Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Technische Assistenten als Lebenshelfer
Intelligente Systeme erleichtern den Alltag, wenn manches schwerfällt – Bei Smart-Home-Geräten ist Datensicherheit wichtig
Die Fülle ist schon fast überwältigend: Intelligente Assistenzsysteme, abgekürzt AAL für das Englische „Ambient Assisted Living“, sollen vor allem älteren und pflegebedürftigen Menschen ein selbstbestimmtes Leben möglichst lange in den eigenen Wänden ermöglichen. Der Fokus der Assistenzsysteme liegt auf Gesundheit, Unabhängigkeit und Sicherheit. Ein wichtiger Nebenaspekt dabei ist, dass AAL auch für Angehörige und Pflege- beziehungsweise Notdienste eine Erleichterung bedeuten.
Nicht vernachlässigt werden darf dabei die Einhaltung der geltenden Datenschutzbestimmungen: So müssen beispielsweise personenbezogene Daten geschützt werden, ein AAL-System muss jederzeit abgeschaltet und die erhobenen Daten müssen vollständig gelöscht werden können.
Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg rät, nicht zu spät mit der Nutzung und Einübung der Hilfen beziehungsweise Assistenzsysteme zu beginnen. Zudem sei es „sinnvoll sich frühzeitig beraten zu lassen und auch bei jeder gesundheitlichen Veränderung sollte eine Bedarfsprüfung mit den unabhängigen Beratungsstellen erfolgen“, sagt Matthias Bauer, Experte von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.
Ein Überblick über die Systeme:
Hausnotruf
Dieses Hilfsmittel dürfte mit am bekanntesten sein. Das System setzt sich aus einem Basisgerät mit Freisprechanlage und einem Funksender zusammen. Den Sender gibt es als Anhänger, Armband oder Halskette, sprich: Er kann gut am Körper getragen werden. Wird der Knopf gedrückt, leitet der Funksender das Signal an die Basisstation weiter, die wiederum zur Notrufzentrale weiterverbindet. Weitere mögliche Funktionen: eine Ab- und Anmeldetaste, mit der man sich bei der Zentrale ab- und wieder anmelden kann, eine Servicetaste, über die Auskünfte eingeholt werden können, und eine so genannte Tagestaste. Wird diese nicht innerhalb einer vorher vereinbarten Zeitspanne gedrückt, meldet sich die
Notrufzentrale.
„Hausnotrufgeräte eignen sich vor allem für allein lebende Menschen, die ihre Selbstständigkeit erhalten wollen, jedoch durch Alter, chronische Krankheit oder andere Einschränkungen in Notlagen ein Telefon nicht oder nicht rechtzeitig erreichen können“, sagt Bauer. Für Menschen mit Demenzen sei ein solches Gerät ungeeignet: „Sie sind in der Regel nicht in der Lage zu entscheiden, wann sie Hilfe benötigen oder sie lösen den Notfall unbewusst aus“, meint der Experte.
Vor einem Vertragsabschluss sollte der Anbieter sorgfältig ausgewählt werden. „Sowohl in der Notrufzentrale als auch beim Hilfepersonal vor Ort sollen qualifizierte Fachkräfte beschäftigt sein. Die Wahl eines regionalen Anbieters ist von Vorteil, denn die Helfer können dadurch schnell vor Ort sein“, empfiehlt Bauer. Und weiter: „Prüfen Sie die Vertragsunterlagen; wichtig sind vor allem das Kündigungsrecht und das Haftungsrecht. Bezüglich der Kündigung empfiehlt es sich, einen Vertrag ohne Mindestlaufzeit zu wählen, die Kündigung sollte höchstens mit einer zweiwöchigen Frist zum Monatsende möglich sein.“
GPS-Tracker
Dieses Gerät ist von seiner Funktionsweise her ähnlich dem eines Mobilfunkgeräts und kann, wie der Hausnotruf, am Körper getragen werden. Über einen Peilsender wird mithilfe eines Satelliten der Standort ermittelt, das heißt, Personen können so geortet werden. Diese Daten können ausgewählten Personen beziehungsweise Institutionen, beispielsweise an eine Notrufzentrale, geschickt werden.
