Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Alles auf den Prüfstand

French-Open-Überraschu­ng Daniel Altmaier sucht seinen Weg auch im Tennisallt­ag

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KÖLN (dpa) - Der Höhenflug endete schnell, die Landung war hart, nun stellt Daniel Altmaier alles auf den Prüfstand. Nach seinem Achtelfina­leinzug bei den French Open schien der 22-Jährige auf einem guten Weg zum nächsten deutschen Tennisstar. Weil er so herzerfris­chend spielte und abseits des Courts genauso herzerfris­chend redete. Zwei Wochen nach dem Paris-Rausch saß Altmaier zerknirsch­t auf dem Podium in Köln und kündigte nach zwei Erstrunden­Niederlage­n in der Heimat eine Runderneue­rung an.

„Ich muss schauen, wo ich jetzt stehe“, sagte er nach der bitteren 1:6, 0:6-Lehrstunde gegen Jegor Gerassimow aus Belarus, immerhin auch gerade einmal die Nummer 85 der Weltrangli­ste. Er fühle sich „einen Tick leer“. Und weil Altmaier ehrgeizig ist und möglichst schnell und möglichst weit nach oben will, will er jetzt „die richtigen Entscheidu­ngen treffen“. Was nicht mehr und nicht weniger heißt, als dass Altmaier alles an sich und um sich herum hinterfrag­t.

Als er kurz vor dem ersten der beiden Turniere in Köln vor die Presse getreten ist, gerade aus Paris gekommen und von großer Euphorie getragen, versichert­e Altmaier noch, gut auf den Hype und die neue Situation vorbereite­t zu sein. „Wir haben im engsten Kreis immer darüber gesprochen, dass der Tag irgendwann kommt“, hatte er zu seinem Durchbruch gesagt. „Dass er so schnell kommt, hätte ich nicht gedacht. Aber ich war ready für die Situation und fühle mich darin sehr wohl.“

Nun muss er feststelle­n: Er hat doch eine völlig andere Welt betreten. „Ich spiele nicht mein erstes Turnier und nicht meine erste Saison“, sagte er. „Die ATP-Tour ist nicht komplett anders als die Challenger-Turniere. Aber man braucht mehr Erholung, mehr Schlaf, muss sich bewusst ernähren. All das muss als Routine laufen. Ich musste mich in den letzten Wochen sehr darauf fokussiere­n. Und das zieht Energie.“Deshalb müsse er nun mit seinem Team entscheide­n, „wann ich was spiele, wie ich den Tag gestalte, wie ich mich vorbereite“.

Zuletzt habe er „in drei Monaten nur zwei Tage Pause gehabt“. Deshalb sei eine derbe Niederlage wie gegen Gerassimow „menschlich“. Erleben will Daniel Altmaier solch ein Debakel trotzdem nicht mehr. „So etwas darf und soll nicht passieren“, stellte er klar. „Ich hasse solche Niederlage­n. Mit 1 und 0 vom Platz gehen – dafür spielt man nicht Tennis, das genießt man nicht.“

Am Morgen vor dem Spiel habe er im Training ein Ziehen im Knie gespürt, berichtete Altmaier. Das solle aber keine Ausrede sein, denn der eiligst konsultier­te Physiother­apeut hatte ihm versichert, dass es nichts Schlimmes sei. Doch die Nummer 124 der Weltrangli­ste war komplett verunsiche­rt. „Es passiert, dass man durch solche Sachen irritiert ist“, sagte Altmaier. „Aber damit muss man klarkommen. Ich bin nicht damit klargekomm­en. Das muss ich beim nächsten Mal sicher besser händeln.“

Mit seiner schonungsl­osen Analyse hielt Daniel Altmaier aber, was er vor dem Start in Köln versproche­n hatte: seine Gefühle offen nach außen tragen zu wollen. Sollte er nun die richtigen Lehren ziehen, könnte ihm die Bauchlandu­ng von Köln auf dem weiteren Weg nach oben mehr nutzen als der Rausch von Paris. Schon dort hatte der deutsche Herrentenn­isChef Boris Becker wohlwollen­d zur Kenntnis genommen: „Es gefällt mir, dass er demütig bleibt.“

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FOTO: MARIUS BECKER/DPA

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