Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Sperrstunde im Alb-Donau-Kreis und Ulm
Harte Maßnahme und Gastwirte aus der Region mit mulmigen Gefühlen
LAICHINGEN - Die Sperrstunde in der Gastronomie kommt: Auf Bitten des Landessozialministeriums ist vorgesehen, eine Allgemeinverfügung für das Gebiet der Stadt Ulm und den Alb-Donau-Kreis zu erlassen, mit der eine Sperrstunde um 23 Uhr für Gastronomiebetriebe einschließlich eines generellen und durchgehenden Außenabgabeverbots von Alkohol ab 23 Uhr, wie beispielsweise an Tankstellen, eingeführt wird. Diese Allgemeinverfügung soll noch vor dem kommenden Freitagabend in Kraft treten.
Derzeit arbeiten Spezialisten der Kreis- und Stadtverwaltung die Regelungen im Detail aus. Die Allgemeinverfügung orientiert sich laut Landratsamt an der Hotspot-Strategie, welche auf der Konferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 14. Oktober beschlossen worden war. Diese sieht in Stadt- und Landkreisen mit mehr als 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen die verbindliche Einführung einer Sperrstunde um 23 Uhr für Gastronomiebetriebe einschließlich eines generellen Außenabgabeverbotes von Alkohol vor.
Landrat Heiner Scheffold und Ulms Oberbürgermeister Gunter Czisch erklärten übereinstimmend: „Wir hätten es uns alle anderes gewünscht. Aber die aktuelle Dynamik der Corona-Infektionszahlen lässt uns keine andere Wahl mehr. Wir müssen alles dafür tun, dass sich das Infektionsgeschehen nicht weiter ausbreitet und handeln entsprechend dem Pandemie-Stufenkonzept des Landes“. Die Allgemeinverfügung wird nach Fertigstellung auf den Internetseiten des Landratsamts Alb-Donau-Kreis und der Stadt Ulm veröffentlicht, heißt es aus dem Landratsamt.
Auf dem Land beobachtet man die Entwicklung mit Sorge.
betreibt die Laichingen das Café Jasmin und das Café Max. Er sagt, er halte die Regelung für sinnlos und erklärt: „Wir sind hier auf dem Land. Hier gehen die Leute nicht erst um 23 Uhr vor die Tür. In Ulm ist das natürlich anders, da geht’s um 23 Uhr erst los und man zieht von Kneipe zu Kneipe. Das ist hier bei uns definitiv nicht der Fall.“Ihn ärgere, dass jetzt auch er unter den Folgen der Unvernunft der Städter leiden müsse: „Die haben da Partys gefeiert, wo nach 22 Uhr keiner mehr geschaut hat und alle
Gnann Wolfgang
dicht an dicht standen, sodass das Virus sich schön verteilen konnte.“Der Laichinger Gastronom
und seine Familie stehen kurz vor der Eröffnung ihres größten Projekts, dem neuen Déli. Er ist entsetzt über die drohende Sperrstunde: „Wie kann man uns das antun? Wo wir doch schon lange effektive Hygienekonzepte entwickelt und umgesetzt haben. Es ist doch erweisen, dass die hohen Infektionszahlen nicht von der Gastronomie kommen.“Er findet, man dürfe bei Anti-Corona-Maßnahmen nicht alle über einen Kamm scheren. „Man muss doch unterscheiden zwischen Restaurants und Kneipen, zwischen Clubs und Opernhäusern. Da sind die Infektionspotenziale doch ganz unterschiedlich“, sagt er. Er spricht von „krassen Einschnitten“, die der Bevölkerung Angst machen.