„Eine sogenannte Demenzuhr kann demenziell erkrankten Menschen oder Menschen mit Orientierungsproblemen eine gute Hilfe sein. Sie können sich ohne Aufsichtsperson in der Öffentlichkeit aufhalten. Auch betreuende Personen und Angehörige werden entlastet, da ein ,Finden‘ unkompliziert möglich ist“, sagt Bauer.
Haushalt-Assistenzsysteme
Spezielle Sensoren, die mit einer Hauszentrale und durch sie mit einem Rechenzentrum verbunden sind, machen auf mögliche Gefahren aufmerksam und warnen. So gibt es Sensoren für die Steckdose, die Alarm schlagen, wenn ein Gerät ungewöhnlich lange eingeschaltet ist. Dieselbe Funktion gilt für ungewöhnlich lange geschlossene oder geöffnete Fenster und Türen.
Weitere Sensoren reagieren, wenn der Herd zu lange eingeschaltet ist oder das Wasser an gewissen Stellen überläuft. Weiterhin gibt es Sensoren fürs Bett oder die Matratze. Sie registrieren, wie lange jemand im Bett liegt. Spezielle Gesundheitssensoren messen die Atem- und Herzfrequenz. Außerdem können sie an erforderliche Messungen wie beispielsweise Blutdruck oder an Medikamenteneinnahme erinnern. Es ist zudem möglich, dass Werte an einen Arzt oder Pflegedienst weitergeleitet werden mit der Möglichkeit eines Videotelefonats.
„Diese Lösungen werden heute unter dem Oberbegriff ,Smart Home‘ geführt“, so Matthias Bauer von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.
Technikunterstütztes Wohnen soll im Haus oder in der Wohnung für Menschen jeden Alters mehr Wohnqualität und Unterstützung bieten. „Der Nutzen einer solchen Einrichtung
hängt nicht nur von den gewählten Produkten und dem gewählten System ab, sondern auch von den eigenen Erwartungen“, so der Experte.
Üblicherweise würden Smart-Home-Geräte über eine App per Tablet oder Smartphone gesteuert. Für die Nutzung dieser Apps sei meist das Anlegen eines Benutzerkontos beim Anbieter erforderlich. „Im Zuge dessen müssen für die Authentifizierung Daten wie E-Mail-Adresse und mitunter auch Telefonnummer, Geburtsdatum oder Postanschrift angegeben werden. Damit stellt sich zwingend die Frage nach Datensicherheit und Datenschutz“, sagt Bauer.
Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) warne, dass „grundsätzlich alle internetfähigen Geräte potentielle Ziele für Cyberkriminelle
sein können“.
Finanzierung
„Technische Hilfsmittel zahlen Pflegekassen nur unter engen Voraussetzungen“, sagt Matthias Bauer. „Grundsätzlich gilt: Damit das überhaupt infrage kommt, müssen Sie einen Pflegegrad haben.“
Regulär übernommen werde unter digitalen Systemen bisher nur der Hausnotruf. Auch hier prüfe die Pflegekasse im Vorfeld verschiedene Voraussetzungen. Weitere digitale Hilfsmittel würden bisher nicht regulär als Pflegehilfsmittel anerkannt. „Dies hängt damit zusammen, dass bisher keine dieser neueren Technologien nachweislich die Lebensqualität älterer Menschen steigert. Es wird noch einige Zeit dauern, bis es ausreichend Studien gibt, die den Nutzen nachweisen können. Erst dann besteht die Chance, dass sie als Pflegehilfsmittel anerkannt werden“, sagt Bauer.
In einigen Fällen übernehme die Pflegekasse diese Technologien jedoch als „wohnumfeldverbessernde Maßnahme“. Mit diesem Begriff werden Umbauten und technische Hilfen in den eigenen vier Wänden bezeichnet. „Eine Anpassung des Wohnumfeldes kann auch zur Verringerung der Belastung für den Pflegebedürftigen beziehungsweise die Pflegepersonen und zur selbstsändigen Lebensführung durchgeführt werden.“Zuschüsse müssen bei der Pflegekasse beantragt werden. Alternativ ist eine Finanzierung über die Programme der KfW-Bank möglich. Bauer empfiehlt ebenfalls lokale und regionale Förderungen zu prüfen.