Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Wohl eher keine Rad-Autobahn für die Alb
Realistisch im Großraum Ulm – Biberacher und Alb-Donau-Region wollen Nachbesserung
ULM/REGION - Autobahnen gelten als gestrig, manche meinen gar, man dürfte keine neuen Autobahnen mehr bauen in Deutschland. Die Zukunft soll dem Fahrrad gehören – deshalb ließ der Regionalverband Donau-Iller prüfen, in welchen Gebieten der Region schnelle Radverbindungen eingerichtet werden könnten. Das Ergebnis sorgt im AlbDonau-Kreis und im Kreis Biberach für Ernüchterung.
Seine Freude über das in der Sitzung des Planungsausschusses des Regionalverbandes Donau-Iller am Dienstag vorgestellte Ergebnis konnte Thorsten Freudenberger, Landrat des Kreises Neu-Ulm, nicht verhehlen. Er forderte: Schnell müsse man nun „zu Potte kommen“. Außerdem bot Freudenberger seinen Landkreis direkt an, um eine erste Radschnellverbindung einzurichten. „Wir stehen für einen Pilotversuch zur Verfügung.“Seine Begeisterung ist allerdings kein Wunder. Die präsentierte „Potenzialanalyse für Radschnellverbindungen in der Region DonauIller“sieht vor allem zwischen Ulm und dem Kreis Neu-Ulm große Chancen, dass viele Bürger vom Auto auf das Rad umsatteln, wenn entsprechende Radinfrastruktur errichtet wird.
Radschnellverbindungen – kurz: RSV – gelten diesbezüglich als der „höchste Standard“in Deutschland, erklärte den Mitgliedern des Planungsausschusses des Regionalverbandes Tim Hilgert. Sein Büro, die Firma Inovaplan, hatte die Potenzialanalyse auf Wunsch des Regionalverbandes erstellt, der erkannt hat, dass immer mehr Bürger auf Drahtesel umsteigen. Und das schon vor der Pandemie. Radeln ist günstig, gesund und schont die Umwelt. Doch damit es läuft, brauchen auch Räder mehr Platz. Radschnellverbindungen, umgangssprachlich auch „RadAutobahnen“genannt, sind mindestens vierspurig und vier Meter breit. Die Radler sollen sich in beide Richtungen gefahrlos überholen können, wie eben auf echten Autobahnen. Weitere Parallele: Auch Rad-Autobahnen sollten möglichst ohne Kreuzungen verlaufen. Denn ihre Nutzer sind vor allem Pendler, die zur Arbeit und wieder zurück radeln. Die bräuchten „höhere Reisegeschwindigkeiten“als etwa Radtouristiker, bei denen der Weg das Ziel ist.
Sechs grobe Korridore für mögliche Radschnellverbindungen haben die Planer in der Region ausgemacht. Sie alle verlaufen sternförmig auf Ulm zu: Zwei auf bayerischer und vier auf baden-württembergischer Seite. Letztere decken die Schienen ab: Langenau-Ulm, Laichingen-Ulm, Riedlingen/Ehingen-Ulm und Biberach-Ulm. Ergebnis der Analyse: Die größten Potenziale befänden sich in der Nähe von „zentralen Orten“, insbesondere „in unmittelbarer Nähe zum Doppelzentrum Ulm/NeuUlm“. Einer Rad-Autobahn von Senden nach Ulm wird das größte Potenzial bescheinigt. Mehr als 2000 Radler könnten auf einer solchen „Kategorie-A-Strecke“im Jahr 2030 täglich unterwegs sein.
Deutlich weniger groß, so die Studienmacher, dürfte der Andrang hingegen zwischen jeweils Biberach, Ehingen sowie Laichingen und Ulm sein. Sie stufen die meisten Abschnitte dieser Korridore als Wege der Klasse „B2“und „C“ein.
Die Studie hat auch eine abschließende Empfehlung an die Politik parat. Sie schlägt vor, lediglich verhältnismäßige kurze Strecken als Radschnellverbindungen einzurichten. Und zwar zwischen jeweils Blaustein, Erbach, Illertissen oder Elchingen und Ulm.
Dementsprechend waren die Reaktionen. Vertreter aus dem Raum Biberach monierten, dass das Potenzial zwischen Biberach und Ummendorf gar nicht untersucht worden sei. Dabei seien gerade auf dieser Strecke viele Radler unterwegs. Tatsächlich mussten die Studienmacher zugeben: Diesen Bereich hatten sie gar nicht auf dem Schirm. Sie seien davon ausgegangen, dass Ummendorf nicht mehr im Kreis Biberach und damit außerhalb des Untersuchungsgebiets
liege. Auch Heiner Scheffold, Landrat des Alb-DonauKreises, war nicht gänzlich zufrieden. Er vermisste einen eigenen Korridor entlang der B10.
Bis eine erste Rad-Autobahn in der Region eingerichtet wird, dürfte noch ein Weilchen vergehen. Zunächst soll sich die große Versammlung des Regionalverbandes mit der Potenzialanalyse beschäftigen. Deren Bedeutung aber nicht unterschätzt werden sollte. Zwar ist es Kommunen und Kreisen unbenommen, die Radinfrastruktur auf eigene Faust (und aus eigener Kasse heraus) zu verbessern. Wichtige Zuschüsse lassen sich jedoch nur generieren, wenn der Nutzen des Wunschprojekts auch mit Zahlen untermauert werden kann. Thorsten Freudenberger, Landrat des Kreises Neu-Ulm, hat diese Möglichkeit jetzt.