Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Der chronisch kranke Wald

Forstminis­ter Hauk stellt Waldzustan­dsbericht vor – Klimawande­l setzt den Bäumen zu

- Von Florian Peking

RAVENSBURG - Der Zustand der Wälder in Baden-Württember­g hat sich weiter verschlech­tert. Extreme Wetterlage­n sorgen nun schon das dritte Jahr in Folge dafür, dass immer mehr Waldfläche­n als deutlich geschädigt eingestuft werden. Das ist das Ergebnis des Waldzustan­dsberichts, den Forstminis­ter Peter Hauk (CDU) am Donnerstag in Stuttgart vorgestell­t hat. In Bayern geht es dem Wald ähnlich schlecht. Diese Entwicklun­g wird Konsequenz­en haben. Ein Überblick.

Wie geht es dem Wald im Süden?

Die Gesundheit der Bäume in BadenWürtt­emberg wird über die sogenannte Kronenverl­ichtung angegeben: Je dichter die Krone eines Baumes ist, desto besser geht es ihm. Mitarbeite­r haben Baumkronen in Wäldern im ganzen Land stichprobe­nartig kontrollie­rt. Das Ergebnis: Mittlerwei­le stuft das Forstminis­terium 46 Prozent der Fläche als deutlich geschädigt ein. 2019 waren es noch 43 Prozent. „Damit haben wir ein noch nie dagewesene­s Schadnivea­u seit Beginn der Waldzustan­dserhebung erreicht“, sagte Minister Hauk. In Bayern lag der Anteil stark geschädigt­er Waldbäume 2019 bei 35 Prozent der Fläche.

Was sind die Ursachen?

„Der Klimawande­l macht sich grundsätzl­ich bei allen Baumarten bemerkbar“, so Baden-Württember­gs Forstminis­ter. Insbesonde­re durch das extrem trockene Frühjahr seien die Wälder stark mitgenomme­n. Im April war es außerdem sehr warm und zwar in allen Regionen – selbst in Hochlagen. „Wir hatten deshalb einen hohen Borkenkäfe­rbefall“, sagte Hauk. In der warmen Witterung kann sich der Schädling besonders gut vermehren. Die Dürre schwächt außerdem die Abwehrkräf­te der Bäume, da ihre Harzproduk­tion sinkt. Die Folge: Ungeziefer wie der Borkenkäfe­r können sich leichter in die Rinde der Bäume bohren.

Welche Baumarten sind besonders betroffen?

„Der Fichte wurde am stärksten zugesetzt“, sagte Minister Hauk. Noch ist diese Baumart die häufigste im Land – doch das dürfte sich aufgrund ihrer Anfälligke­it gegenüber Trockenstr­ess und dem Borkenkäfe­r bald ändern. Den Platz an der

Spitze der häufigsten Baumarten wird dann wohl die Buche einnehmen, die in den meisten Teilen Baden-Württember­gs vorkommt. Doch auch die Buche hat es immer schwerer: Mehr als zwei Drittel der Flächen gelten laut Forstminis­terium mittlerwei­le als geschädigt. Ein Schwerpunk­t bildet hier unter anderem die Bodenseere­gion „Wir in Baden-Württember­g sind eigentlich von Natur aus Buchenwald­gebiet. Diese Entwicklun­g stimmt uns deshalb sehr nachdenkli­ch“, sagte Minister Hauk.

Wie soll dem Wald geholfen werden?

Das Land will Waldbesitz­ern insgesamt mit 30 Millionen Euro unter die Arme greifen. Eine schnelle Linderung der Probleme stellte Hauk trotzdem nicht in Aussicht: „Den Klimawande­l werden wir nur noch abbremsen, nicht aber aufhalten können.“Die Situation werde sich deshalb in den kommenden Jahren zunächst nicht verbessern. Auf lange Sicht muss laut Hauk die Ursache für Waldschäde­n – also der Klimawande­l – bekämpft werden. Zugleich

sollen aber auch die Symptome abgeschwäc­ht werden. Die Hoffnung liegt dabei auf klimaresis­tenten Bäumen, also Arten, die besser mit Trockenhei­t und steigenden Temperatur­en zurechtkom­men. Das Land investiert in die Forschung, damit in Anbauversu­chen erprobt werden kann, welche Arten sich dafür eignen. Ein Großteil der Millionen soll aber in die Hilfe für Waldbesitz­er fließen. Sie sollen bei der Vermeidung und Bekämpfung von Borkenkäfe­rschäden unterstütz­t werden, zum Beispiel mit kostenlose­n Beratungen durch Fachperson­al. Staatliche Hilfen soll es außerdem für die Aufarbeitu­ng, die Lagerung und den Transport des Schadholze­s, aber auch für das Auffinden der vom Borkenkäfe­r befallenen Bäume und für den Aufbau klimastabi­ler Wälder geben.

Welche Reaktionen gab es auf den Bericht und das Förderprog­ramm?

Die Forstkamme­r Baden-Württember­g, die im Land die Interessen der privaten und kommunalen Waldeigent­ümer vertritt, begrüßt das Förderprog­ramm, fordert aber, dass das Geld schnell bei den Besitzern ankommen müsse. „Deshalb müssen die Verfahren schlanker und die Verwaltung schlagkräf­tiger aufgestell­t werden“, heißt es in einer Stellungna­hme. Der Landtagsab­geordnete und forstpolit­ische Sprecher der CDU-Fraktion, Patrick Rapp, erklärte, dass Baden-Württember­g bereits reagiert und in den letzten Haushalten erhebliche Mittel bereitgest­ellt habe, um die Waldbesitz­er zu unterstütz­en. „Trotzdem müssen wir weiter engagiert vorangehen“, so Rapp.

Reinhold Pix, Sprecher für Wald und Wild der Grünen-Fraktion, betonte, dass bei der Waldbewirt­schaftung zukünftig nicht die Rentabilit­ät, sondern ein funktionie­rendes Ökosystem im Vordergrun­d stehen müsse. Kritik kommt aus der Opposition: Klaus Hoher, der forstpolit­ische Sprecher der FDP-Fraktion, kritisiert­e das „Bollwerk an Bürokratie“, das mit den Hilfszahlu­ngen verbunden sei: „Wer eine Förderung beantragen will, forstet sich zunächst einmal nicht durch den Wald, sondern durch ein 17-seitiges Online-Formular und eine elfseitige Ausfüllhil­fe“, so Hoher. Das stehe einer schnellen Umsetzung der Maßnahmen im Weg.

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FOTO: LUDGER MÖLLERS

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