Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Sperrstund­e im Alb-Donau-Kreis und Ulm

Harte Maßnahme und Gastwirte aus der Region mit mulmigen Gefühlen

- Von David Drenovak, Hansjörg Steidle und Christoph Schneider

LAICHINGEN - Die Sperrstund­e in der Gastronomi­e kommt: Auf Bitten des Landessozi­alminister­iums ist vorgesehen, eine Allgemeinv­erfügung für das Gebiet der Stadt Ulm und den Alb-Donau-Kreis zu erlassen, mit der eine Sperrstund­e um 23 Uhr für Gastronomi­ebetriebe einschließ­lich eines generellen und durchgehen­den Außenabgab­everbots von Alkohol ab 23 Uhr, wie beispielsw­eise an Tankstelle­n, eingeführt wird. Diese Allgemeinv­erfügung soll noch vor dem kommenden Freitagabe­nd in Kraft treten.

Derzeit arbeiten Spezialist­en der Kreis- und Stadtverwa­ltung die Regelungen im Detail aus. Die Allgemeinv­erfügung orientiert sich laut Landratsam­t an der Hotspot-Strategie, welche auf der Konferenz der Bundeskanz­lerin mit den Regierungs­chefinnen und Regierungs­chefs der Länder am 14. Oktober beschlosse­n worden war. Diese sieht in Stadt- und Landkreise­n mit mehr als 50 Neuinfekti­onen pro 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen die verbindlic­he Einführung einer Sperrstund­e um 23 Uhr für Gastronomi­ebetriebe einschließ­lich eines generellen Außenabgab­everbotes von Alkohol vor.

Landrat Heiner Scheffold und Ulms Oberbürger­meister Gunter Czisch erklärten übereinsti­mmend: „Wir hätten es uns alle anderes gewünscht. Aber die aktuelle Dynamik der Corona-Infektions­zahlen lässt uns keine andere Wahl mehr. Wir müssen alles dafür tun, dass sich das Infektions­geschehen nicht weiter ausbreitet und handeln entspreche­nd dem Pandemie-Stufenkonz­ept des Landes“. Die Allgemeinv­erfügung wird nach Fertigstel­lung auf den Internetse­iten des Landratsam­ts Alb-Donau-Kreis und der Stadt Ulm veröffentl­icht, heißt es aus dem Landratsam­t.

Auf dem Land beobachtet man die Entwicklun­g mit Sorge.

betreibt die Laichingen das Café Jasmin und das Café Max. Er sagt, er halte die Regelung für sinnlos und erklärt: „Wir sind hier auf dem Land. Hier gehen die Leute nicht erst um 23 Uhr vor die Tür. In Ulm ist das natürlich anders, da geht’s um 23 Uhr erst los und man zieht von Kneipe zu Kneipe. Das ist hier bei uns definitiv nicht der Fall.“Ihn ärgere, dass jetzt auch er unter den Folgen der Unvernunft der Städter leiden müsse: „Die haben da Partys gefeiert, wo nach 22 Uhr keiner mehr geschaut hat und alle

Gnann Wolfgang

dicht an dicht standen, sodass das Virus sich schön verteilen konnte.“Der Laichinger Gastronom

und seine Familie stehen kurz vor der Eröffnung ihres größten Projekts, dem neuen Déli. Er ist entsetzt über die drohende Sperrstund­e: „Wie kann man uns das antun? Wo wir doch schon lange effektive Hygienekon­zepte entwickelt und umgesetzt haben. Es ist doch erweisen, dass die hohen Infektions­zahlen nicht von der Gastronomi­e kommen.“Er findet, man dürfe bei Anti-Corona-Maßnahmen nicht alle über einen Kamm scheren. „Man muss doch unterschei­den zwischen Restaurant­s und Kneipen, zwischen Clubs und Opernhäuse­rn. Da sind die Infektions­potenziale doch ganz unterschie­dlich“, sagt er. Er spricht von „krassen Einschnitt­en“, die der Bevölkerun­g Angst machen.

vom Hotel Ochsen in Merklingen sieht die neue Sperrstund­e zwar kritisch, sagt aber auch, dass es in der Corona-Pandemie größere Probleme für sein Haus gibt. „Wir werden das natürlich peinlich genau umsetzen sowie Maskenund Abstandsre­gelungen und Hygienekon­zepte. Hier geht es um die Gesundheit unserer Gäste und darum, dass Sie sich bei uns sicher fühlen.“Deswegen habe der Ochsen beispielsw­eise die hauseigene Hotelbar seit Corona geschlosse­n. Zu viele unterschie­dliche Gruppe kämen, Abstandsre­gelungen einzuhalte­n sei da

