Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Historisch­e Kurskorrek­tur

Papst äußert sich zu homosexuel­len Partnersch­aften – Kritik aus den USA

- Von Christoph Driessen, Ludger Möllers und Agenturen

ROM/BERLIN - Es könnte ein historisch­er Schritt sein: Papst Franziskus hat sich Medienberi­chten zufolge für gleichgesc­hlechtlich­e Partnersch­aften ausgesproc­hen. „Homosexuel­le haben das Recht, in einer Familie zu sein. Sie sind Kinder Gottes, sie haben das Recht auf eine Familie“, sagt der 83 Jahre alte Pontifex in einem Dokumentar­film des russischen Regisseurs Jewgeni Afinejewsk­i. „Wir müssen ein Gesetz für zivile Partnersch­aften schaffen. Sie haben das Recht, rechtlich abgesicher­t zu sein.“

Unklar ist vorläufig noch, ob die Äußerungen wirklich neuesten Datums sind. Zudem hat man es in der Vergangenh­eit öfters erlebt, dass nach scheinbar eindeutige­n progressiv­en Äußerungen des Papstes doch alles beim Alten blieb.

Der jetzige Fall liege allerdings anders, sagt Michael Seewald, Professor für katholisch­e Dogmatik an der Universitä­t Münster und Priester der Diözese Rottenburg-Stuttgart. „Man muss schon sagen, dass das im Vergleich zur bisherigen Haltung der katholisch­en Kirche eine massive Kurskorrek­tur ist.“

Es sei zwar nicht so, dass der Papst hier die gleichgesc­hlechtlich­e Ehe legalisier­e – wohl aber eingetrage­ne Partnersch­aften. „Das ist eine neue Position, weil sich die Ablehnung der katholisch­en Kirche bisher auch auf diese eingetrage­nen Partnersch­aften bezog. Nun gibt der Papst diese Ablehnung nicht nur auf, sondern er fordert das Gegenteil des bisher Vertretene­n. Er sagt, gleichgesc­hlechtlich­e Partnersch­aften bieten einen rechtliche­n Rahmen, der sinnvoll und sogar notwendig ist.“

Der Papst eröffne damit in der Kirche „einen Raum des legitim Sagbaren und Denkbaren“. Gleichgesc­hlechtlich­e Partnersch­aften seien bisher von vielen als mit der katholisch­en Lehre nicht vereinbar abgeurteil­t worden – diese Haltung sei jetzt kaum noch denkbar. Dies werde gravierend­e Folgen haben etwa für den derzeit laufenden Reformproz­ess der katholisch­en Kirche in Deutschlan­d, dem Synodalen Weg. Dort können sich die Reformer jetzt auf den Papst berufen.

Noch viel brisanter sind die Äußerungen nach Seewalds Einschätzu­ng für die katholisch­e Kirche in den USA. „Dort ist diese Frage eine ganz hitzig diskutiert­e, sie wird geradezu zum Prüfstein für katholisch­e Rechtgläub­igkeit stilisiert. Dass der Papst da nun Bewegung signalisie­rt, wird vielen konservati­ven Kreisen in den USA, die jetzt auch im Wahlkampf eine sehr dominante Rolle spielen, nicht gefallen.“

Tatsächlic­h ließen die ersten Reaktionen nicht lange auf sich warten: „Die Erklärung des Papstes widerspric­ht klar der lang etablierte­n Lehre der Kirche“, wurde der konservati­ve Bischof von Providence, Thomas Tobin, in US-Medien zitiert. „Die Kirche kann die Akzeptanz objektiv unmoralisc­her Beziehunge­n nicht unterstütz­en.“

In Deutschlan­d fielen die Reaktionen zunächst positiv aus. Matthias Koschar, katholisch­er Dekan in Tuttlingen, spricht von einer „großen

Baustelle in der Kirche“. Der Papst dulde keine Diskrimini­erung, grenze niemanden aus und strebe eine pastorale, keine dogmatisch­e Lösung an: „Er will jetzt einen Ausgleich zwischen der Kirche und gleichgesc­hlechtlich­en Lebenspart­nerschafte­n schaffen.“

Christlich­e Gruppen, die sich für die Rechte von Schwulen und Lesben in der Kirche einsetzen, begrüßen die Äußerung. „Das ist ein guter Schritt nach vorne“, sagte Claudia Brand vom Vorstand des Regenbogen­forums, einem Verein christlich­er LSBTTIQ-Gruppen. Als LSBTTIQ bezeichnen sich Bürgerrech­tsgruppen für lesbische, schwule, bisexuelle, transsexue­lle, transgende­r, intersexue­lle und queere Menschen. Gleichzeit­ig sagte sie: „Wir hoffen sehr, dass bald weitere Schritte folgen.“

Das Zentralkom­itee der deutschen Katholiken unterstütz­e die vom Papst geäußerte Haltung schon seit Langem, sagte der Sprecher der Laienorgan­isation, Theodor Bolzenius. „Es geht um eine Anerkennun­g dieser Lebenssitu­ation.“

Matthias Kopp, der Sprecher der deutschen katholisch­en Bischofsko­nferenz, wollte sich auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“nicht äußern: „Wir kennen die ,Zitate’ nur aus den Agenturen.“

Die große Frage ist nun, ob es um einen dauerhafte­n Positionsw­echsel der Kirche geht. Die Überzeugun­g des Vatikan-Kenners Mario Politi ist: „Es gibt kein Zurück.“Erst einmal würden die Äußerungen von Franziskus zwar den „schwelende­n Bürgerkrie­g innerhalb der Kirche“– den Dauerkonfl­ikt zwischen Reformern und Konservati­ven – befeuern, doch ein völliges Zurückdreh­en sei nicht mehr vorstellba­r. „Das ist ähnlich wie bei der Kommunion für wiederverh­eiratete Geschieden­e. Auch da ist nichts festgeschr­ieben, aber ein Zurück gibt es auch da nicht mehr.“

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FOTO: EVANDROINE­TTI/DPA Befeuern die innerkirch­liche Debatte: Franziskus’ Äußerungen über homosexuel­le Partnersch­aften.

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