vom Hotel Ochsen in Merklingen sieht die neue Sperrstunde zwar kritisch, sagt aber auch, dass es in der Corona-Pandemie größere Probleme für sein Haus gibt. „Wir werden das natürlich peinlich genau umsetzen sowie Maskenund Abstandsregelungen und Hygienekonzepte. Hier geht es um die Gesundheit unserer Gäste und darum, dass Sie sich bei uns sicher fühlen.“Deswegen habe der Ochsen beispielsweise die hauseigene Hotelbar seit Corona geschlossen. Zu viele unterschiedliche Gruppe kämen, Abstandsregelungen einzuhalten sei da
„Oki“Kula Andreas Hintz Orhan
schwierig. Trotzdem fürchtet er durch die neuen Regelungen finanzielle Einbußen. „Wir haben mittlerweile wieder Events im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen. Hochzeiten, Geburtstage und Ähnliches wird mit der neuen Sperrstunde natürlich ein frühes Ende gesetzt.“
Betreiber des Gasthauses „zum fröhlichen Nix“in Blaubeuren, sieht die neue Sperrstundenregelung gelassen. „Wir richten uns von der Sperrstunde nach unseren Gästen. Wenn wenig los ist, kann das auch schon mal deutlich vor 23 Uhr sein. Ich habe keine Probleme mit der neuen Regelung. Das werde ich problemlos umsetzen können.“
Die schlechten Nachrichten der neuen Sperrstunde haben
und ihren Mann Holger, die Betreiber der Rockkneipe „Wilder Mann“erreicht, als sie aus dem Kurzurlaub nach Nellingen zurückgekehrt sind. „Das ist eine Katastrophe für uns. Momentan verdienen wir wegen Corona ohnehin nicht so viel mit den Fremdenzimmern. Die Rockkneipe ist unsere Haupteinnahmequelle.“Unter der Woche berühre sie die neue Sperrstunde kaum, da sie ohnehin um 23 Uhr schließen. Aber am Wochenende, den Tagen an denen am meisten Betrieb ist, nach vier Stunden wieder zu schließen (der Wilde Mann öffnet erst um 19 Uhr) sei undenkbar. „Bei uns auf dem Land gehen viele gerade Jüngere nicht vor neun oder zehn Uhr los.
Hans Wild, Haußmann Ulrike
Gerade am vergangenen Wochenende wurde es bei uns erst ab neun Uhr langsam voll.“Ein Stück weit fühlt sich Ulrike Haußmann alleine gelassen. Die Regeln würden den Gastronomen aufgezwungen – ohne, dass diese mitsprechen könnten. „Wir hatten Anfang des Jahres durch den Lockdown bereits große Einbußen. Wenn das so weiter geht weiß ich nicht mehr wie wir Geld verdienen können.“Die Nellinger Gastronomin wünscht sich deshalb Handlungsempfehlungen und Hilfe von der Dehoga oder finanzielle Unterstützung.
„Im Herbst ist für uns die ruhigere Jahreszeit und auch der Umsatz allgemein geringer“, erläutert
Wer zum Essen kommt, der habe bis 23 Uhr ausreichend Zeit. Dennoch bleibe die neu verordnete Sperrstunde nicht ganz ohne Folgen. Denn manche Gruppe und mancher Verein komme erst nach der Sportstunde und wolle den Abend gemütlich ausklingen lassen, was jetzt nur noch bedingt möglich werde. Unter der Woche sieht Erik Goll weniger Probleme, am Wochenende aber schon. Da wollen die Gäste gerne länger beisammen sein, da könnte auch die eine oder andere Veranstaltung jetzt kippen. Der Rössle-Wirt weist daraufhin, dass sich die Gastronomie an ein Hygiene-Konzept halte, das befolgt werde.
„Die Verordnung trifft uns nicht ganz so schlimm, denn die Zahl der Gäste zu späterer Stunde hält sich in Grenzen“, erklärt Adler-Wirt
aus Westerheim. Klar sei, dass nun das eine oder andere Bier weniger getrunken werde. Sein Adler sei vor allem ein Speiselokal und er habe die Erfahrung gemacht, dass in Corona-Zeiten die Gäste eher früher kommen und auch früher gehen. Klar sei, dass einzelne Gäste oder kleine Gruppen gerne länger sitzen bleiben möchten. Bruno Kneer sieht eher ein anderes Problem mit Sorgen: Dass bald nicht mehr zehn Besucher an einem Tisch Platz nehmen dürfen. Das hätte schlimmere Folgen für die Gastronomie, die sich im Lande gerade so einigermaßen erholt habe. Unter Umständen und bei der derzeitigen Corona-Entwicklung könnte wie in Berchtesgaden ein Lockdown kommen. Das hätte fatale Folgen für die Wirte im Land, meint Kneer, der mit dem Umsatz zuletzt zufrieden war, vor allem während seines Oktoberfests. Gut gelaufen sei sein Straßenverkauf, und da ist er seiner Kundschaft dankbar. Er hoffe sehr, dass im Dezember die Weihnachtsfeiern stattfinden dürfen und auch über Weihnachten keine erschwerenden Verordnungen hinzukommen.
Goll. Kneer Erik Bruno