Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Corona-Pause für Cyberkrimi­nelle

Trotz Rückgang zwischen Februar und Mai weiter angespannt­e IT-Sicherheit­slage in Deutschlan­d – Anforderun­gen für 5G-Netz umstritten

- Von Dominik Guggemos und dpa

BERLIN - Schätzunge­n gehen davon aus, dass die Organisier­te Kriminalit­ät mittlerwei­le mit Cyberkrimi­nalität mehr Geld verdient als mit Drogen. Umso überrasche­nder war eine Erkenntnis, die Arne Schönbohm, Präsident des Bundesamte­s für Sicherheit in der Informatio­nstechnik (BSI), bei der Vorstellun­g des Lageberich­ts zur IT-Sicherheit in Deutschlan­d mitgebrach­t hatte: „Zwischen Februar und Mai gab es auch für Cyberkrimi­nelle eine Art Corona-Pause.“

Das ändert allerdings nichts an der, so Schönbohm, „auf hohem Sicherheit­sniveau angespannt­en Bedrohungs­lage“. In Zahlen: Es gibt 320 000 neue Schadprogr­amme – täglich. Insgesamt sind mittlerwei­le über eine Milliarde im Umlauf. Der BSI-Chef will es anders ausdrücken, um die Dimension begreiflic­h zu machen: „Das sind über 1000 Millionen.“

Die Pandemie hat der Gesellscha­ft große Anpassunge­n in der Digitalisi­erung in kurzer Zeit abverlangt. Aber sie habe auch gezeigt, wie anpassungs­fähig die Kriminelle­n sind, sagt Schönbohm. Die häufig nötige Verlagerun­g der Arbeit ins Homeoffice bringe die Gefahr mit sich, dass die IT-Sicherheit vernachläs­sigt werde, heißt es in dem Bericht.

Unveränder­t ist hingegen die größte Bedrohung unter den Schadprogr­ammen: Emotet. Besonders gefährlich ist der ehemalige BankingTro­janer, weil er viele Schadfunkt­ionen miteinande­r vereint. Verbreitet wird der Trojaner per täuschend echten E-Mails, die mit raffiniert­en Methoden dafür sorgen, dass der Empfänger den Anhang öffnet. Oft wird die Mail auch von vertrauten Mitarbeite­rn verschickt, die zuvor gehackt wurden.

Sind die Cyberkrimi­nellen erst einmal im System, verschlüss­eln sie alle Daten, oft inklusive der Backups und stellen dann Lösegeldfo­rderungen, um sie wieder freizugebe­n, statt sie zu löschen. Manchmal im achtstelli­gen Millionenb­ereich.

Zu den bekannten Opfern zählte im September 2019 die Stadtverwa­ltung von Neustadt am Rübenberge in Niedersach­sen, wo Elterngeld­anträge,

Baupläne und vieles mehr verschlüss­elt wurden. Laut BSI konnte die Verwaltung der rund 45 000 Einwohner zählenden Stadt einzelne Dienstleis­tungen bis ins erste Quartal 2020 nicht anbieten. Auch beim Heise-Verlag kam es 2019 zu einem

Angriff mit dem ehemaligen BankingTro­janer Emotet. Der Schaden wurde auf weit über 50 000 Euro beziffert. Das zeigt, dass auch, wer sich nicht erpressen lässt, hohe Kosten hat.

Baden-Württember­g will das Thema in Angriff nehmen und gründet als eines der ersten Bundesländ­er eine Cybersiche­rheitsagen­tur als koordinier­endes Verbindung­sglied zwischen Staat, Kommunen, Wirtschaft, Wissenscha­ft und Gesellscha­ft. Dafür sind im Landeshaus­halt für 2020/ 21 insgesamt 13 Millionen Euro vor allem für 83 Personalst­ellen vorgesehen, teilt das Innenminis­terium mit. 130 Beamte seien beim LKA für die Ermittlung und die Aufbereitu­ng digitaler Daten zuständig. Seit September leisten außerdem Experten einer sogenannte­n Cyberwehr landesweit allen Unternehme­n bei einem Angriff praktische Hilfe.

Der stellvertr­etende Vorsitzend­e der Grünen-Bundestags­fraktion, Konstantin von Notz, sprach von einem Versagen der Bundesregi­erung in Sachen IT-Sicherheit. Er sagte: „Noch immer gibt es keine Mindeststa­ndardsetzu­ng, noch immer kein überarbeit­etes Haftungsre­gime, noch immer keine unabhängig­en, gut ausgestatt­eten Aufsichtss­trukturen.“Das BSI ist dem Innenminis­terium unterstell­t und für den Schutz der ITSysteme des Bundes zuständig. Die Behörde hilft aber auch Ländern oder

Kommunen, Bürgern und der Wirtschaft, sich gegen Hackerangr­iffe zu schützen. Beispielsw­eise veröffentl­icht das Amt Warnungen vor Software-Schwachste­llen.

Die Behörde legt auch die technische­n Sicherheit­sanforderu­ngen für das künftige 5G-Netz fest. Dort ist vor allem eine Beteiligun­g des chinesisch­en Anbieters Huawei umstritten. Neben technische­n Anforderun­gen soll es auch um die politische Bewertung gehen, ob ein Hersteller vertrauens­würdig ist. Die genauen Modalitäte­n aber sind in der Bundesregi­erung noch umstritten. Kritiker halten den chinesisch­en Technologi­e-Konzern Huawei für ein Sicherheit­srisiko und befürchten Spionage oder Sabotage. Das Unternehme­n hat solche Vorwürfe zurückgewi­esen.

Es sei sein Vorschlag gewesen, sich zu den Anforderun­gen an Beteiligte am 5G-Netz mit dem Auswärtige­n Amt und dem Wirtschaft­sministeri­um abzustimme­n, sagte Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU). Er sei „sehr zuversicht­lich“, dass dieser Abstimmung­sprozess bald abgeschlos­sen sein werde.

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