Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
EU-Parlament stimmt für Agrarreform
BRÜSSEL (dpa) - Das Europaparlament hat sich auf eine Position für die geplante milliardenschwere EUAgrarreform verständigt. Eine Mehrheit der Abgeordneten stimmte dafür, wie am Freitag bekannt gegeben wurde. Umweltaktivisten und Naturschützer hatten die Position im Vorfeld heftig kritisiert. Bereits am Mittwoch hatten sich die EUStaaten auf eine Linie verständigt. Somit können beide Seiten in Kürze Verhandlungen miteinander aufnehmen.
Die Entscheidung des Parlaments sieht nun unter anderem vor, dass künftig 30 Prozent der Direktzahlungen für sogenannte Ökoregelungen verwendet werden müssen. Die EUStaaten hatten sich auf 20 Prozent Ökoregelungen geeinigt. Dies sind Umweltmaßnahmen, die über die Pflichtanforderungen für Bauern hinausgehen. Erfüllt ein Landwirt sie, bekommt er zusätzliches Geld.
Der Vorsitzende des Umweltausschusses des EU-Parlaments, Pascal Canfin, erklärte, das Reformpaket sei ein guter Kompromiss. „Das Europäische Parlament hat den Text erheblich verbessert.“Fast 100 Milliarden Euro würden darin an die Umgestaltung der Landwirtschaft fließen, so Canfin. Der Agrarsektor ist der größte Posten im EU-Budget.
MECKATZ - Die magische Marke von 100 ist gerissen. Nach unten. Nur noch 99,7 Liter Bier hat der Durchschnittsdeutsche im vergangenen Jahr getrunken. Es waren einmal fast 150 Liter. In den 1970er-Jahren. Doch das ist lange her. Seitdem kämpft die Branche der Brauer mit einer abnehmenden Lust ihrer Kundschaft auf den Gerstensaft.
Dieses Jahr dürfte sich der Negativtrend sogar noch einmal beschleunigen. Die Corona-Krise hat Brauereien und Gastronomie kalt erwischt. Mit 4,3 Milliarden Litern lag die abgesetzte Biermenge von Januar bis Juni gut 6,6 Prozent unter der des ohnehin schwachen Vorjahreszeitraums. Vor allem die Monate April und Mai waren ein Schlag ins Kontor der Brauer. Bars und Restaurants waren geschlossen, Feste und sonstige Großveranstaltungen abgesagt. Zwar hat sich der Absatz in den Sommermonaten wieder erholt. Mit den aktuell anziehenden Infektionszahlen und erneut drohender Schließungen in der Gastronomie ist die Verunsicherung aber wieder da.
„Das ist alles sehr unerfreulich“, resümiert Michael Weiß, Chef der Allgäuer Traditionsbrauerei Meckatzer. Im Gastronomiegeschäft, das bei Meckatzer für rund ein Viertel des Bierabsatzes steht, sei in den ersten drei Quartalen ein Minus von 35 Prozent aufgelaufen. Über den Einzelhandel habe die Brauerei bis dato zwar mehr abgesetzt. Summa summarum werde der Bierabsatz 2020 aber um fünf bis sechs Prozent einbrechen, prognostiziert Weiß, der die Geschicke des Unternehmens aus Meckatz im Landkreis Lindau in vierter Generation lenkt.
Und das in einem Jahr, in dem Meckatzer die größte Investition der Unternehmensgeschichte stemmt. Für zwölf Millionen Euro baut die Familienbrauerei einen neuen Gär-, Lagerund Hefekeller – am Donnerstag wurde mit schwerem Baugerät der symbolische Spatenstich gemacht. Zwölf Millionen Euro: Das ist für sich genommen keine astronomische Summe. Doch ins Verhältnis zum Jahresumsatz gesetzt, ist das für Meckatzer durchaus ein dickes Brett.
