Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Viele Regeln, wenig Kontrolleure Uneinheitliche Bußgelder
Corona-Vorgaben sollen Pandemie bremsen – Wer überprüft, ob sie eingehalten werden?
RAVENSBURG - Eine Schutzmaske auf dem Wochenmarkt und höchstens zehn Personen bei Privatfeiern: Die seit Montag geltenden verschärften Corona-Verordnungen sollen die in den vergangenen Wochen drastisch angestiegenen Infektionszahlen bremsen. Das gelingt nur, wenn sich die Bevölkerung an Quarantäneanweisungen und verschärfte Verordnungen hält. Doch wer soll das kontrollieren?
Immer mehr Landkreise im Süden Deutschlands leuchten auf der Übersichtskarte des Robert-Koch-Instituts rot auf – überall dort, wo die SiebenTage-Inzidenz von 50 Infizierten pro 100 000 Einwohnern überschritten wird. Am Freitag erreichten schon mehr als die Hälfte der Landkreise und kreisfreien Städte in BadenWürttemberg und Bayern diesen Wert.
Seit Wochen kratzt der Landkreis Tuttlingen an der 50er-Schwelle. Die verschärften Regelungen sollen auch hier verhindern, dass der Kreis zum Corona-Hotspot wird. Kontrollieren soll das vor allem das Ordnungsamt der Stadt Tuttlingen. „Tuttlingen ist in der glücklichen Lage, einen kommunalen Ordnungsdienst zu haben“, sagt Benjamin Hirsch, persönlicher Referent des Oberbürgermeisters. Die acht Stellen habe man mittlerweile verdoppelt – mit Mitarbeitern aus anderen Abteilungen. Ob das reicht, um die Maskenmuffel in der Fußgängerzone zurechtzuweisen oder ausufernde Privatfeiern zu unterbinden, ist fraglich. „Da machen wir uns nichts vor. Es ist nicht nur eine Frage von Befugnissen, sondern auch von Manpower“, erklärt Hirsch. „Ein punktuelles Kontrollieren erfolgt nach Möglichkeit natürlich, ansonsten reagieren wir auf Beschwerden und Anzeigen.“Reagieren anstatt agieren, so die Devise. Ein Problem, mit dem die Stadt Tuttlingen nicht alleine ist.
Die Landespolizei soll bei den Kontrollen unterstützen. Das kündigte Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU) am Freitag an. „Die Polizei wird dazu im öffentlichen Raum konsequent kontrollieren, etwa ob der Maskenpflicht nachgekommen wird, und sie wird verbotene Ansammlungen konsequent auflösen.“Schon in den vergangenen Tagen hatten sich Polizeibeamte an Schwerpunktkontrollen der Quarantänemaßnahmen im ganzen Land beteiligt. Doch an der Machbarkeit von mehr Kontrollen gibt es Zweifel. „Mit den Belastungen des Polizeialltags ist es schwierig, sich zusätzlich um ein solches Thema zu kümmern“, sagt etwa Ralf Kusterer, Landesvorsitzender der deutschen Polizeigewerkschaft in Baden-Württemberg. Auch ohne verschärfte Regelungen habe die Landespolizei 180 000 Personen kontrolliert, mehr als 34 000 Maskenverstöße festgestellt und 900 Anzeigen geschrieben. „Wir sind in der Lage, das zu leisten. Aber natürlich stellt sich die Frage, welche Aufgaben noch zusätzlich zu bewältigen sind“, sagt Kusterer.
Ähnliches ist aus Bayern zu hören. „Ich bin mir sicher, dass wir das stemmen können. Nur werden wir Überstunden aufbauen und an die Leistungsfähigkeit der Leute herangehen. Wir arbeiten sicher an der Grenze des Machbaren“, sagt Jürgen Köhnlein, Landesvorsitzender der Polizeigewerkschaft Bayern. In den Innenministerien sieht man das anders. Die Zahl der Beamten sei ausreichend, heißt es sowohl in Bayern als auch Baden-Württemberg auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“.
Die Höhe von Bußgeldern bei Verstößen gegen Corona-Verordnungen kann sich je nach Einzelfall und Ordnungsamt deutlich unterscheiden. Denn: Die Ordnungsämter können die Höhe ihrer Bußgelder in einem vom Land vorgegebenen Rahmen selbst festlegen.
Auch das Sozialministerium in Stuttgart zeigt sich zuversichtlich ob der Aufgaben für die Ordnungsämter: „Wie bei anderen Ordnungswidrigkeitstatbeständen auch wird davon ausgegangen, dass die Kommunen dieser Aufgabe im Rahmen der bestehenden Zuständigkeiten sachgerecht nachkommen, gegebenenfalls auch im Wege interner Umschichtungen“, heißt es aus dem Ministerium.
Zum Beginn der Pandemie waren es vor allem die Gesundheitsämter, die bei der Kontaktverfolgung an ihre Grenzen gekommen sind – trotz interner Umstrukturierungen. In einigen Ämtern helfen seit Kurzem sogar Bundeswehrsoldaten aus. Nun drohen auch die Ordnungsämter an den Rand der Belastbarkeit zu kommen, fürchtet der Gemeindetag BadenWürttemberg. Dessen Präsident Roger Kehle hatte deshalb kürzlich einen unkonventionellen Vorschlag gemacht: Um der Belastung Herr zu werden, sollten die Kommunen private Sicherheitsdienste zur Kontrolle einsetzen dürfen. Das Problem: Eine rechtliche Grundlage dafür gibt es nicht – laut Grundgesetz dürfen solche Aufgaben nur an Beschäftigte im öffentlichen Dienst übertragen werden. Darauf verweist auch das Innenministerium. „Die kommunalen Spitzenverbände haben dazu auch gegenüber der Kanzlerin geäußert, dass man diesen Weg der Beleihung gesetzlich regeln müsste“, teilt Kristina Fabijancic-Müller, Pressesprecherin des Gemeindetags mit. „Insofern bleiben wir bei unserer Forderung.“
In Tuttlingen hofft man derweil auf die Vernunft der Bürger und darauf, dass die Behörden zumindest vom Hauptgrund für schlagartig steigende Infektionen auch bei eingeschränkten Kontrollmöglichkeiten Wind bekommen: Feierlichkeiten mit vielen Teilnehmern und wenigen Hygienemaßnahmen. „Wenn irgendwo ein rauschendes Fest stattfindet, wird das nicht verborgen bleiben“, sagt der Tuttlinger OB-Referent Benjamin Hirsch. Und was ist mit Landeshilfe, wie sie etwa die Gesundheitsämter erhalten haben? „Eine solche grundsätzlich sinnvolle Maßnahme wäre bei entsprechendem Bedarf näher zu prüfen“, heißt es aus dem Sozialministerium.
Das teilt das Landessozialministerium
in Stuttgart auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“mit. So kann beispielsweise für Ein- und Rückreisende aus Risikogebieten, die ihre Quarantäneauflagen verletzen, ein Bußgeld zwischen 500 bis 10 000 Euro fällig werden. Der Regelbetrag liege aber bei 650 Euro. (sz)