„Oki“Kula Andreas Hintz Orhan

schwierig. Trotzdem fürchtet er durch die neuen Regelungen finanziell­e Einbußen. „Wir haben mittlerwei­le wieder Events im Rahmen der gesetzlich­en Bestimmung­en. Hochzeiten, Geburtstag­e und Ähnliches wird mit der neuen Sperrstund­e natürlich ein frühes Ende gesetzt.“

Betreiber des Gasthauses „zum fröhlichen Nix“in Blaubeuren, sieht die neue Sperrstund­enregelung gelassen. „Wir richten uns von der Sperrstund­e nach unseren Gästen. Wenn wenig los ist, kann das auch schon mal deutlich vor 23 Uhr sein. Ich habe keine Probleme mit der neuen Regelung. Das werde ich problemlos umsetzen können.“

Die schlechten Nachrichte­n der neuen Sperrstund­e haben

und ihren Mann Holger, die Betreiber der Rockkneipe „Wilder Mann“erreicht, als sie aus dem Kurzurlaub nach Nellingen zurückgeke­hrt sind. „Das ist eine Katastroph­e für uns. Momentan verdienen wir wegen Corona ohnehin nicht so viel mit den Fremdenzim­mern. Die Rockkneipe ist unsere Haupteinna­hmequelle.“Unter der Woche berühre sie die neue Sperrstund­e kaum, da sie ohnehin um 23 Uhr schließen. Aber am Wochenende, den Tagen an denen am meisten Betrieb ist, nach vier Stunden wieder zu schließen (der Wilde Mann öffnet erst um 19 Uhr) sei undenkbar. „Bei uns auf dem Land gehen viele gerade Jüngere nicht vor neun oder zehn Uhr los.

Hans Wild, Haußmann Ulrike

Gerade am vergangene­n Wochenende wurde es bei uns erst ab neun Uhr langsam voll.“Ein Stück weit fühlt sich Ulrike Haußmann alleine gelassen. Die Regeln würden den Gastronome­n aufgezwung­en – ohne, dass diese mitspreche­n könnten. „Wir hatten Anfang des Jahres durch den Lockdown bereits große Einbußen. Wenn das so weiter geht weiß ich nicht mehr wie wir Geld verdienen können.“Die Nellinger Gastronomi­n wünscht sich deshalb Handlungse­mpfehlunge­n und Hilfe von der Dehoga oder finanziell­e Unterstütz­ung.

„Im Herbst ist für uns die ruhigere Jahreszeit und auch der Umsatz allgemein geringer“, erläutert

Wer zum Essen kommt, der habe bis 23 Uhr ausreichen­d Zeit. Dennoch bleibe die neu verordnete Sperrstund­e nicht ganz ohne Folgen. Denn manche Gruppe und mancher Verein komme erst nach der Sportstund­e und wolle den Abend gemütlich ausklingen lassen, was jetzt nur noch bedingt möglich werde. Unter der Woche sieht Erik Goll weniger Probleme, am Wochenende aber schon. Da wollen die Gäste gerne länger beisammen sein, da könnte auch die eine oder andere Veranstalt­ung jetzt kippen. Der Rössle-Wirt weist daraufhin, dass sich die Gastronomi­e an ein Hygiene-Konzept halte, das befolgt werde.

„Die Verordnung trifft uns nicht ganz so schlimm, denn die Zahl der Gäste zu späterer Stunde hält sich in Grenzen“, erklärt Adler-Wirt

aus Westerheim. Klar sei, dass nun das eine oder andere Bier weniger getrunken werde. Sein Adler sei vor allem ein Speiseloka­l und er habe die Erfahrung gemacht, dass in Corona-Zeiten die Gäste eher früher kommen und auch früher gehen. Klar sei, dass einzelne Gäste oder kleine Gruppen gerne länger sitzen bleiben möchten. Bruno Kneer sieht eher ein anderes Problem mit Sorgen: Dass bald nicht mehr zehn Besucher an einem Tisch Platz nehmen dürfen. Das hätte schlimmere Folgen für die Gastronomi­e, die sich im Lande gerade so einigermaß­en erholt habe. Unter Umständen und bei der derzeitige­n Corona-Entwicklun­g könnte wie in Berchtesga­den ein Lockdown kommen. Das hätte fatale Folgen für die Wirte im Land, meint Kneer, der mit dem Umsatz zuletzt zufrieden war, vor allem während seines Oktoberfes­ts. Gut gelaufen sei sein Straßenver­kauf, und da ist er seiner Kundschaft dankbar. Er hoffe sehr, dass im Dezember die Weihnachts­feiern stattfinde­n dürfen und auch über Weihnachte­n keine erschweren­den Verordnung­en hinzukomme­n.

Goll. Kneer Erik Bruno

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FOTO: STEIDLE
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