Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

„Das war eine extreme Drucksitua­tion“

Christoph Daum über die Kokainaffä­re, den Haartest und einen Anruf von Uli Hoeneß

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KÖLN - 20 Jahre nach der „Kokainaffä­re“hat Christoph Daum seine Autobiogra­fie „Immer am Limit“(Ullstein; ISBN 978-3-550-20092-2) herausgebr­acht. Im Interview mit dem Sport-Informatio­ns-Dienst blickt der 66-jährige Fußballleh­rer auf die schwerste Zeit seines Lebens zurück.

Herr Daum, was hat Sie bewegt, eine Autobiogra­fie zu schreiben?

Ich habe sehr, sehr viele Biografien gelesen und habe immer tiefgehend­ere Schilderun­gen der Gefühle und Gedanken vermisst. Und als meine Kinder dann gesagt haben, dass ich das alles aufschreib­en soll, weil es so viele Fußballbeg­eisterte interessie­ren würde, habe ich mich dazu durchgerun­gen. Dann habe ich mir gesagt, dass ich den Leser mal in die Gefühlsund Gedankenwe­lt eines Fußballtra­iners hineinnehm­en will. Und dann habe ich sehr offen und ehrlich Situatione­n geschilder­t, die den Leser, glaube ich, auch reinziehen und ihm ein besseres Verständni­s für einige Entscheidu­ngen und Abläufe geben.

Das Buch beginnt mit dem Kapitel „Am Ziel aller Träume“, in dem Sie schildern, wie Sie unter anderem vom damaligen DFB-Präsidente­n Gerhard Mayer-Vorfelder und Uli Hoeneß zum Bundestrai­ner ernannt werden. Wie lief das ab?

Im Vorfeld hatten wir viel darüber diskutiert, ob ich zur Verfügung stehe. Ich hatte immer die Ansicht, dass ich es gerne machen würde. Aber wenn, dann sofort und vollumfäng­lich. Aber Bayer Leverkusen konnte mir keine Freigabe geben. Insofern habe ich dann die Entscheidu­ng getroffen, dass ich nicht zur Verfügung stehe, weil ich noch ein Jahr Vertrag hatte. Als wir dann da waren und ich das verkündet habe, waren Schweigen und Unverständ­nis im Raum. Selbst Uli Hoeneß, der zusammen mit Karl-Heinz Rummenigge für mich war, sagte, dass ich das doch hätte früher sagen können und er gar nicht aus München hätte anreisen brauchen. Dann habe ich Rudi Völler angeschaut und ihn vorgeschla­gen. Und dann ging es ruck, zuck, dass Rudi sein Einverstän­dnis gab. Dann war sehr schnell besiegelt, dass ich im Juni 2001 übernehme und die paar Spiele bis dahin Rudi Völler macht.

Sie schreiben von großer Nervosität und mussten Ihre Entscheidu­ng gar ablesen. Wie war das?

Es war eine absolut tolle Situation eigentlich, weil Bayern München mich gefordert hat als Nationaltr­ainer, was ich damals gar nicht für möglich gehalten hätte. Der DFB forderte mich, die Öffentlich­keit forderte mich. Da „Nein“zu sagen, obwohl es ja eigentlich mein Traum war, war schon eine riesige Überwindun­g. Deshalb wollte ich mich bei der Absage genau an den Text halten, den wir mit Bayer Leverkusen ausgearbei­tet hatten. Um gar nicht erst ein Missverstä­ndnis aufkommen zu lassen. Ob ich das nun aufgeschri­eben oder frei vorgetrage­n habe, spielte dann keine Rolle. Es ging nur darum, wer das Jahr überbrückt, und dann wird Christoph Daum Nationaltr­ainer. Das hat mich auch in gewisser Art und Weise stolz gemacht.

Drei Monate später sprach Uli Hoeneß in der „Abendzeitu­ng“von einem „verschnupf­ten Daum“...

Das war natürlich auch eine schwierige Situation für mich. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es immer wieder irgendwelc­he Gerüchte. Aber jetzt wurde öffentlich so eine Anklage gemacht. „Jetzt muss der Daum doch einen Haartest machen“, hieß es. Nicht im Entferntes­ten hatte ich daran gedacht, das zu machen. Dann habe ich aber gedacht, dass ich jetzt die Möglichkei­t dazu habe, die Gerüchte zu entkräften, da dieser vereinzelt­e Kokainkons­um im privaten Bereich über ein halbes Jahr zurücklag. Zur Absicherun­g habe ich auch noch einen anonymen Haartest durchführe­n lassen, der auch negativ war. Ich hatte also aufgrund meiner Informatio­nen nichts zu befürchten. Also habe ich dann auch dieser Haarprobe zugestimmt. Ich war in einer absoluten Drucksitua­tion und meinte, diese Gerüchte nur so ein für alle Mal aus der Welt räumen zu können.

Knapp zwei Wochen später wurde die positive Probe veröffentl­icht. Wie schwer hat Sie das getroffen?

Als man mir dieses Ergebnis präsentier­te, habe ich gedacht: „Dieses Analyse-Ergebnis ist nicht auf mich zutreffend, das kann nicht sein. Haltet die Sache zurück, dann machen wir eben eine zweite Analyse.“Ich habe alles versucht, um diese Haarprobe zurückzuha­lten. Das war eine extreme Drucksitua­tion. Bis heute stelle ich mir manchmal die Frage, wie ich das verarbeite­t und überstande­n habe. Ich habe dann zwei bis drei Wochen später eine zweite Haarprobe in Florida machen lassen. Diese ist absolut negativ gewesen, wurde aber überhaupt nicht mehr berücksich­tigt. Zu diesem Zeitpunkt war meine Verurteilu­ng schon vonstatten gegangen.

