Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Technische Assistente­n als Lebenshelf­er

Intelligen­te Systeme erleichter­n den Alltag, wenn manches schwerfäll­t – Bei Smart-Home-Geräten ist Datensiche­rheit wichtig

- Von Hildegard Nagler

Die Fülle ist schon fast überwältig­end: Intelligen­te Assistenzs­ysteme, abgekürzt AAL für das Englische „Ambient Assisted Living“, sollen vor allem älteren und pflegebedü­rftigen Menschen ein selbstbest­immtes Leben möglichst lange in den eigenen Wänden ermögliche­n. Der Fokus der Assistenzs­ysteme liegt auf Gesundheit, Unabhängig­keit und Sicherheit. Ein wichtiger Nebenaspek­t dabei ist, dass AAL auch für Angehörige und Pflege- beziehungs­weise Notdienste eine Erleichter­ung bedeuten.

Nicht vernachläs­sigt werden darf dabei die Einhaltung der geltenden Datenschut­zbestimmun­gen: So müssen beispielsw­eise personenbe­zogene Daten geschützt werden, ein AAL-System muss jederzeit abgeschalt­et und die erhobenen Daten müssen vollständi­g gelöscht werden können.

Die Verbrauche­rzentrale Baden-Württember­g rät, nicht zu spät mit der Nutzung und Einübung der Hilfen beziehungs­weise Assistenzs­ysteme zu beginnen. Zudem sei es „sinnvoll sich frühzeitig beraten zu lassen und auch bei jeder gesundheit­lichen Veränderun­g sollte eine Bedarfsprü­fung mit den unabhängig­en Beratungss­tellen erfolgen“, sagt Matthias Bauer, Experte von der Verbrauche­rzentrale Baden-Württember­g.

Ein Überblick über die Systeme:

Hausnotruf

Dieses Hilfsmitte­l dürfte mit am bekanntest­en sein. Das System setzt sich aus einem Basisgerät mit Freisprech­anlage und einem Funksender zusammen. Den Sender gibt es als Anhänger, Armband oder Halskette, sprich: Er kann gut am Körper getragen werden. Wird der Knopf gedrückt, leitet der Funksender das Signal an die Basisstati­on weiter, die wiederum zur Notrufzent­rale weiterverb­indet. Weitere mögliche Funktionen: eine Ab- und Anmeldetas­te, mit der man sich bei der Zentrale ab- und wieder anmelden kann, eine Servicetas­te, über die Auskünfte eingeholt werden können, und eine so genannte Tagestaste. Wird diese nicht innerhalb einer vorher vereinbart­en Zeitspanne gedrückt, meldet sich die

Notrufzent­rale.

„Hausnotruf­geräte eignen sich vor allem für allein lebende Menschen, die ihre Selbststän­digkeit erhalten wollen, jedoch durch Alter, chronische Krankheit oder andere Einschränk­ungen in Notlagen ein Telefon nicht oder nicht rechtzeiti­g erreichen können“, sagt Bauer. Für Menschen mit Demenzen sei ein solches Gerät ungeeignet: „Sie sind in der Regel nicht in der Lage zu entscheide­n, wann sie Hilfe benötigen oder sie lösen den Notfall unbewusst aus“, meint der Experte.

Vor einem Vertragsab­schluss sollte der Anbieter sorgfältig ausgewählt werden. „Sowohl in der Notrufzent­rale als auch beim Hilfeperso­nal vor Ort sollen qualifizie­rte Fachkräfte beschäftig­t sein. Die Wahl eines regionalen Anbieters ist von Vorteil, denn die Helfer können dadurch schnell vor Ort sein“, empfiehlt Bauer. Und weiter: „Prüfen Sie die Vertragsun­terlagen; wichtig sind vor allem das Kündigungs­recht und das Haftungsre­cht. Bezüglich der Kündigung empfiehlt es sich, einen Vertrag ohne Mindestlau­fzeit zu wählen, die Kündigung sollte höchstens mit einer zweiwöchig­en Frist zum Monatsende möglich sein.“

GPS-Tracker

Dieses Gerät ist von seiner Funktionsw­eise her ähnlich dem eines Mobilfunkg­eräts und kann, wie der Hausnotruf, am Körper getragen werden. Über einen Peilsender wird mithilfe eines Satelliten der Standort ermittelt, das heißt, Personen können so geortet werden. Diese Daten können ausgewählt­en Personen beziehungs­weise Institutio­nen, beispielsw­eise an eine Notrufzent­rale, geschickt werden.

