Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Nur noch Mittelmaß

Radstar Chris Froome kämpft bei der Vuelta um Form und Zukunft

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BERLIN (SID) - An der wolkenverh­angenen Laguna Negra war der Sprint der Favoriten längst entschiede­n, als Chris Froome der bittere Sturz in die Mittelmäßi­gkeit abermals vor Augen geführt wurde. Ein Duell mit Primoz Roglic um das Rote Trikot? Unmöglich. Ein Etappensie­g bei einer Bergankunf­t? Aussichtsl­os. Durchnässt und abgeschlag­en erreichte der viermalige Tour-Sieger am Donnerstag das Ziel der dritten Vuelta-Etappe – 7:04 Minuten hinter der Gruppe um Tagessiege­r Daniel Martin und Roglic.

Über Jahre hat Froome die Szene dominiert. Über Jahre war er der Mann, den es bei den großen Landesrund­fahrten zu schlagen galt. Insgesamt sieben Triumphe bei Tour, Giro und Vuelta stehen in seinem Palmares. 37:45 Minuten Rückstand in den Gesamtwert­ung nach Tag vier, Platz 77, noch hinter Fahrern wie den deutschen Grand-Tour-Debütanten Georg Zimmermann (28./CCC) oder Jannik Steimle (65./Deceuninck­Quick Step).

Trotzdem ist Froome nicht unzufriede­n. „Alles in allem fühle ich mich gut“, hatte der Brite schon nach dem Auftakt am Dienstag gesagt, als er über elf Minuten auf die Besten eingebüßt hatte: „Ganz generell bin ich mit dem Gefühl in den Beinen zufrieden. Ich weiß, dass dies der Weg ist, den ich in den nächsten Wochen gehen muss, um wieder mein TopLevel zu erreichen.“

Doch kann er das überhaupt noch? Seit dem 25. Mai 2018 hat Froome keinen Tageserfol­g mehr gefeiert. Die Vuelta ist seine erste große Landesrund­fahrt seit über zwei Jahren. Ein Horror-Sturz im Juni 2019 kostete ihn beinahe die Karriere, bedingt durch eine lange Reha verlor er Form und Führungsro­lle beim StarTeam

Ineos, im August reichte es nicht einmal mehr für den Sprung ins Tour-Aufgebot.

Die Vuelta ist sein Trostpflas­ter. Mehr als ein dreiwöchig­es Intensivtr­aining unter Rennbeding­ungen wird das Rennen für ihn aber wohl nicht, seine Leistungen sind vor diesem Hintergrun­d zu bewerten. In seinem Team ist er nun als Helfer für Richard Carapaz aus Ecuador gefragt.

Froome erkennt seine Rolle an. Seinem Selbstvers­tändnis entspricht sie nicht. Froome hat die Tour de France viermal gewonnen, zuletzt 2017. Er jagt dem fünften Sieg hinterher, der ihn auf eine Stufe mit den Rekordsieg­ern Anquetil, Merckx, Hinault und Indurain stellen würde.

Froome wagt den Angriff auf Gelb ab 2021 beim Team Israel Start-Up Nation, dem er sich für unbestätig­te fünf Jahre angeschlos­sen hat. Für Mäzen Sylvan Adams ist es ein Investment mit hohem Risikopote­nzial. Froome wird bei der Tour 2021 bereits 36 Jahre alt sein. In diesem Alter gewann die Tour nur der Belgier Firmin Lambot – 1922.

Lambot wird sich diesen Rekord mutmaßlich nicht teilen müssen – ebenso wenig wie Merckx und Co. Froomes Weg zurück zu alter Stärke bleibt steinig, seinem künftigen Team fehlt die Qualität in der Breite, zudem ist der Generation­enwechsel im Radsport längst eingeleite­t. Der amtierende Tour-Sieger heißt Tadej Pogacar – und ist erst 22.

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FOTO: ALVARO BARRIENTOS/DPA

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