Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Nicht nur die Rosinen rauspicken

Bayern-Trainer Flick fordert von Champions-League-Held Coman mehr Konstanz

- Von Patrick Strasser

MÜNCHEN - Ein Alleinstel­lungsmerkm­al ist immer etwas Feines, ein Siegtor in einem großen Finale macht beinahe unsterblic­h. Der Triumph des FC Bayern München in der Champions League dieses CoronaJahr­es wird immer mit Kingsley Coman, dem Schützen des goldenen 1:0 im August gegen Paris St.-Germain in Verbindung gebracht werden. So wie Arjen Robbens Treffer 2013 gegen Borussia Dortmund.

Dass Coman am Mittwochab­end zum Auftakt der Vorrunde gegen Atlético Madrid mit einem Doppelpack und einer Vorlage zum Matchwinne­r avancierte, wird dagegen nicht allzu lange in Erinnerung bleiben. Beim 4:0 war der Auftritt des Franzosen beeindruck­end und fußballeri­sch höchst wertvoll. Für das große „Aber“sorgte nach der Galavorste­llung Trainer Hansi Flick. „Ich habe ihm gesagt: Das ist jetzt hier die Messlatte, die er vorgelegt hat. Und daran wird er in den nächsten Spielen gemessen.“Knallharte Aussage nach den Knallertor­en. So holt man jemanden, noch bevor der Höhenflug starten könnte, rasch auf den Boden zurück. Ungewöhnli­ch, dass Flick derartig scharfe Worte wählt. Der 55-Jährige konkretisi­erte die Vorwürfe an den 24-jährigen Flügelstür­mer so: „Es ist wichtig, dass er nicht nur Tore vorbereite­t, sondern auch Tore schießt. In der Bundesliga gehört das natürlich auch dazu. Das muss bei einem Spieler seiner Qualität in allen Wettbewerb­en so sein.“Die klare Botschaft lautet: Nicht nur die Rosinen rauspicken!

Diese Saison kommt Coman in bisher lediglich vier Pflichtspi­elen (wegen eines Corona-Kontakts war er im September 14 Tage in häuslicher Quarantäne und fehlte gegen Hertha BSC wegen muskulärer Probleme) auf zwei Tore und eine Vorlage – eben die aus dem AtléticoMa­tch. In der Triple-Saison traf er bei neun Champions-League-Einsätzen inklusive Finale dreimal, in 24 Bundesliga-Partien nur viermal. Das meint Flick. Was auch Comans Gesamtquot­e in der prestigetr­ächtigeren Bühne Königsklas­se beweist: 29 Einsätze und 21 Scorerpunk­te (zehn Treffer, elf Assists). Unter Flutlicht scheint Comans Stern heller. Im Hinund-Wieder-Graubrot Bundesliga kommt der Nationalsp­ieler in 110 Partien auf 39 Scorerpunk­te (19 Tore und 20 Vorlagen).

2015 wurde Coman für sieben Millionen Euro von Juventus Turin ausgeliehe­n. 2017 verpflicht­ete man das Talent für 20 Millionen Euro. Neben Landsmann Franck Ribéry sollte der Linksaußen reifen. Coman ist dabei. Letztes Jahr verlor er zeitweise seinen Stammplatz an Leihgabe Ivan Perisic (31). „Konkurrenz gibt es immer. Früher waren es Arjen Robben und Franck Ribéry, heute sind es andere“, sagte Coman und dachte an Serge Gnabry, aktuell in Quarantäne (positiv auf Corona getestet) und die Neuen Leroy Sané und Douglas Costa. Vier Topleute für zwei Außenbahne­n. „Wir spielen fast alle drei Tage und werden alle Spieler brauchen. Und ich werde mein Bestes geben, wenn ich spiele“, versprach Coman.

„Kingsley ist ein Ausnahmekö­nner“, schwärmte Leon Goretzka, beim Solo zum 4:0 habe er „seine ganze Klasse gezeigt“. Aber er sei „nun einmal ein Spieler, der Selbstvert­rauen braucht“. Die will ihm Flick geben. Und weil er weiß, wie er seinen Pappenheim­er anpacken muss, betonte der Fußballleh­rer: „Er kann es. Die Qualität hat er. Und da schauen wir jetzt mal genau hin, was in den nächsten Wochen passiert.“Was bereits passiert ist: neun Spiele, neun Siege, 34:4 Tore – so die unfassbare Bilanz des Bayern-Trainers in der Champions League. Und wenn man allein auf die vergangene­n fünf Partien seit der Corona-Pause blickt, wird die bayerische Dominanz noch deutlicher: 4:1 gegen Chelsea, 8:2 gegen Barcelona, 3:0 gegen Lyon, 1:0 im Finale gegen Paris. Und nun das 4:0 gegen Atlético Madrid, gegen die laut Thomas Müller weltgrößte „Rabauken“-Truppe, die im Vorjahr den FC Liverpool, den Champion von 2019, aus dem Wettbewerb geworfen hatte.

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FOTO: ANDREAS GEBERT/AFP

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