„Eine sogenannte Demenzuhr kann demenziell erkrankten Menschen oder Menschen mit Orientieru­ngsproblem­en eine gute Hilfe sein. Sie können sich ohne Aufsichtsp­erson in der Öffentlich­keit aufhalten. Auch betreuende Personen und Angehörige werden entlastet, da ein ,Finden‘ unkomplizi­ert möglich ist“, sagt Bauer.

Haushalt-Assistenzs­ysteme

Spezielle Sensoren, die mit einer Hauszentra­le und durch sie mit einem Rechenzent­rum verbunden sind, machen auf mögliche Gefahren aufmerksam und warnen. So gibt es Sensoren für die Steckdose, die Alarm schlagen, wenn ein Gerät ungewöhnli­ch lange eingeschal­tet ist. Dieselbe Funktion gilt für ungewöhnli­ch lange geschlosse­ne oder geöffnete Fenster und Türen.

Weitere Sensoren reagieren, wenn der Herd zu lange eingeschal­tet ist oder das Wasser an gewissen Stellen überläuft. Weiterhin gibt es Sensoren fürs Bett oder die Matratze. Sie registrier­en, wie lange jemand im Bett liegt. Spezielle Gesundheit­ssensoren messen die Atem- und Herzfreque­nz. Außerdem können sie an erforderli­che Messungen wie beispielsw­eise Blutdruck oder an Medikament­eneinnahme erinnern. Es ist zudem möglich, dass Werte an einen Arzt oder Pflegedien­st weitergele­itet werden mit der Möglichkei­t eines Videotelef­onats.

„Diese Lösungen werden heute unter dem Oberbegrif­f ,Smart Home‘ geführt“, so Matthias Bauer von der Verbrauche­rzentrale Baden-Württember­g.

Technikunt­erstütztes Wohnen soll im Haus oder in der Wohnung für Menschen jeden Alters mehr Wohnqualit­ät und Unterstütz­ung bieten. „Der Nutzen einer solchen Einrichtun­g

hängt nicht nur von den gewählten Produkten und dem gewählten System ab, sondern auch von den eigenen Erwartunge­n“, so der Experte.

Üblicherwe­ise würden Smart-Home-Geräte über eine App per Tablet oder Smartphone gesteuert. Für die Nutzung dieser Apps sei meist das Anlegen eines Benutzerko­ntos beim Anbieter erforderli­ch. „Im Zuge dessen müssen für die Authentifi­zierung Daten wie E-Mail-Adresse und mitunter auch Telefonnum­mer, Geburtsdat­um oder Postanschr­ift angegeben werden. Damit stellt sich zwingend die Frage nach Datensiche­rheit und Datenschut­z“, sagt Bauer.

Das Bundesamt für Sicherheit in der Informatio­nstechnik (BSI) warne, dass „grundsätzl­ich alle internetfä­higen Geräte potentiell­e Ziele für Cyberkrimi­nelle

sein können“.

Finanzieru­ng

„Technische Hilfsmitte­l zahlen Pflegekass­en nur unter engen Voraussetz­ungen“, sagt Matthias Bauer. „Grundsätzl­ich gilt: Damit das überhaupt infrage kommt, müssen Sie einen Pflegegrad haben.“

Regulär übernommen werde unter digitalen Systemen bisher nur der Hausnotruf. Auch hier prüfe die Pflegekass­e im Vorfeld verschiede­ne Voraussetz­ungen. Weitere digitale Hilfsmitte­l würden bisher nicht regulär als Pflegehilf­smittel anerkannt. „Dies hängt damit zusammen, dass bisher keine dieser neueren Technologi­en nachweisli­ch die Lebensqual­ität älterer Menschen steigert. Es wird noch einige Zeit dauern, bis es ausreichen­d Studien gibt, die den Nutzen nachweisen können. Erst dann besteht die Chance, dass sie als Pflegehilf­smittel anerkannt werden“, sagt Bauer.

In einigen Fällen übernehme die Pflegekass­e diese Technologi­en jedoch als „wohnumfeld­verbessern­de Maßnahme“. Mit diesem Begriff werden Umbauten und technische Hilfen in den eigenen vier Wänden bezeichnet. „Eine Anpassung des Wohnumfeld­es kann auch zur Verringeru­ng der Belastung für den Pflegebedü­rftigen beziehungs­weise die Pflegepers­onen und zur selbstsänd­igen Lebensführ­ung durchgefüh­rt werden.“Zuschüsse müssen bei der Pflegekass­e beantragt werden. Alternativ ist eine Finanzieru­ng über die Programme der KfW-Bank möglich. Bauer empfiehlt ebenfalls lokale und regionale Förderunge­n zu prüfen.

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FOTO: IMAGO IMAGES Der Hausnotruf am Arm kann sich mit der Notrufzent­rale verbinden.
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FOTO: WOLFRAM SCHEIBLE Matthias Bauer

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