„Wir reden ja ungern über Zahlen“, ziert sich Weiß im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Dass die Brauerei im Jahr 200 000 Hektoliter Bier braut, damit rund 25 Millionen Euro erlöst – die Investition also einen halben Jahresumsatz verschlingt –, und auch im Corona-Jahr 2020 schwarze Zahlen schreibt, lässt sich der Unternehmer aber dann doch entlocken.
Die Pandemie habe das Projekt zwar um ein halbes Jahr zurückgeworfen, ernsthaft infrage gestellt aber nicht. „Denn wir sind mit unseren Kapazitäten am Ende“, begründet Weiß die Investition. Der Grund dafür lässt sich in vier Buchstaben fassen: Hell. Die untergärige, schwach gehopfte Biersorte erfreut sich seit einigen Jahren wachsender Beliebtheit am Markt. Bei Meckatzer ist sie der Wachstumsmotor der vergangenen Jahre – ohne dabei andere Sorten zu kannibalisieren, wie Weiß berichtet.
Das Mengenwachstum ist aber nicht der einzige Grund. Es geht Meckatzer auch um die Sicherung der Qualität. Der aktuelle Keller stammt aus dem Jahr 1975. Dort sei es zunehmend schwierig, konstante Produktions- und Arbeitsprozesse zu garantieren, erklärt Weiß. So muss die Brauerei beispielsweise die
Gär- und Lagertanks mit hohem Aufwand auf die ideale Temperatur herunterkühlen, weil die Gebäudehülle heutigen Maßstäben nicht mehr entspricht. Im Sommer, sagt Braumeister und Projektleiter Max Stör schmunzelnd, sorge das dafür, dass die Temperatur im Örtchen Meckatz etwas angenehmer ist als etwa im benachbarten Heimenkirch.
Dank modernster Technik soll die Temperatursteuerung künftig auf ZehntelGrad genau möglich sein. Gleichzeitig wird das Unternehmen weniger Energie für die Kühlung benötigen. Fast 129 Megawattstunden Strom will sich die Brauerei im Jahr sparen – das ist grob gerechnet der Energieverbrauch von 30 Einfamilienhäusern. Und auch der Ausstoß von Kohlendioxid würde deutlich sinken: um 60 Tonnen im Jahr.
Mit dem neuen Gär-, Lagerund Hefekeller schafft Meckatzer die Voraussetzungen, um weitere 25 Prozent wachsen zu können. „Das wollen wir nicht in den kommenden fünf Jahren ausschöpfen. Doch es gibt uns die Freiheit, Marktchancen zu ergreifen, wenn wir sie sehen“, sagt der Brauereichef.
Und die sieht Weiß. Sein Optimismus baut auf die wachsende Attraktivität der Tourismusregion AllgäuBodensee-Oberschwaben und darauf, dass sich immer mehr Gastronomen
vom Qualitätsversprechen regional verankerter Brauereien wie Meckatzer angezogen fühlen. Aber auch im Stuttgarter Raum ist die Marke inzwischen kein Fremdwort mehr. „Klasse statt Masse verfängt“, sagt Weiß selbstbewusst.
Das war vor etlichen Jahren so nicht zu erwarten gewesen – damals, Mitte der 1990er-Jahre, als Großbrauer Warsteiner seinen Absatz binnen eines Jahres um eine Million Hektoliter gesteigert und eine Jahresproduktion von zehn Millionen Hektolitern als Ziel ausgegeben hat. „Da haben sich ein Leibinger, ein Farny oder ein Meckatzer gefragt: Wo bleiben wir denn da“, blickt Weiß zurück.
Heute dürfte sich diese Frage mancher Geschäftsführer einer volumenfixierten Großbrauerei stellen – angesichts einer Absatzmisere und angesichts von Verbrauchern, die sich immer stärker dem Kleinen, dem Authentischen zuwenden. Und deshalb fuchst es den Genussmenschen Weiß auch, wenn eben diese Großbrauer mit einem netten Etikett und viel Geld Marken erschaffen, die genau das verkörpern sollen – und damit auch noch Erfolg haben. Langfristig hofft Weiß, dass die Konsumenten zwischen Fake und Authentizität unterscheiden. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht.