Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Das Ziel heißt Tripleverteidigung
Vor Bayerns Champions-League-Start gegen Atlético gibt sich der Präsident ambitioniert
MÜNCHEN - Weiter siegen, immer weiter siegen – das könnte das abgewandelte Motto des FC Bayern dieser Tage sein. Nichts leichter als das? Zum ersten und bisher einzigen Mal in der Historie der Champions League konnte ein Verein in der Vorsaison jedes einzelne Spiel (insgesamt elf) gewinnen. „Für uns geht es darum, von Spiel zu Spiel zu denken, aber auch das große Ganze im Blick zu haben“, betonte Erfolgscoach Hansi Flick, der Titelsammler des Jahres. Am Dienstag betonte er an der Säbener Straße: „Ich bin absolut überzeugt davon, dass wir die Qualität haben, erfolgreich sein zu können – vielleicht so erfolgreich wie letztes Jahr.“Ziemlich forsch für seine Verhältnisse.
Lediglich 59 Tage nach ihrem Finaltriumph von Lissabon starten die Bayern am Mittwoch (21 Uhr/Sky) ins Abenteuer Titelverteidigung – voraussichtlich, denn der positive Test von Serge Gnabry (siehe Kasten) war ein Schock. „Nachdem wir den Thron in Europa bestiegen haben, möchten wir so lange wie möglich da oben in der Sonne bleiben“, sagte Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge. Gleich drei Jahre wie die Helden der 70erJahre von 1974 an? Bei den Buchmachern jedenfalls ist Bayern der Topfavorit auf den Titel – vor Manchester
City sowie dem FC Liverpool, dem Champion von 2019, der vergangene Saison bereits im Achtelfinale eliminiert wurde. Von wem? Von den Rojiblancos, den Rot-Weißen aus der spanischen Hauptstadt.
Dieses Atlético Madrid ist gleich zu Beginn der neuen KönigsklassenSaison, die wegen der Corona-Pandemie vier Wochen später startet als gewohnt, ein unangenehmer Prüfstein, Kategorie echter Gradmesser. „Das wird, gerade was das defensive Bollwerk betrifft, eine ganz andere Hausnummer“, betonte Thomas Müller nach der Generalprobe, dem 4:1 bei Bundesliga-Aufsteiger Arminia Bielefeld. Nebenwirkungen des Triples seien, so Müller, dass man in der Vorrundengruppe
mit Atlético, RB Salzburg und Lokomotive Moskau „sofort unter Zugzwang“stehe und dass „die Erwartungshaltung enorm hoch bleibt“. Tatsächlich sogar noch gestiegen ist.
Der Fluch der guten Tat heißt: Druck. Druck. Druck. Diese Bürde kann auch Ansporn sein. Europas Fußballer des Jahres, Robert Lewandowski, formuliert es positiv: „Wir können in dieser Saison wieder zeigen, dass es weit gehen kann.“Oben zu bleiben ist ja bekanntlich im Sport schwieriger als nach oben zu kommen. „Man ist jetzt in ganz Europa die gejagte Mannschaft, die jeder unbedingt schlagen will“, sagte Müller, „sich dagegen zur Wehr zu setzen, ist eine enorme Herausforderung.“
Ohne Spielmacher Thiago, der sucht nun in Liverpool sein Glück. Und mit einem Kader, der bis auf Top-Neuzugang Leroy Sané, der sich nach einer Verletzung noch im Aufbautraining befindet, lediglich in der Breite verstärkt wurde. „Wir haben genau das, was wir wollten, mehr Optionen“, erklärte Flick und betonte: „Ich bin so weit zufrieden.“Das kleine Aber: Man habe „jetzt erst eine knappe Woche komplett trainieren können“. Für Atlético-Coach Diego Simeone sind „die Bayern ganz klar die Besten von allen. Wegen ihrer Power, ihrer Dominanz, ihrer Geschichte, ihrer Gegenwart.“Höhepunkt war die historische Abreibung für den FC Barcelona, dem 8:2 im Viertelfinale. Diese Lektion hallt nach, vor allem in Spanien. Die Bayern dagegen peilen jetzt schon einen Termin im kommenden Jahr an: das Finale der Königsklasse am 29. Mai 2021 in Istanbul.
Zunächst aber soll der Auftakt gelingen. Und loslegen, das können sie in München. Seit 2003 hat man kein Auftaktspiel in Europas höchstem Wettbewerb vergeigt, 16-mal gewonnen. Bayerns Präsident Herbert Hainer, sonst eher für die leisen Töne im Verein zuständig, meinte vor dem Champions-League-Start denn auch kraftvoll: „Wir haben uns vorgenommen, das Triple zu verteidigen. Das hat noch keiner geschafft.“