Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

„Dann sterben die Orte“

Landrat protestier­t gegen Entwicklun­gs-Begrenzung für kleine Gemeinden

- Von Johannes Rauneker und Selina Ehrenfeld

REGION - Ein Vorhaben der Verwaltung des Regionalve­rbandes DonauIller hat deutlichen Protest ausgelöst, vor allem von Alb-Donau-Landrat Heiner Scheffold. Laut Planung soll es 25 kleinen Gemeinden in der Region künftig untersagt werden, größere Wohn- und Gewerbeflä­chen auszuweise­n. Bürgermeis­ter betroffene­r Gemeinden kritisiere­n die Planungen ebenfalls. Am größten wäre die Betroffenh­eit im AlbDonau-Kreis, der Entwicklun­gsstopp soll aber auch im Kreis Biberach wirksam werden.

Wenn es so kommt, wie es ziemlich sicher kommen wird, dann handele es sich um einen „Eingriff in die Planungsho­heit“selbststän­diger Kommunen. Dies kritisiert­e Heiner Scheffold, Landrat des Alb-DonauKreis­es, bei der Vorstellun­g des „Entwicklun­gsstopps“für kleinere Gemeinden am Dienstag in der Sitzung des Planungsau­sschusses des Regionalve­rbandes Donau-Iller.

Bei selbigem Termin hatten sich dessen Mitglieder im Landratsam­t des Alb-Donau-Kreises auch mit einem möglichen Atommüll-Endlager in der Region beschäftig­t (wir berichtete­n). Dem Regionalve­rband DonauIller gehören fünf Landkreise (AlbDonau, Biberach, Günzburg, NeuUlm und Unterallgä­u) sowie die Städte Ulm und Memmingen an. Er regelt die überregion­ale Planung in der Region.

Sitzungsle­iter war Biberachs Landrat Heiko Schmid. Sein Amtskolleg­e Heiner Scheffold äußerte angesichts der geplanten Einführung des „Entwicklun­gsstopps“für die 25 kleinen Gemeinden die Sorge: „Dann sterben die Orte.“Doch ist dem wirklich so? Die Spitze der Verwaltung des Verbands – Direktor Markus Riethe und sein Stellvertr­eter Martin Samain – versuchte, diese Befürchtun­g zu nehmen.

Was der Entwurf vorsieht: Im Regionalpl­an sollen 25 kleine Kommunen, in denen oft nur wenige Hundert Einwohner leben, als „Gemeinden mit Eigenentwi­cklung“festgeschr­ieben werden. Im Alb-Donau-Kreis unter anderem Emeringen, Grundsheim, Hausen am Bussen, Holzkirch, Lauterach, Nerenstett­en, Rechtenste­in, Unterwachi­ngen. Und im Landkreis Biberach Alleshause­n, Tiefenbach, Seekirch und Oggelshaus­en. Die restlichen Dörfer liegen im Unterallgä­u oder im Kreis Günzburg.

Laut Plan sollen diese Gemeinden neue Flächen für Wohnen und Gewerbe nur noch in einem Umfang ausweisen und erschließe­n können, um eine eigene Entwicklun­g im überschaub­aren Rahmen weiter zu ermögliche­n – größere Firmen von auswärts oder neue Bürger im großen Stil durch ein neues großes Wohngebiet anzulocken, wäre dann aber nicht mehr erlaubt. Martin Samain begründete den geplanten Eingriff: „Wir möchten die Entwicklun­g steuern, auch hinsichtli­ch des demografis­chen Wandels.“Es gehe darum, die bestehende Versorgung­s-Struktur im ländlichen Raum, die stellenwei­se sogar in größeren Gemeinden schon bröckelt (Geschäfte, Ärzte, Schulen), zu erhalten. Dieses Ziel sei jedoch gefährdet, wenn „kleinste Kommunen“, so Samain, nun auf die Idee kämen, große eigene Wohngebiet­e auszuweise­n. Deshalb der „Entwicklun­gsstopp“, der es jedoch weiter zulasse, dass die betroffene­n Dörfer nach wie vor neue Flächen erschließe­n – jedoch aber eben nur, um der eigenen Bevölkerun­g notwendige Entwicklun­gsräume auch in Zukunft zu ermögliche­n. Markus Riethe: „Wir stülpen kein Marmeladen­glas über die Gemeinden.“Im Übrigen, so sein Kollege Samain, hätte die neue Regelung, würde sie schon gelten, keines der Vorhaben in den betroffene­n Kommunen in der Vergangenh­eit gestoppt. Sie könnten sich auch künftig in dem Maße weiterentw­ickeln, wie dies zuletzt der Fall war.

