Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Region will Atommüll-Endlager verhindern
Regionalverband Donau-Iller zieht die Erdbeben-Karte – Erfolg steht aber in den Sternen
ULM/REGION - „Atommüll? Nein – danke!“Die Region ist noch nicht aus dem Schneider, sondern weiter im Rennen um ein Endlager für den radioaktiven Müll, der in den deutschen Atomkraftwerken angefallen ist und noch anfällt. Die Begeisterung darüber hält sich in Grenzen. Der Regionalverband Donau-Iller ist nun der Auffassung: Soweit kommt es nicht.
Der vor allem für überregionale Planungen zuständige Verband hat am Dienstag seine Karten auf den Tisch gelegt und aufgezeigt, warum ein Endlager in der Region aus seiner Sicht keinen Sinn macht. Und folglich auch nicht eingerichtet werden dürfe.
Es sei „kaum vorstellbar“, sagte Martin Samain, dass ein Endlager mit tausenden Tonnen, die gefüllt sind mit radioaktivem Strahlenmüll, im Boden einer Region versenkt werden, in der die Erde beben kann. Samain ist der stellvertretende Direktor des Regionalverbandes Donau-Iller, dem fünf Landkreise (AlbDonau, Biberach, Günzburg, NeuUlm und Unterallgäu) sowie die Städte Ulm und Memmingen angehören. Im Sitzungssaal des Landratsamtes des Alb-Donau-Kreises in
Ulm führte Samain vor Mitgliedern des Verbands-Planungsausschusses aus, dass zwischen Iller, Donau und Schwäbischer Alb „Erdbebengefahr“bestehe. Da dürfe es dann folglich auch keine Rolle spielen, dass die für die Endlagerung geeigneten Gesteinsformationen Ton und kristallines Wirtsgestein zwischen Riedlingen und Ulm vorkommen. Und das auch in ausreichender Tiefe (mindestens 300 Meter) und ausreichender Dicke (mindestens 100 Meter).
Zum Beweis legte Samain eine Karte vor (Quelle: Bayerische Vermessungsverwaltung und Landesamt für Geoinformation BadenWürttemberg), in der lokale, zurückliegende Erdbeben-Ereignisse erfasst sind. Ergebnis: Vor allem im Südwesten des Regionalverbandes rund um Riedlingen wackelt die Erde verhältnismäßig oft; aber auch nahe Erbach, Berghülen und Biberach bebte der Boden bereits. Wobei Samain einschränkte: Dass dies im weiteren Verfahren auch Eindruck auf die Entscheidung und die Entscheider macht, muss nicht sein. Denn die aufgeführten „Beben“waren stellenweise so schwach, dass man sie kaum oder als Mensch gar nicht wahrnehmen konnte.
Zur Untermauerung seiner Hoffnung
machte Samain aber deutlich: Dass die Region eine Erdbebenregion ist, stünde außer Frage. Zum Beweis folgte Karte Nummer zwei (Quelle: online-Konsultation BGE „seismische Aktivität“), in der große Teile der Verbandsregion als „Erdbebenzone 0“aufgeführt sind; was mitnichten bedeutet, dass keine Erdbeben stattfinden, jedoch eben nicht so viele oder starke, wie in „Erdbebenzone 3“, der höchsten Stufe. Solche – und auch Gebiete aus „Erdbebenzone 2“– wiederum sind tatsächlich ausgenommen aus dem Suchprozess nach einem Endlager. Samain und der Regionalverband streben nun an, dass auch Gebiete, die in „Erdbebenzonen 0 und 1“liegen (wie in der Verbandsregion), aus dem Verfahren herausgenommen werden. Mit den bisherigen Kriterien sei man „noch nicht ganz einverstanden“.
Eingeben möchte der Regionalverband seine Bedenken so schnell wie möglich. Aktuell befindet sich der Prozess in einer frühen Phase. Am 28. September hatte die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) den „Zwischenbericht Teilgebiete“veröffentlicht. Darin enthalten sind die Gebiete, die aufgrund der Geologie in Frage kommen. 90 Teilgebiete werden aufgeführt, die 54 Prozent
der Fläche Deutschlands abdecken. Zwei Teilgebiete betreffen die Region Donau-Iller.
Sollte die nun ins Spiel gebrachte Erdbebengefahr in der Region noch immer kein Ausschlusskriterium darstellen, setzt der Regionalverband auf andere K.o.-Kriterien: eine starke Bebauung und viele Bewohner (in Ulm/Neu-Ulm), bedeutende Kulturgüter (Welterbestätten) und Grundwasservorkommen. Landrat Thorsten Freudenberger (Landkreis Neu-Ulm) zur Besiedelung: „Wir sind ein ernstzunehmender Ballungsraum.“Ehingens Oberbürgermeister Alexander Baumann übte sich demonstrativ in Gelassenheit, sendete das Signal: keine Panik. Es seien bislang erst wenige Kriterien abgearbeitet worden. Samain sagte, man werde das Verfahren weiterhin „sehr kritisch“beobachten.
Noch bis Juni 2021 befassen sich betroffene Kommunen mit den Ergebnissen der ersten Phase und den Teilgebieten. Es folgt die Herausarbeitung mehrerer möglicher Standortregionen – allein auf wissenschaftlicher Basis –, was vom Bundestag bestätigt werden muss. Diese sollen dann erkundet werden und 2031 feststehen, wo das Endlager eingerichtet wird. Die Inbetriebnahme ist für 2050 geplant.