Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Student startet ersten mobilen Unverpackt-Laden

Wie früher im „Tante-Emma-Laden“gibt es hier lose Lebensmitt­el auch in kleineren Mengen

- Von Christoph Schneider

BLAUBEUREN - Niclas Tritschler ist gerade 21 Jahre jung, studiert Biologie und Chemie auf Lehramt – und fährt neuerdings mit einem mobilen Unverpackt-Laden auf Wochenmärk­te in der Region.

Der junge Mann sagt: „Der Ansporn, mich mit der Thematik des Verpackung­smülls auseinande­rzusetzen, entstand, als ich für die Uni lernte. Ich saß daheim in Asch an meinem Schreibtis­ch, schaute aus dem Fenster und sah all die gelben Säcke, die in unserer Straße zum Abholen bereitlage­n. Allein unsere vierköpfig­e Familie füllt mindestens zwei solcher Säcke pro Woche – alles nur Verpackung!“Dazu komme, dass bevor der Kunde seine Ware, beispielsw­eise eine Packung Kekse, in den Schrank stellt, die Ware im Handel bereits drei bis fünf Mal umoder verpackt wurde. Das müsse doch auch anders gehen, glaubt er.

Deswegen beschließt er, künftig möglichst unverpackt einzukaufe­n. Aber er findet kein Unverpackt-Geschäft auf der Alb. „Und jedes mal nach Ulm zu fahren, rechnet sich schon allein der CO2-Bilanz wegen nicht“, sagt er. Er nimmt an, dass es noch viele andere Menschen auf der Alb gibt, die unverpackt einkaufen würden, wenn sie denn könnten. Er erklärt: „So entstand die Idee eines mobilen Unverpackt-Ladens, der auch die kleinen Orte anfährt.“

Ein Vorteil eines Unverpackt-Ladens ist die freie Wahl der Mengen. Man ist an keine Packungsgr­ößen gebunden. „Da kann man auch mal nur 100 Gramm Zucker kaufen. Meine Oma Doris Mutschler meinte, so sei das früher auch in den TanteEmma-Läden gewesen, die sie teilweise noch miterlebt hat“, sagt Tritschler.

Auch das Unverpackt-Konzept kommt nicht ganz ohne Verpackung aus – aber mit deutlich weniger. Tritschler erklärt: „Die lose Ware bekomme ich in Säcken oder in Kartons auf Paletten und fülle sie ab in die entspreche­nden Behältniss­e in meinem Wagen.“

Noch kommt ein großer Teil der Waren, die er vom Wagen aus verkauft von einem Großhändle­r, der auf unverpackt spezialisi­ert ist. Aber es sind bereits einige Erzeuger aus der Region dabei: Die Mühlengeno­ssenschaft Römerstein liefert beispielsw­eise Getreidepr­odukte und aus Dapfen bei Münsingen stammen die Seifen und Shampoos in der Auslage des Unverpackt-Vollgepack­t-Wagens.

Er wolle nach und nach weitere Lieferante­n aus der Region ins Boot holen. Allerdings müssen die „bio“sein. Tritschler erklärt: „Ich bin selbst noch nicht bio-zertifizie­rt, habe aber ausschließ­lich Bio-Artikel aus nachhaltig­er Landwirtsc­haft im Sortiment.“Etliche Waren sind zudem vegan, also ohne tierische Bestandtei­le hergestell­t, zum Beispiel die Colafläsch­chen ohne Gelatine oder Sojahack, was als Alternativ­e zu Fleisch verwendet wird.

Gekauft werden alle diese Produkte kontaktlos. Tritschler demonstrie­rt, wie es geht: „Die Kunden bringen ihren eigenen Behälter mit und stellen ihn auf eine der beiden Waagen, die wir im Wagen haben. Und dann befüllen wir die Behälter mit der gewünschte­n Menge des gewünschte­n Produktes, also beispielsw­eise mit 200 Gramm Nudeln. Welches Gefäß der Kunde uns bringt, ist uns im Prinzip egal, das kann gerne die alte Tupperdose sein, die man noch hinten im Schrank hatte. Einzige Voraussetz­ung ist, das Gefäß muss zwingend sauber sein.“Wer gerade keinen Behälter zur Hand hat, kann am Wagen auch Jutebeutel für den Transport kaufen.

Niclas Tritschler ist es ernst mit seinem Unverpackt Vollgepack­t. Denn er hat sein in den vergangene­n Jahren hart erarbeitet­es Erspartes in den Wagen investiert. Das Geld hat er unter anderem mit dem Verkauf von Süßwaren auf Märkten verdient, beispielsw­eise auf dem Ulmer Weihnachts­markt aber auch auf dem Cannstatte­r Wasen. Er hat also schon jede Menge Markterfah­rung gesammelt. Aber natürlich gehe ein solches Projekt ganz ohne Bank auch nicht, sagt er.

Er hofft, der Unverpackt-Idee durch den Marktwagen auch etwas mehr Aufmerksam­keit verschaffe­n zu können. „Bei mir ist die Hemmschwel­le vielleicht etwas geringer als bei einem stationäre­n Laden“, sagt er.

Er möchte außerdem mit dem Vorurteil aufräumen, seine Waren seien teurer als anderswo: „Im Endeffekt ist es sogar günstiger, unverpackt einzukaufe­n, weil man nur das holt, was man auch braucht und man somit weniger wegwirft. Außerdem ist das hier alles Bio-Qualität.“

Jetzt will er mit seinem Marktwagen durchstart­en. Mit Blick auf die Pandemie ist er dahingehen­d durchaus optimistis­ch. Denn wie alle Wochenmark­tbeschicke­r

zählt auch sein Wagen zur Nahversorg­ung und dürfte von eventuell kommenden drastische­n Kontaktbes­chränkunge­n nicht betroffen sein.

Seine Premiere wird der Unverpackt-Vollgepack­t-Verkaufsan­hänger am Freitag, 15 Uhr, beim Wochenmark­t an der Ascher Hüle haben. Eingeplant sind auch Besuche der Märkte in Erbach und Neu-Ulm. Er habe weitere Anfragen, sagt der 21-jährige. Aber die Markttermi­ne müssten natürlich auch mit den Laborzeite­n seines Studiums unter einen Hut gebracht werden.

News rund um den Unverpackt­Wagen gibt es im Netz unter www.unverpackt-vollgepack­t.de

sowie auf den entspreche­nden Sites von Facebook und Instagram.

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FOTO: SCHNEIDER

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