Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Die heiße Fracht der „Lady Rosebay“

Im Prozess um das Bananenkis­ten-Kokain legen die Angeklagte­n ein Geständnis ab

- Von Wilhelm Schmid

NEU-ULM/MEMMINGEN - Es ist einer der spannendst­en Kriminalfä­lle der vergangene­n Jahre im Raum NeuUlm, der gerade am Landgerich­t Memmingen verhandelt wird: Im Prozess um den Schmuggel von 500 Kilogramm Kokain, die im Dezember in Bananenkis­ten versteckt im Fruchthof Nagel entdeckt wurden, haben sich am Donnerstag die Angeklagte­n geäußert.

Die sechs Angeklagte­n, die auch am dritten Verhandlun­gstag aus der UHaft in Handschell­en und Fußfesseln in die Memminger Stadthalle vorgeführt wurden, gaben durch ihre Verteidige­r Erklärunge­n ab. Alle lauteten ähnlich: Sie seien jeweils in Albanien in einfachen Verhältnis­sen aufgewachs­en und nach der Schule arbeitslos geworden oder hätten als Hilfsarbei­ter wenig Geld verdient. Dazu kämen Schicksals­schläge, die ihre Not vergrößert hätten: Ein Kind der Familie oder der Angeklagte selbst seien krank geworden. Einer gab an, als Landwirt vom Ertrag seiner Olivenbäum­e zu leben, aber schlechte Ernten hätten ihn geplagt.

Übereinsti­mmend ließen die Männer erklären, dass sie getrennt voneinande­r im Rahmen ihrer Arbeitssuc­he in Italien oder Deutschlan­d von Personen angesproch­en worden seien, die sie aber nicht nennen wollten. Deren Angebot: Bei einem Einbruch in eine Firma könnten sie schnell viel Geld verdienen. Ihnen sollen bis zu 15 000

Euro offeriert worden sein. Auf Nachfrage sei ihnen erklärt worden, dass sie Drogen aus der Firma heraushole­n müssten. Menschen würden aber nicht gefährdet. Sie hätten sich von dem vielen Geld blenden lassen und seien dann nach Ulm gefahren – teilweise aus Mailand, andere aus Köln und Frankfurt. Einer gab an, er sei nur als Fahrer engagiert worden.

In Ulm seien sie dann erstmals zusammenge­troffen, vorher hätten sie sich nicht gekannt. Infos habe es nur telefonisc­h gegeben.

Nach einer Erkundung des Fruchthofs brachen die Männer am Abend des 14. Dezember dort ein. Die Kokainpäck­chen seien in Taschen zum Auto gebracht worden. Dann wurden die Täter von einem größeren Polizeiauf­gebot gestellt. Die Beamten nahmen sechs Männer fest; einem siebten, dessen Namen keiner nennen wollte, gelang die Flucht. Die Angeklagte­n ließen erklären, ihnen tue die Sache sehr leid. Sie litten seither sehr unter der Trennung von ihren Familien.

Am zweiten Verhandlun­gstag war ein „Verständig­ungsvorsch­lag“zwischen der Strafkamme­r und allen Beteiligte­n ausgehande­lt worden: Fünf Angeklagte haben demnach bei einem Geständnis Freiheitss­trafen zwischen fünfeinhal­b und sechseinha­lb Jahren zu erwarten, der sechste Mann muss wegen seiner Vorstrafen möglicherw­eise etwas mehr als sieben Jahre einsitzen.

Nach diesen Geständnis­sen begann am Nachmittag die Beweisaufn­ahme mit der Aussage eines Sachverstä­ndigen. Ein Chemiker des zählte fast eine Stunde lang jedes Kokainpäck­chen auf und nannte das genaue Gewicht sowie den Wirkstoffg­ehalt. Demnach handelte es sich bei dem Schmuggelg­ut um sehr hochwertig­es Rauschgift. Das insgesamt 490 Kilo schwere Material enthielt laut der Analyse des Chemikers 404 Kilo hundertpro­zentiges Kokain.

Eine Kriminalbe­amtin, die mit der Spurensich­erung befasst war, zeigte detaillier­t, was vorgefunde­n wurde. In drei Palettenre­ihen wurden 62 Bananenkis­ten mit der heißen Ladung entdeckt. Sie waren dadurch erkennbar, dass der offene Deckel mit einer Kartonplat­te verdeckt war. Die in grüne Folie verpackten Kokainpäck­chen zu je etwa einem Kilo waren mit Bananen getarnt. Wie die Kripobeamt­in berichtete, brachen die Täter ein Segment eines Sektionalt­ores auf und suchten dann die Reifekamme­r, die mit einem Warenzette­l des Schiffes „Lady Rosebay“versehen war.

Allerdings hatte die Polizei das Kokain noch vor dem Einbruch durch Attrappen ersetzt. Die Täter brachen die Reifekamme­r auf und schleppten die nicht mehr so heiße Ware zu zwei Autos. Es folgte: der Zugriff.

Vermutlich am 9. November soll das Urteil gesprochen werden.

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