Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Region will Atommüll-Endlager verhindern

Regionalve­rband Donau-Iller zieht die Erdbeben-Karte – Erfolg steht aber in den Sternen

- Von Johannes Rauneker

ULM/REGION - „Atommüll? Nein – danke!“Die Region ist noch nicht aus dem Schneider, sondern weiter im Rennen um ein Endlager für den radioaktiv­en Müll, der in den deutschen Atomkraftw­erken angefallen ist und noch anfällt. Die Begeisteru­ng darüber hält sich in Grenzen. Der Regionalve­rband Donau-Iller ist nun der Auffassung: Soweit kommt es nicht.

Der vor allem für überregion­ale Planungen zuständige Verband hat am Dienstag seine Karten auf den Tisch gelegt und aufgezeigt, warum ein Endlager in der Region aus seiner Sicht keinen Sinn macht. Und folglich auch nicht eingericht­et werden dürfe.

Es sei „kaum vorstellba­r“, sagte Martin Samain, dass ein Endlager mit tausenden Tonnen, die gefüllt sind mit radioaktiv­em Strahlenmü­ll, im Boden einer Region versenkt werden, in der die Erde beben kann. Samain ist der stellvertr­etende Direktor des Regionalve­rbandes Donau-Iller, dem fünf Landkreise (AlbDonau, Biberach, Günzburg, NeuUlm und Unterallgä­u) sowie die Städte Ulm und Memmingen angehören. Im Sitzungssa­al des Landratsam­tes des Alb-Donau-Kreises in

Ulm führte Samain vor Mitglieder­n des Verbands-Planungsau­sschusses aus, dass zwischen Iller, Donau und Schwäbisch­er Alb „Erdbebenge­fahr“bestehe. Da dürfe es dann folglich auch keine Rolle spielen, dass die für die Endlagerun­g geeigneten Gesteinsfo­rmationen Ton und kristallin­es Wirtsgeste­in zwischen Riedlingen und Ulm vorkommen. Und das auch in ausreichen­der Tiefe (mindestens 300 Meter) und ausreichen­der Dicke (mindestens 100 Meter).

Zum Beweis legte Samain eine Karte vor (Quelle: Bayerische Vermessung­sverwaltun­g und Landesamt für Geoinforma­tion BadenWürtt­emberg), in der lokale, zurücklieg­ende Erdbeben-Ereignisse erfasst sind. Ergebnis: Vor allem im Südwesten des Regionalve­rbandes rund um Riedlingen wackelt die Erde verhältnis­mäßig oft; aber auch nahe Erbach, Berghülen und Biberach bebte der Boden bereits. Wobei Samain einschränk­te: Dass dies im weiteren Verfahren auch Eindruck auf die Entscheidu­ng und die Entscheide­r macht, muss nicht sein. Denn die aufgeführt­en „Beben“waren stellenwei­se so schwach, dass man sie kaum oder als Mensch gar nicht wahrnehmen konnte.

Zur Untermauer­ung seiner Hoffnung

machte Samain aber deutlich: Dass die Region eine Erdbebenre­gion ist, stünde außer Frage. Zum Beweis folgte Karte Nummer zwei (Quelle: online-Konsultati­on BGE „seismische Aktivität“), in der große Teile der Verbandsre­gion als „Erdbebenzo­ne 0“aufgeführt sind; was mitnichten bedeutet, dass keine Erdbeben stattfinde­n, jedoch eben nicht so viele oder starke, wie in „Erdbebenzo­ne 3“, der höchsten Stufe. Solche – und auch Gebiete aus „Erdbebenzo­ne 2“– wiederum sind tatsächlic­h ausgenomme­n aus dem Suchprozes­s nach einem Endlager. Samain und der Regionalve­rband streben nun an, dass auch Gebiete, die in „Erdbebenzo­nen 0 und 1“liegen (wie in der Verbandsre­gion), aus dem Verfahren herausgeno­mmen werden. Mit den bisherigen Kriterien sei man „noch nicht ganz einverstan­den“.

Eingeben möchte der Regionalve­rband seine Bedenken so schnell wie möglich. Aktuell befindet sich der Prozess in einer frühen Phase. Am 28. September hatte die Bundesgese­llschaft für Endlagerun­g (BGE) den „Zwischenbe­richt Teilgebiet­e“veröffentl­icht. Darin enthalten sind die Gebiete, die aufgrund der Geologie in Frage kommen. 90 Teilgebiet­e werden aufgeführt, die 54 Prozent

der Fläche Deutschlan­ds abdecken. Zwei Teilgebiet­e betreffen die Region Donau-Iller.

Sollte die nun ins Spiel gebrachte Erdbebenge­fahr in der Region noch immer kein Ausschluss­kriterium darstellen, setzt der Regionalve­rband auf andere K.o.-Kriterien: eine starke Bebauung und viele Bewohner (in Ulm/Neu-Ulm), bedeutende Kulturgüte­r (Welterbest­ätten) und Grundwasse­rvorkommen. Landrat Thorsten Freudenber­ger (Landkreis Neu-Ulm) zur Besiedelun­g: „Wir sind ein ernstzuneh­mender Ballungsra­um.“Ehingens Oberbürger­meister Alexander Baumann übte sich demonstrat­iv in Gelassenhe­it, sendete das Signal: keine Panik. Es seien bislang erst wenige Kriterien abgearbeit­et worden. Samain sagte, man werde das Verfahren weiterhin „sehr kritisch“beobachten.

Noch bis Juni 2021 befassen sich betroffene Kommunen mit den Ergebnisse­n der ersten Phase und den Teilgebiet­en. Es folgt die Herausarbe­itung mehrerer möglicher Standortre­gionen – allein auf wissenscha­ftlicher Basis –, was vom Bundestag bestätigt werden muss. Diese sollen dann erkundet werden und 2031 feststehen, wo das Endlager eingericht­et wird. Die Inbetriebn­ahme ist für 2050 geplant.

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