Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Langes Warten auf das E-Bike
Die Nachfrage nach Fahrrädern ist in Corona-Zeiten weiterhin riesig, doch die Lieferzeiten werden immer länger
RAVENSBURG - Mit dem Fahrrad fährt es sich virenfrei zur Arbeit, die Maskenpflicht in Bus und Bahn lässt sich umgehen. Überhaupt sind die Menschen in der Corona-Krise viel draußen an der frischen Luft – auf dem Sattel eben. In der Corona-Krise erfährt das Fahrradfahren einen Boom, wie ihn die Branche nicht vorhersehen konnte. Am Donnerstag zog sie bei einer digitalen Konferenz eine erste Bilanz des CoronaJahres und blickte auch auf die Herausforderungen des Fahrradmarktes 2021.
David Eisenberger vom ZweiradIndustrie-Verband (ZIV) teilte mit, dass von Januar bis Juni, also im ersten Halbjahr dieses Jahres, 3,2 Millionen
Fahrräder und E-Bikes verkauft wurden. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sei das ein Plus von 9,2 Prozent. Zum Umsatz könne er noch keine konkreten Angaben machen, aber auch hier geht er von einem „signifikanten Plus“aus – im Jahr 2019 lag der Umsatz bei rund vier Milliarden Euro.
Die hohe Nachfrage nach Fahrrädern und vor allem E-Bikes steht allerdings stockenden Warenflüssen gegenüber. Der Lockdown habe dazu geführt, dass die Lieferketten unterbrochen wurden. Und bis heute habe sich die Lieferfähigkeit nicht wieder erholt. „Die Lager sind ratzeputze leer“, sagte Eisenberger. Jörg Müsse, Geschäftsführer des Einkaufsverbunds Bike&Co., sagte, dass man sich selbst bei banaleren Produkten
wie Sätteln auf eine Wartezeit von zwölf bis 14 Monaten bis zur Auslieferung einstellen müsse. Wer sich als Kunde beim Fahrradkauf dann auch noch auf bestimmte Farben oder Modelle versteift, muss teilweise noch länger warten. Beim Hersteller von Fahrradzubehör Ortlieb aus dem bayerischen Heilbronn arbeite man beispielsweise bereits im Drei-Schicht-Betrieb, um der Nachfrage überhaupt gerecht zu werden.
Die Produktionsplanung sei damit für die Branche herausfordernder denn je, sagte David Eisenberger vom ZIV. Das werde sich auch im kommenden Jahr nicht ändern. Dabei sei es aber gar nicht sicher, ob die Kaufkraft der Kunden im kommenden Jahr überhaupt weiter anhalte, da die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie noch nicht vollends absehbar seien. In Bezug auf das restliche Jahr 2020 und das kommende Jahr gebe es also noch viele Unsicherheiten, sagte Eisenberger.
Sorgen bereitet der Branche zusätzlich, dass ein wichtiges Treffen in diesem Jahr nun endgültig ausfällt. Die bereits auf November verschobene internationale Fahrradmesse Eurobike in Friedrichshafen am Bodensee musste wegen der steigenden Infektionszahlen abgesagt werden. Das sei ein herber Verlust für die Branche, teilten Hersteller und Händler am Donnerstag einstimmig mit. „Wir brauchen dringend Formen, um persönlich zusammenzukommen“, sagte Albert Herresthal, vom Verbund Service und Fahrrad. Das sei enorm wichtig für den wirtschaftlichen Erfolg der Branche.