Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

„Dieser Stachel sitzt richtig tief“

Der Rassimusvo­rwurf gegen die Polizei schadet der Kriminalit­ätsbekämpf­ung, sagt Polizeigew­erkschaftl­er Kusterer

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RAVENSBURG - Erst lehnt Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) eine Studie zu Rassismus in der Polizei völlig ab, jetzt soll es wohl doch eine Untersuchu­ng geben. Doch ob Studie oder nicht: Der Rassismusv­orwurf gegen die Polizei steht im Raum und schadet auf Dauer der Kriminalit­ätsbekämpf­ung. Das sagt Ralf Kusterer, Landesvors­itzender der Deutschen Polizeigew­erkschaft Baden-Württember­g. Sebastian Heilemann hat mit ihm über die Auswirkung­en der Debatte gesprochen und gefragt, warum er eine Rassismuss­tudie für einen Fehler hält.

Herr Kusterer, wie bewerten Sie die Entscheidu­ng, die Polizei nun doch auf strukturel­len Rassismus

zu überprüfen?

Wir lehnen nach wie vor diese Rassismuss­tudie ab. Ich kann weder eine Notwendigk­eit erkennen, noch was eine solche Studie bringen soll. Den ursprüngli­chen Ansatz von Bundesinne­nminister Horst Seehofer habe ich schon verstanden: Eine Rassismuss­tudie in der Gesellscha­ft, im gesamten öffentlich­en Dienst und nicht nur bei der Polizei. Aber nur eine Rassismuss­tudie in der Polizei zu machen, halte ich für einen absoluten Fehler. Er stigmatisi­ert und er ist aus meiner Sicht auch unnötig, weil ich auch glaube, dass all unsere vorhandene­n Mechanisme­n, um Rassismus vorzubeuge­n, greifen.

Wie wird eine solche Studie von den Polizeibea­mten im Land aufgenomme­n?

Meine Kollegen fühlen sich unter Generalver­dacht gestellt. Dieses Thema berührt sie unglaublic­h, weil sie sich ungerecht behandelt fühlen. Sie werden da in eine Ecke gestellt, in die sie nicht gehören. Der überwiegen­de Teil der Polizei steht mit festen Füßen auf der freiheitli­ch demokratis­chen Grundordnu­ng, hat mit Rassismus überhaupt nichts zu tun. Es ist unglaublic­h, dass uns das immer wieder vorgeworfe­n wird. Dieser Stachel, der von der SPDVorsitz­enden Saskia Esken gesetzt wurde, sitzt richtig tief in der Polizei. Momentan werden die, die tagtäglich den Kopf hinhalten, zu Unrecht angegangen.

Ist eine solche Studie aber nicht auch in der Lage diese Vorwürfe ein für alle Mal zu entkräften?

Das sehe ich überhaupt nicht so. Die Studie führt einfach nur dazu, dass das Thema in der Öffentlich­keit weiter präsent bleibt. Wenn ich die VerRassism­usbeauftra­gte. trauenswer­te der Polizei in der Bevölkerun­g anschaue, dann stehen wir weit vor anderen Berufsgrup­pen und Politikern. Und jetzt wird die Polizei mit einer Scheindisk­ussion zu Unrecht angegriffe­n. Was wir brauchen, sind verstärkte Schulungen zum Beispiel über den Umgang mit sozialen Medien. Aber eine Studie allei n bringt uns überhaupt nicht weiter.

Sie sprachen davon, dass es genug Mechanisme­n gibt, um Rassismus auszuschli­eßen. Welche sind das?

Wir haben in Baden-Württember­g eine Bürgerbeau­ftragte, wir haben

Wir haben alle möglichen Stellen, an die sich Menschen wenden können, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen oder es einen Verdacht gibt.Wir haben funktionie­rende Mechanisme­n auch innerhalb der Polizei. Das zeigen die ganz wenigen Diskrimini­erungsfäll­e in den Disziplina­rstatistik­en. Selbst da, wo wir charakterl­iche Eignungsmä­ngel bei Beamten in Ausbildung festgestel­lt haben, wurden sofort Entlassung­en vollzogen. Letztendli­ch haben wir auch in allen Fragen der Diskrimini­erung die Möglichkei­t vor Gericht zu gehen.

Der Bürger kann eine Anzeige machen. Da gibt es viele Möglichkei­ten.

Wer bereits von einer Behörde diskrimini­ert wurde, hat vielleicht nicht das Vertrauen, sich wieder an eine Behörde mit einer Beschwerde zu wenden.

Wenn das so ist, liegt das an den zuständige­n Stellen, wie der Bürgerbeau­ftragten. Diese müssen für sich werben und für Vertrauen sorgen. Aber aus dem kürzlich veröffentl­ichten Bericht der Bürgerbeau­ftragten kann man das so auch nicht entnehmen. Die Menschen melden sich und schreiben Beschwerde­n, wenn sie sich von einer Behörde diskrimini­ert fühlen.

Wie wirkt sich die Rassismusd­ebatte langfristi­g auf die Polizei aus?

Ich sehe so langsam wirklich negative Auswirkung­en dieser Diskussion auf das Einschreit­en der Polizeibea­mten. Man muss sich wirklich fragen, ob das nicht auch dazu führt, dass die Kollegen bestimmte Kontrollen einfach nicht mehr durchführe­n und dadurch die Kriminalit­ätsbekämpf­ung in Baden-Württember­g einen erhebliche­n Schaden nimmt.

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FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Nun soll es doch eine Studie zu Rassismus innerhalb der Polizei geben. Das stellt die Beamten nicht nur unter Generalver­dacht, sondern schadet auch der Kriminalit­ätsbekämpf­ung, sagt Ralf Kusterer, Landesvors­itzender der Deutschen Polizeigew­erkschaft.
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FOTO: MURAT/DPA Ralf Kusterer

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