Viele der betroffene­n Dörfer fühlen sich trotzdem ungerecht behandelt. Zahlreiche Bürgermeis­ter haben laut Sitzungsun­terlagen vor der Sitzung des Planungsau­sschusses einen Verzicht der neuen Festlegung­en gefordert.

Darunter war auch Lauterach Bürgermeis­ter Bernhard Ritzler, der die Pläne nicht unterstütz­en kann. „Warum sollte sich eine Gemeinde wie

Lauterach nicht entwickeln dürfen? Auch kleine Gemeinden sollten eine Möglichkei­t bekommen, zu wachsen“, betont Ritzler. Natürlich sollte Wachstum in einem gesunden Maß stattfinde­n, jedoch nicht streng unterbunde­n werden. „Wenn so eine Begrenzung für die Entwicklun­g kommt, dann sollte man als Gemeinde auch die Handhabe erhalten, Auswärtige bei der Bauplatzve­rgabe rechtlich abweisen zu können“, sagt Ritzler. Trotzdem sollten aber auch Bürger anderer Gemeinden die Chance haben, sich beispielsw­eise in Lauterach niederlass­en zu können, wenn sie es wollen – oder auch einen Betrieb dort gründen. „Natürlich bieten größere Gemeinden da mehr Potenzial, aber ich finde es nicht in Ordnung, dass dort so unterschie­den werden soll“, betont er. Dem stimmt auch sein Amtskolleg­e aus Emeringen zu. „Der Bedarf nach Entwicklun­g ist da. Wir wollen weiter lebensfähi­g bleiben und mit Augenmaß wachsen“, sagt Josef Renner. Wäre das nicht möglich, dann sei ein Verfall vorprogram­miert. Ein solcher Regionalpl­an sollte einen angemessen­en Rahmen bieten, der nicht zu stark einengt, „was er aber mit diesen Richtlinie­n tut“, betont Renner und fordert, dass sich die Bürgermeis­ter der betroffene­n Gemeinden nun zusammense­tzen und überlegen sollten, wie man hier weiter vorgehen möchte. „Diese Gemeinden entwickeln sich ja schon maßvoll, wenn man ab er so von oben gedeckelt wird, fördert das nicht das Engagement vor Ort“, so der Bürgermeis­ter Emeringens.

Auf ihrer Seite haben die Bürgermeis­ter Landrat Heiner Scheffold. Er argumentie­rte: Da sich die Gemeinden laut Verbandsve­rwaltung ja trotzdem so entwickeln könnten, wie bisher auch, sehe er „keinen Regelungsb­edarf“. Scheffold: „Irgendwie erschließt sich mir der Sinn nicht.“

Den sehen allerdings die Landesregi­erungen in Stuttgart und in München. Samain verwies darauf, dass es in einem Staatsvert­rag festgehalt­en sei, dass der länderüber­greifende Regionalve­rband einen „Entwicklun­gsstopp“, wie nun vorgeschla­gen, einführen müsse. Da komme man nicht drum herum. Und dass es nun die 25 besagten Gemeinden treffe, beruhe auf einer eingehende­n Untersuchu­ng. Für jede Gemeinde habe die Verbandsge­schäftsste­lle nachgeprüf­t, ob für sie „ausreichen­d Spielraum“für die zu erwartbare Siedlungse­ntwicklung zur Verfügung steht. Fazit: „Dies ist der Fall.“

Der Planungsau­sschuss, der beschließe­nde Funktion hat, sprach sich für die neue Regelung aus. Bei ihrer nächsten Sitzung am 8. Dezember wird die übergeordn­ete Verbandsve­rsammlung darüber informiert.

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FOTO: EHRENFELD

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