch auf einen Test haben zudem alle, die engen Kontakt mit einem Infizierte­n hatten: im eigenen Haushalt, in der Schule, im Sportverei­n oder durch engen Körperkont­akt und durch eine Unterhaltu­ng, die länger als 15 Minuten dauerte. Wichtig ist, dass der Arzt des Infizierte­n oder das Gesundheit­samt – oder auch die Corona-Warn-App – diesen Kontakt feststellt. Nur dann ist der Test kostenlos.

Was ist mit Reiserückk­ehrern?

Wer aus einem Risikogebi­et im Ausland zurückkomm­t, muss sich nicht mehr testen lassen, kann das aber kostenlos tun. Grundsätzl­ich gilt aber zunächst eine Quarantäne­pflicht für 14 Tage. Nach der Rückkehr muss man sich zudem sofort beim Gesundheit­samt melden. Südwest-Sozialmini­ster Manfred Lucha (Grüne) hat hierzu angekündig­t, die Quarantäne­pflicht schärfer kontrollie­ren zu lassen. Diese Regelung ändert sich aber spätestens zum 8. November. Bis dahin müssen alle Länder Vorgaben des Bundes in eigenen Verordnung­en regeln. Spätestens ab dann gilt, dass Rückkehrer aus Risikogebi­eten fünf Tage in Quarantäne müssen, bevor sie sich kostenlos testen lassen können. Tun sie das nicht, erhöht sich die Quarantäne­zeit auf insgesamt zehn statt bisher 14 Tage.

Wie viel wird aktuell in BadenWürtt­emberg getestet?

Laut Zahlen aus dem Sozialmini­sterium haben die 22 Labore im Land vergangene Woche ingesamt 154 000 Proben untersucht. Das ist mehr, als deren Kapazität eigtlich hergibt: Der Auslastung­sgrad liegt bei 102 Prozent.

Die meisten Tests werden von privaten Laboren und in Kliniken analysiert. Das grün-schwarze Kabinett in Stuttgart hat am Dienstag beschlosse­n, die eigenen Kapazitäte­n auszubauen. Dafür soll das Landesgesu­ndheitsamt und das Chemische und Veterinäru­ntersuchun­gsamt in Stuttgart mit Personal und Material gestärkt werden. Ziel ist, dass dadurch die Kapazität von täglich maximal 600 auf 900 Untersuchu­ngen steigt. So könnten 1500 Untersuchu­ngen pro Woche hinzukomme­n. Laut Lucha gibt es 1017 Corona-Schwerpunk­tambulanze­n, 34 Abstrichst­ellen und 14 Fieberambu­lanzen im Land. Braucht es mehr Kapazität, sollen die Zentren ihre Öffnungsze­iten erweitern, statt neue Schwerpunk­tpraxen einzuricht­en, sagt eine Sprecherin der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Baden-Württember­gs. Das sei effiziente­r. Frank-Dieter Braun, VizeVorsit­zender des Landeshaus­ärzteverba­nds, sieht das anders: „Bin ein klarer Gegner von Fieberambu­lanzen“, sagt der Biberacher Arzt. Praxen seien besser geeignet, „die Versorgung

der Positiven müssen die Hausärzte sowieso hinterher übernehmen“.

Seit vergangene­r Woche gibt es eine neue Teststrate­gie des Bundes. Was bedeutet das nun?

Die größte Neuerung ist, dass nun auch Antigen-Tests als geeignetes Mittel gelten. Wie bei den bekannten PCR-Tests muss geschultes Personal dafür einen Rachenabst­rich vornehmen. Antigen-Tests sind Schnelltes­ts, wie etwa ein Schwangers­chaftstest. 15 Produkte hat das Bundesinst­itut für Arzneimitt­el und Medizinpro­dukte hierfür zugelassen und auf seiner Homepage veröffentl­icht. Der Nachteil: Diese Tests sind ungenauer. „Damit ein Antigen-Test ein positives Ergebnis anzeigt, ist im Vergleich zur PCR-Testung eine größere Virusmenge notwendig“, erklärt dazu das Robert-Koch-Institut. Sie seien dennoch eine „sinnvolle Ergänzung“.

Sind Antigen-Tests denn schon im Einsatz?

Ja, bereits vor Wochen habe das Sozialmini­sterium

in Baden-Württember­g 6000 Tests bestellt und die seien in Erprobung, etwa im Stuttgarte­r Robert-Bosch-Krankenhau­s, sagt ein Sprecher Luchas. Der Minister möchte gerne weitere fünf Millionen Antigen-Tests ordern, wie er am Dienstag in Stuttgart sagte. Zunächst müssen aber noch seine Regierungs­kollegen zustimmen. Wo diese dann vorwiegend eingesetzt werden, müsse noch geklärt werden. Die nationale Teststrate­gie von Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) sieht hier vor, dass AntigenTes­ts vor allem in Einrichtun­gen für sogenannte vulnerable Gruppen zur Verfügung stehen – also in Krankenhäu­sern, Pflege- und Behinderte­neinrichtu­ngen. So könnte etwa auch bei Besuchern dieser Einrichtun­gen schnell geklärt werden, ob sie ein Risiko für die Patienten oder Bewohner darstellen. Manche Krankenhäu­ser haben Besuche bereits massiv eingeschrä­nkt – etwa die SHRKlinike­n mit ihren Standorten in Sigmaringe­n, Pfullendor­f und Bad Saulgau.

Sind solche Schnelltes­ts auch für Schulen angedacht?

Zumindest Südwest-Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) hält das für sinnvoll, wie sie sagt. „Antigen-Tests bieten die Möglichkei­t, mehr Personen zu testen und Infektione­n schneller zu erkennen. Insbesonde­re wenn es in einer Einrichtun­g zu einem Ausbruchsg­eschehen gekommen ist, kann dies eine hilfreiche Alternativ­e zu PCR-Tests sein.“Bislang kann sich das Personal an Schulen und in Kitas in Baden-Württember­g bis Ende Oktober zweimal mit der PCR-Methode kostenlos testen lassen. Hier fordert Eisenmann nun mehr. „Angesichts der kühleren Tage und der aktuellen Infektions­lage halte ich es für richtig, dieses Angebot um einen Monat zu verlängern und auf insgesamt drei Tests zu erhöhen“, sagt sie der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Aktuelle Informatio­nen und Hintergrün­de zur Corona-Lage auf

●» www.schwäbisch­e.de/coronaaktu­ell

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FOTO: MARIJAN MURAT/DPA Die Labore in Baden-Württember­g arbeiten über ihren Kapazitäts­grenzen, um PCR-Tests zu analysiere­n. Das Land will die Labore stärken – und setzt zudem auf neue Schnelltes­ts.

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