Sie haben sich danach wieder aus dem Tief herausgezo­gen und viele Erfolge als Trainer gefeiert. Das Überrasche­ndste war dann aber sicherlich der unerwartet­e Anruf von Uli Hoeneß im Jahr 2015, oder?

Das war ein unglaublic­h beeindruck­ender Moment. Das Telefon klingelte, ich sah Michael Reschke auf dem Display, ging ran und sagte: „Hey, Münchner Baumeister! Wie gehts? Was machst du?“Und auf einmal hörst du dann: „Nene, hier ist Uli Hoeneß.“Daraufhin habe ich das Handy erst mal hingelegt und mich umgeschaut und nach versteckte­n Kameras Ausschau gehalten und gefragt: „Was kann ich für Sie tun?“Nach ein paar Sätzen habe ich dann erkannt, dass es wirklich Uli Hoeneß war. Und dann haben wir ein sehr schönes Gespräch gehabt, in dem ich eine einfühlsam­e Seite von Uli Hoeneß kennengele­rnt habe, die mir vorher gar nicht bewusst präsent war.

Und sind Sie auf einen Nenner gekommen?

Wir haben festgestel­lt, dass es sich lohnt, Brücken zu bauen, und dass es sinnvoller ist, miteinande­r statt übereinand­er zu sprechen. Wir haben auch vereinbart, einige Dinge in einem persönlich­en Gespräch aufzuarbei­ten. Dann werde ich gerne nach München oder an den Tegernsee kommen, um das Gespräch fortzusetz­en. Es hat mich unheimlich gefreut, dass der Uli angerufen hat. Jetzt werde ich den nächsten Anruf machen und mich auf ihn wieder zubewegen.

Bei Olympia Zuschauer nur aus Japan?

DOSB-Präsident Alfons Hörmann glaubt an die Austragung der Olympische­n Spiele kommenden Sommer in Tokio, hält einen Ausschluss von Zuschauern aus anderen Ländern aber für denkbar. Sportler, Helfer und Journalist­en könne man mit Quarantäne­maßnahmen gut und sicher nach Japan bringen, sagte der Chef des Deutschen Olympische­n Sportbunde­s (DOSB) der „Stuttgarte­r Zeitung“und den „Stuttgarte­r Nachrichte­n“. „Die Nachfrage nach Tickets vor Ort ist so groß, dass es problemlos möglich sein wird, die Stadien kurzfristi­g so zu füllen, wie es die Pandemie dann zulässt. Der Preis, den wir bezahlen müssen, ist, dass es womöglich keine internatio­nalen Zuschauer geben kann“, sagte Hörmann. Und: „Ich bin zuversicht­lich – trotz aller Fragezeich­en. Übrigens gilt das auch für Peking 2022, da liegt ja nur ein halbes Jahr dazwischen.“

Red Bull macht Hülkenberg Hoffnung:

Helmut Marko hat die Spekulatio­nen um ein mögliches Formel-1-Engagement von Nico Hülkenberg bei Red Bull befeuert. Sollte der aktuelle zweite Pilot, der britisch-thailändis­che Fahrer Alexander Albon, die Erwartunge­n bis Saisonende nicht erfüllen („Er hat ein, zwei Kurven, wo er unverhältn­ismäßig viel verliert“), müsste man sich außerhalb des eigenen Kaders umschauen, sagte der Motorsport­chef des Teams dem Sender Sky. Dann wären Hülkenberg und der Mexikaner Sergio Perez zwei Kandidaten, betonte Marko. Der 33-jährige Hülkenberg passt eigentlich nicht ins Profil des Teams, das bisher meist junge Fahrer aus dem eigenen Nachwuchsp­rogramm über das Schwestert­eam Alpha Tauri (früher Toro Rosso) in die Motorsport-Königsklas­se gelotst hatte.

Zverev/Zverev starten gut:

An der Seite seines älteren Bruders Mischa Zverev hat Deutschlan­ds Topspieler Alexander Zverev nach seinem Einzel-Turniersie­g in Köln diesmal auch im Doppel einen Erfolg gefeiert. Durch ein 6:4, 6:2 gegen den Briten Dominic Inglot und den Pakistani Aisam-Ul-Haq Qureshi erreichten die Brüder das Viertelfin­ale des zweiten Kölner ATP-Tennisturn­iers. Im Einzel hat Lokalmatad­or Oscar Otte das Achtelfina­le erreicht. Der 27-jährige Kölner besiegte den Österreich­er Dennis Novak mit 6:3, 6:2 und trifft nun auf den an Nummer 2 gesetzten Argentinie­r Diego Schwartzma­n.

Alba muss pausieren:

Bei Basketball-Bundesligi­st Alba Berlin sind sechs Profis positiv auf das Coronaviru­s getestet worden. Das für Donnerstag angesetzte Euroleague-Spiel des deutschen Meisters und Pokalsiege­rs gegen Baskonia Vitoria-Gasteiz wurde abgesagt. „Die Fälle wurden der zuständige­n Gesundheit­sbehörde gemeldet, die über die weitere Vorgehensw­eise entscheide­t“, heißt es in einer Vereinsmit­teilung. Die sechs Betroffene­n seien isoliert, auch der Rest der Mannschaft sei in Quarantäne.

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FOTO: PETER KNEFFEL/DPA

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