Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Kindermedienexpertin macht Lust aufs Vorlesen
Christine Kranz stellt eine Vielzahl empfehlenswerter Bücher vor – Lesestoff von Heute unterscheidet sich sehr von dem von Gestern
LAICHINGEN (sz) - Der Förderverein der Stadtbücherei plant für den bundesweiten Vorlesetag eine VorleseAktion an der Erich-Kästner-Gemeinschaftsschule und an der Martinschule und hatte am vergangenen Freitag zu einer Vorbereitungsveranstaltung ins Alte Rathaus eingeladen. Fördervereinsvorsitzender Friedemann Schlumberger bedankte sich in seiner Begrüßung bei allen Freiwilligen, die gekommen waren und sich dazu bereit erklärt hatten, am 20. November beim größten Vorlesefest Deutschlands mitzumachen.
Auch freute er sich, dass man mit Christine Kranz, die aus Mainz angereist war, eine Fachfrau für das Thema Vorlesen und Leseförderung gefunden hatte. Mit Kinder- und Jugendbüchern und –medien kenne sie sich bestens aus. Immerhin sei sie seit vielen Jahren für die Leseempfehlungen der Stiftung Lesen verantwortlich und lese jedes Jahr 600 bis 800 Kinderbücher.
Entscheidend sei, das betonte Christine Kranz bereits zu Beginn ihres Vortrages, die Lesemotivation von Kindern. Und die könne man am besten fördern, indem man Kindern von klein auf vorlese: „Alle einschlägigen Studien zeigen, dass das lesende Vorbild, der spielerische Umgang mit Büchern und das Vorlesen im Elternhaus einen wesentlichen Teil dazu beitragen, dass Kinder und Jugendliche später Freude am eigenen Lesen haben“, so Kranz. „Kinder die so aufwachsen, sind später besser in der Schule, weil sie über die Lesemotivation auch die Lesekompetenz trainieren, die in allen Fächern gebraucht wird“, ergänzte sie.
Vorlesen sei ein Gesamtförderpaket, das nichts koste und das sich positiv auf den Wortschatz, die Konzentration, phonologisches Bewusstsein, die Schriftsprache, die Kommunikation und das Fachwissen von Kindern auswirke.
Bei der Auswahl von Vorlesebüchern sollten vor allem Lesevorlieben berücksichtigt werden. Ihr Credo: „Kinder haben ihren eigenen Geschmack. Den gilt es zu berücksichtigen.“Auf dem aktuellen Buch- und Medienmarkt gebe es zahlreiche Trends, mit denen man bei Kindern die Lust auf Bücher wecken könne:
„Nutzen Sie das ganze Angebot“, motivierte die Fachfrau ihr Publikum.
„Insbesondere altersgerechte Kindersachbücher zum Forschen und Entdecken eigneten sich laut Kranz, um Kinder zu faszinieren. Als Beispiel nannte sie „Mein weit gereister Erdbeerjoghurt“von Annette Maas. Wichtig sei, das Gelernte neben dem Vorlesen oder hinterher praktisch umzusetzen. Beim gemeinsamen Lesen einer Detektivgeschichte also mit unsichtbarer Tinte aus Zitronensaft zu experimentieren. Auch „schräge“Interessen der Kinder sollten laut Kranz mit passenden Sachbüchern gefördert werden. So sei das Buch „Die Kackwurstfabrik“von Marja Baseler ein Hit. Dort wird erklärt, wie ebendiese Würste entstehen. „Danach kennen sich die Kinder bestens mit Verdauung aus.“
Begeistert ist Christine Kranz, die auch Mutter von vier Söhnen ist, von Büchern ohne oder mit wenig Text. Nur Bilder – von wegen, hier sei das Spiel mit Worten angesagt. Neben den vielleicht bekanntesten Werken von Ali Mitgutsch stellte sie eine Vielzahl weiterer empfehlenswerter Bücher vor, die Sprechanlässe fördern. Aber auch mit „mediennahen“Figuren, die Kinder aus dem Fernsehen kennen, könne man an die Vorlieben von Kindern anknüpfen, so zum Beispiel mit der „Eiskönigin“, „Marvel Avengers“oder „Lego Ninjago“.
Moderner Lesestoff unterscheide sich grundlegend von dem, was bei der heutigen Eltern- oder Großelterngeneration im Bücherregal stand. Christine Kranz warnt ausdrücklich davor, die eigenen Lesevorlieben auf die Kinder zu übertragen. „Ich werde Ihnen heute Abend nicht nur Sachen zeigen, die Sie schön finden.“
Die Expertin riet außerdem, sich dem Thema Digitalisierung nicht zu verschließen. Etwa ab dem zwölften Lebensjahr bekomme man Kinder kaum noch von Apps und Spielen weg. Es gebe jedoch auch beliebte Computerspiele, wie zum Beispiel „Minecraft“, anhand derer Kinder viel lernen können. Eltern müssten diese verstehen und sie gemeinsam mit den Kindern nutzen. Ein Pixie-Buch über Minecraft biete einen einfachen Einstieg.
Wärmstens empfohlen hat Kristine Kranz bei ihrem Besuch in Laichingen den Einsatz von Kamishibai, einem Erzähltheater, das aus einem Wechselrahmen mit Flügeltüren besteht und Raum für Bildkarten bietet, die im Rahmen einer Vorlesesituation hintereinander heraus gezogen werden könne: „Damit schaffen Sie eine angenehme Atmosphäre, die zu jeder Vorlesesituation gehört.“