Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Vettel fährt um seine Würde

Der viermalige Formel-1-Weltmeiste­r ist auf der Zielgerade­n seiner Ferrari-Zeit

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PORTIMÃO (dpa) - Eigentlich stand Sebastian Vettel nur 2007 noch schlechter da. Es war das Jahr, in dem der Hesse mit dem Lausbubenl­ächeln erst mitten in der Saison einstieg, als Ersatzfahr­er für BMW-Sauber in Kanada zu seinem Formel-1Debüt kam und danach für Toro Rosso startete. Platz 14 wurde es am Ende, sechs Punkte holte Vettel nach damaliger Rechnung. Nach heutiger Punkteverg­abe wären es 16 gewesen – aus acht Rennen. Die Bilanz 2020: 17 Punkte aus elf Rennen, Rang 13 im Klassement.

Ein vierfacher Weltmeiste­r und 53-maliger Grand-Prix-Gewinner, der in weit über zwei Jahren seit seinem Erfolg Ende August 2018 in SpaFrancor­champs gerade mal ein Rennen gewonnen hat (Singapur 2019): 2020 ist der Tiefpunkt – nicht nur während seiner missglückt­en Ferrari-Ära, sondern in Vettels gesamter Formel-1-Karriere. „Es ist klar, dass es eine etwas andere Liebesgesc­hichte wird, wenn man in eine Saison geht und weiß, dass man sich trennt“, kommentier­te Vettel in Portimão. Ferrari hatte das Beziehungs­Aus beschlosse­n und Vettel im sechsten gemeinsame­n Jahr darüber informiert.

Was folgte, ist noch nicht zu Ende. Eine qualvolle Aneinander­reihung von Misserfolg­en und sportliche­n Rückschläg­en. Teamkolleg­e Charles Leclerc, 23 Jahre alt und vom Beginn seiner Verpflicht­ung an die erklärte Zukunft der Scuderia, liegt fünf Plätze besser und holte 46 Punkte mehr als Vettel vor der Premiere der Motorsport-Königsklas­se in Portimão am Sonntag (14.10 Uhr/Sky und RTL).

Der dreimalige Weltmeiste­r Jackie Stewart riet Vettel, doch aufzuhören. Der Schotte, der zu Nicht-Corona-Zeiten in seinem Karomuster­Outfit mit mittlerwei­le 81 Jahren im Fahrerlage­r umherwande­lt, sprach von einer „wundervoll­en Karriere“Vettels. „Aber ich persönlich würde es gerne sehen, wenn er zurücktrit­t und das macht, was ich mache.“

Vettel macht mit 33 Jahren aber weiter im Cockpit, er wird ab 2021 für das künftige Team Aston Martin antreten. Bevor das eine Kapitel neu beginnt, will er versuchen, bei dem alten noch die Hürden zu nehmen und es „mit Würde“abzuschlie­ßen. Von einem Privileg, für Ferrari zu fahren, spricht Vettel weiterhin. Weil einst sein großes Idol und sein Kumpel und Ratgeber Michael Schumacher für die Scuderia fuhr und es das Team ist, das schon immer in der Formel 1 vertreten ist, habe Ferrari immer einen speziellen Platz in seinem Kopf und in seinem Herzen gehabt.

Wehmütig klingt Vettel nicht: Pragmatisc­he Neutralitä­t nach dem Trennungss­chmerz. Die großen Emotionen mit Ferrari hat er hinter sich, am dritten Rennen in Italien in einem Jahr mit der Formel-1-Rückkehr nach Imola eine Woche nach dem Grand Prix in Portugal findet er deswegen Gefallen, weil es dort während seiner Karriere noch kein Rennen gab. Danach wird noch in der Türkei gefahren, zweimal in Bahrain und in Abu Dhabi. Und danach ist Vettels Ferrari-Zeit vorbei: „Ich denke nicht, dass ich der Typ bin, aus dem alles herausspru­delt am Ende und alles superemoti­onal wird.“

„Ich persönlich würde es gerne sehen, wenn er zurücktrit­t.“

Der dreimalige Weltmeiste­r Jackie Stewart über Sebastian Vettel

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